Die Formel 1 befindet sich im Januar 2022 noch tief im Winterschlaf. Das war nicht immer so. Ohne Testbeschränkungen herrschte auch zur dunklen Jahreszeit reger Betrieb auf den Rennstrecken. In dieser längst vergangenen Zeit kam vor allem einer auf seine Kosten: Luca Badoer. Als Testfahrer von Ferrari trug er seinen Teil zur Erfolgsgeschichte der Scuderia mit Rekordweltmeister Michael Schumacher bei. In den Geschichtsbüchern ist sein Name jedoch mit einem äußerst bemitleidenswerten Rekord verbunden. Im Rahmen unserer History-Serie 'On This Day' lässt Motorsport-Magazin.com Ferraris fleißigsten Angestellten zu Ehren seines 51. Geburtstags hochleben.

Formel 1 heute vor 50 Jahren: Nullnummer Luca Badoer wird geboren

Es bis in die Formel 1 zu schaffen, ist für jeden Rennfahrer die Erfüllung eines Traums und ein großes Privileg. Seit 1950 nahmen über 770 Fahrer an mindestens einem Grand Prix teil. Unter ihnen befindet sich auch der am 25. Januar 1971 in Montebelluna geborene Luca Badoer. Mit 50 Starts gehört der Italiener schon fast zu einem exklusiven Kreis, denn das gelang "nur" 137 anderen. Trotzdem, oder genau deshalb, steht Badoer mit dem wohl ungewolltesten aller Negativrekorde da.

Viele werden jetzt wohl an Nico Hülkenberg und seine 179 Rennen ohne Podium denken. Der gute Hülk muss dafür zuweilen Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Ein Glück, dass der beliebte Sprücheklopfer neben seiner spitzen Zunge auch noch ein dickes Fell hat. Badoer hingegen wäre froh, wenn er die Erfolge Hülkenbergs vorweisen könnte - denn er fuhr in der Formel 1 nicht ein einziges Mal in die Punkte. Nicht einmal als Ersatzfahrer in Diensten von Ferrari gelang es ihm, den Fluch zu besiegen.

Badoer bügelt drei F1-Sieger in der Formel 3000

Dabei hatte Badoers Karriere so vielversprechend begonnen. Nach einer erfolgreichen Laufbahn im Kartsport stieg er 1989 in die Formel 3 auf. Nach mehreren Siegen und Platz vier in der italienischen Meisterschaft gewann er 1992 auf Anhieb die Formel-3000-Europameisterschaft. Mit vier Siegen aus zehn Rennen distanzierte er unter anderem Rubens Barrichello, David Coulthard und Olivier Panis deutlich - allesamt spätere Sieger in der F1. Der Aufstieg in die Formel 1 war damit eine klare Angelegenheit.

Doch schon bei seinem ersten Anlauf in der Königsklasse war der damals 22-Jährige zum Scheitern verdammt. Das Formel-1-Team BMS Scuderia Italia hatte sich nach fünf Jahren von Dallara getrennt und ließ sich ab 1993 das Chassis von Lola liefern. Als Motorenlieferant blieb Ferrari an Bord. Doch die Kombination aus Lola T93/30 und dem Ferrari 040 3.5 V12 war von Anfang an ein Debakel.

Weder der Shooting Star noch sein erfahrener Teamkollege Michele Alboreto erreichten mit dem Boliden zählbare Resultate. Im Gegenteil: An 14 Rennwochenenden verfehlte Badoer zwei Mal, Alboreto sogar fünf Mal die Qualifikation. In San Marino erreichte Badoer mit drei Runden Rückstand immerhin einen siebten Platz, doch für den gab es vor 29 Jahren noch keine Punkte. Zu seinem Leidwesen sollte dieses Resultat das beste seiner gesamten F1-Laufbahn bleiben.

Im Lola T93/30 war Badoer 1993 auf verlorenem Posten, Foto: LAT Images
Im Lola T93/30 war Badoer 1993 auf verlorenem Posten, Foto: LAT Images

Benetton-Chance neben Schumacher verpasst

Die letzten beiden Grands Prix des Jahres ließ das Team mangels Budget ausfallen. Nach der Saison sperrte die BMS Scuderia Italia zu. Dadurch öffnete sich für Badoer eine goldene Tür. Benetton ließ ihn testen, um ihn als möglichen Teamkollegen für Schumacher in der Saison 1994 zu evaluieren - doch das Team entschied sich für JJ Lehto. Badoer dockte stattdessen als Testfahrer bei Minardi an.

In einem der solideren Hinterbänklerteams empfahl er sich für einen Stammplatz in der Saison 1995. Minardi schien dank eines Deals mit Mugen-Honda zunächst ein vielversprechendes Paket zu haben. Aus der Ehe wurde jedoch nichts. Stattdessen musste das Team Motoren von Ford im M195 verbauen. Badoer fuhr drei Mal in die Top-10. Zwei achte Plätze in Kanada und Ungarn waren das Höchste der Gefühle. Teamkollege Pedro Lamy ergatterte hingegen einen WM-Punkt.

Luca Badoer hätte bei Benetton Michael Schumachers Teamkollege werden können, Foto: Sutton
Luca Badoer hätte bei Benetton Michael Schumachers Teamkollege werden können, Foto: Sutton

Forti Corse lässt Badoer noch schlechter aussehen

Badoer verließ Minardi zur Saison 1996 in Richtung Forti Corse. Sein dritter Anlauf in der Formel 1 war mindestens ein genau so großes Trauerspiel wie der erste. Der Forti FG01-95 war nicht mehr als ein Behilfs-Chassis. Das Design stammte ursprünglich aus dem Jahr 1992. Der ehemalige Brabham-Designer Sergio Rinland hatte es unter der Bezeichnung GR02 als Projekt für Fondmental entwickelt - doch die gingen pleite.

Ende 1994 kaufte Forti Corse die Insolvenzmasse auf und aktivierte Rinland, der inzwischen in den USA an einem ChampCar-Projekt arbeitete. Das veraltete Konzept war 1995 wenig überraschend nicht konkurrenzfähig. Der FG01 war das letzte Auto in der Geschichte der Formel 1, das über eine H-Schaltung verfügte. Aufgrund mangelnden Budgets musste Badoer 1996 mit einer Weiterentwicklung dieses Fahrzeugs antreten.

Beim Auftakt in Melbourne verpassten er und Teamkollege Andrea Montermini die 107-Prozent-Hürde und damit die Qualifikation. Drei Rennen und eine weitere verpasste Qualifikation später erhielt Badoer als erster der beiden Piloten den neuen FG03. Die erste Eigenentwicklung war kaum konkurrenzfähiger als der Vorgänger. Nach dem zehnten Rennen der Saison in Silverstone machte Forti dicht - und Badoer saß wieder auf der Straße.

Forti war für Badoer in vielerlei Hinsicht eine Bruchlandung, Foto: Sutton
Forti war für Badoer in vielerlei Hinsicht eine Bruchlandung, Foto: Sutton

Badoer wird auf dem Nürburgring zum tragischen Held

Ohne Perspektive in der Formel 1 wechselte Badoer in die FIA GT. Parallel zu seinem Engagement im Sportwagen heuerte er als Entwicklungsfahrer bei Ferrari an. Seine Arbeit für die Scuderia ermöglichte ihm einen letzten Anlauf in der F1. 1999 kehrte er zu Minardi zurück. Wieder fand er sich am Ende des Feldes wieder, doch um ein Haar gelang ihm die große Sensation.

Beim chaotischen Europa GP auf dem Nürburgring behielt er die Nerven und war auf Kurs zu einem Top-Resultat. Doch das Glück war im entscheidenden Moment nicht auf seiner Seite. Auf Platz vier liegend quittierte das Getriebe seines Minardi M01 nur 13 Runden vor der Zielflagge den Dienst. Badoer konnte sein Pech nicht fassen und sank bitterlich weinend neben seinem Auto zusammen.

Im 46. Rennen wurde ihm seine größte Chance auf den kleinen Formel-1-Ruhm in Form von vier WM-Punkten genommen. Doch es sollte noch nicht seine letzte in der Königsklasse gewesen sein. Nach der Saison mit Minardi kehrte er als Vollzeit-Testfahrer zu Ferrari zurück. Zwischen 1999 und 2009 absolvierte er unglaubliche 457 Testtage für die Scuderia - und erhielt dann völlig überraschend die Chance seines Lebens.

Mit Minardi wurde Badoer 1999 auf dem Nürburgring um das erlösende Punkteresultat gebracht, Foto: LAT Images
Mit Minardi wurde Badoer 1999 auf dem Nürburgring um das erlösende Punkteresultat gebracht, Foto: LAT Images

Badoer fährt Grand Prix für Ferrari

Als Felipe Massa im Qualifying auf dem Hungaroring von einer Feder am Kopf getroffen wurde, forderte Ferrari zunächst Michael Schumacher als Ersatz an. Der Rekordweltmeister musste nach einem Test jedoch feststellen, dass seine bei einem Motorradunfall zugezogene Nackenverletzung kein Comeback zuließ.

Der Ferrari F60 war das mit Abstand schwächste Auto, das Maranello seit der Krise 1992 und 1993 entwickelt hatte. Für Badoer war die Einberufung dennoch der Lohn für seine jahrelangen Verdienste und gleichzeitig die große Chance, diesen einen WM-Punkt zu holen. Nach zehn Jahren auf der Teststrecke war er im Wettbewerb ohne Chance.

Bei seinem ersten Einsatz auf dem Straßenkurs von Valencia büßte er zweieinhalb Sekunden auf Teamkollege Kimi Räikkönen ein und beendete die Qualifikation als Letzter. Im Rennen wurde er außerhalb der Top-10 von Romain Grosjean abgeschossen. Ferrari gab ihm in Spa-Francorchamps eine zweite Chance. Während der Iceman auf seiner Paradestrecke den einzigen Sieg für die Italiener in der Saison 2009 einfuhr, war Badoer erneut am Ende des Feldes unterwegs.

Badoer war bei seinem Einsatz für Ferrari 2009 überfordert, Foto: Sutton
Badoer war bei seinem Einsatz für Ferrari 2009 überfordert, Foto: Sutton

Pic und Chilton verpassen Badoer-Rekord

Ferrari schickte ihn zurück auf die Ersatzbank und ließ stattdessen Giancarlo Fisichella ran. Der Landsmann war in Spa-Francorchamps im Force India sensationell auf die Pole Position gefahren und hatte im Rennen Platz zwei geholt - doch auch er scheiterte wie Badoer am Ferrari F60. Fisico blieb in seinen fünf Rennen in Rot ebenfalls ohne Punkt.

Für Badoer änderte all das nichts. 50 Rennen ohne WM-Zähler machen ihn auch über zehn Jahre später noch zum Rekordhalter. In der Zwischenzeit scheiterten gleich zwei Fahrer daran, seine Bestmarke zu überbieten. Charles Pic absolvierte insgesamt 39 Grands Prix ohne zählbares Resultat. Max Chilton verfehlte in 35 Rennen die Punkte. Zuletzt bahnte George Russell sich an, eine Negativserie aufzustellen - doch sein Einsatz für Mercedes rettete das britische Talent.

Was sonst noch geschah:

Vor 46 Jahren: Am 25. Januar 1976 gastiert die Formel 1 zum vierten Mal in Brasilien. Der Sieg geht an den amtierenden Weltmeister Niki Lauda im Ferrari. Dessen Herausforderer James Hunt hatte sich bei seinem ersten Auftritt für McLaren die Pole Position gesichert, doch er fiel durch einen Unfall aus. Die Plätze zwei und drei belegten Patrick Depailler (Tyrrell) und Tom Pryce (Shadow). Als Vierter verpasste Hans-Joachim Stuck im March nur knapp die Punkte. Jochen Mass (McLaren) machte mit Platz sechs einen guten Tag für die Deutschen perfekt.

Vor 66 Jahren: In der venezolanischen Hauptstadt Caracas erblickt 1956 Johnny Cecotto das Licht der Welt. In der Formel 1 hinterließ er mit einem WM-Punkt bei 18 Starts kein sonderlich denkwürdiges Vermächtnis. Dennoch gilt er als einer der größten Allrounder seiner Zeit. Vor seiner Karriere im Automobilsport war er zwischen 1975 und 1980 in der Motorrad-Weltmeisterschaft am Start. Gleich im ersten Jahr gewann er den Titel in der 350cc-Klasse. Insgesamt feierte er 14 Siege, darunter drei in der 500cc-Klasse. Auf vier Rädern war er für BMW mit zahlreichen Siegen in der DTM und zwei Meistertiteln in der STW ebenfalls erfolgreich.