Am 11. August 2009 gab Ferrari offiziell bekannt, dass Luca Badoer für den Rest der Saison den verletzten Felipe Massa ersetzen wird. Der Meldung gingen dramatische Ereignisse voraus: Beim Großen Preis von Ungarn traf Felipe Massa im Qualifying eine rund 800 Gramm schwere Feder, die sich am Brawn von Rubens Barrichello gelöst hatte am Helm. Der Brasilianer verlor sofort das Bewusstsein und schlug in die Streckenbegrenzung ein. Die Feder hatte das Visier des Helmes durchschlagen und Massa schlimme Verletzungen zugefügt.
Weil der Vizeweltmeister des Vorjahres für den Rest der Saison nicht mehr ins Cockpit steigen konnte, musste Ferrari einen Ersatz finden. Die Sensation war - zumindest fast - perfekt, als Michael Schumacher aus Liebe zur Scuderia ein Comeback für wenige Rennen geben wollte. Doch dann der nächste Schock: Bei Testfahrten merkte der Rekordweltmeister, dass ihn eine alte Verletzung, die er sich bei einem schlimmen Motorradunfall zugezogen hatte, zu große Schmerzen bereitete. Aus dem Traum vieler Tifosi wurde nichts. Nun sollte es als Luca Badoer, seines Zeichens Testfahrer der Mythosmarke richten.
Für den Italiener ging ein Traum in Erfüllung, der aber in einem Albtraum endete. Zuletzt fuhr Badoer 1999 ein Rennen in der Formel 1 - für Minardi. Eine optimale Vorbereitung sieht wohl anders aus. Das spiegelte sich auch in den Leistungen wieder: Beim Europa GP setzte er schon im Training den Ferrari auf den letzten Rang. Alleine auf Teamkollege Räikkönen fehlten fast zweieinhalb Sekunden. Auch in den weiteren Sessions war kein wirklicher Aufwärtstrend zu sehen, entsprechend startete Badoer vom 20. und damit letzten Platz. Immerhin kam er bei seinem Ferrari-Debüt ins Ziel, bildete aber als 17. erneut das Schlusslicht und musste sich von Sieger Rubens Barrichello überrunden lassen.
Beim nächsten Rennen in Belgien lief es auch nicht besser. Beim einzigen Saisonsieg des Ferrari F60 musste sich Badoer wieder mit dem letzten Rang zufrieden gebe. Fast 50 Sekunden fehlten ihm auf den Vorletzten Kazuki Nakajima. Vor dem Heimspiel in Monza zog Ferrari die Reißleine: Badoer wurde wieder zum Testfahrer degradiert, Giancarlo Fisichella wurde kurzerhand von Force India abgeworben und durfte die letzten Rennen fahren. Einen Punkt konnte Fisichella, der mit dem Force India in Spa noch Zweiter wurde, mit dem schwierig zu fahrenden Ferrari zwar auch nicht holen, doch als Neunter beim Heimspiel blamierte er die Scuderia zumindest nicht. Doch Badoer war nicht der einzige, nicht ganz so schnelle Formel-1-Pilot der jüngeren Historie.
Die lahmen Enten der jüngeren Formel-1-Geschichte
Hier ein bisschen feilen, dort etwas optimieren. Sergey Zlobin ist schwer beschäftigt. Der ehemalige Testfahrer von Minardi bastelt mit größter Akribie an seinem Rennwagen, einem Euro Formel 3000 Boliden. Aber Zlobin studiert keine Datenaufzeichnungen, diskutiert nicht mit seinen Ingenieuren und tüftelt nicht am Setup. Der Russe ist penibel damit beschäftigt, Sponsorenaufkleber im richtigen Winkel an seinem Auto anzubringen. Aufkleben, abziehen, aufkleben und wieder von vorne.
Schon bei Minardi glänzte er bei seinen wenigen Testfahrten durch andere Eigenschaften als seinen Speed. Ganz anders abseits der Rennstrecke: Ein F1-Rennen fuhr er nie, aber im Jahr 2003 nahm Zlobin die Herausforderung eines russischen Streetracers an, ein illegales Straßenrennen in Moskau zu bestreiten - und verlor. Im Jahr 2007 schrieb er Schlagzeilen, als unter seinem Straßenauto ein Sprengsatz detonierte. Er kam mit leichten Verletzungen davon.
Der Fall Yuji Ide
Yuji Ide wusste oft nicht, wie ihm geschah - weder auf der Strecke noch daneben. Der Super Aguri Pilot hatte 2006 schon damit zu kämpfen, sich jeden Tag auf Englisch zu verständigen. Ein paar Brocken lernte er, ansonsten nahm er fremde Hilfe in Anspruch. Bei Interviews übernahm ein Dolmetscher diese Rolle, im Boxenfunk agierte Teamchef Aguri Suzuki als Übersetzer. Als sich das Motorsport-Magazin an Ides letztem F1-Wochenende in Imola mit ihm zum Interview traf, kam sich unser Redakteur ein bisschen wie im Film "Lost in Translation" vor. Ide antwortete ausführlich auf Japanisch, die englische Version fiel deutlich kürzer aus. "Ich habe bemerkt, dass es ein sehr großer Schritt war, in die F1 zu kommen", sagte er uns. "Jedes Mal, wenn ich mich ins Auto setze, muss ich gute Arbeit leisten. Sonst werde ich gefeuert."
So weit kam es nicht. Nach vier Rennen legte die FIA dem Team nahe, Ide mehr Testerfahrung zu geben. Ein Rennen später entzog sie ihm die Superlizenz. Das Fass zum Überlaufen brachte eine Kollision mit Christijan Albers in der zweiten Kurve in Imola, in deren Folge sich der Niederländer mehrfach überschlug. "In Monaco hätte das eine Katastrophe werden können", brachte Kimi Räikkönen zum Ausdruck, was viele im Fahrerlager dachten. "Er ist ein netter Typ, aber er war ziemlich langsam und hat sich ständig gedreht. Man wusste nie, ob er sich mal wieder drehen würde, wenn man knapp hinter ihm war." Auch Christian Klien rettete sich in Sarkasmus: "Manchmal fährt er eine völlig andere Linie als wir. Vielleicht kommt das ja daher, dass sie in Japan auf der anderen Straßenseite fahren." Einfach hatte es der Japaner nicht. Vor seinem F1-Debüt in Bahrain konnte er nur wenige hundert Testkilometer zurücklegen. Bei diesen saß er in einem vier Jahre alten, modifizierten Arrows und musste einen gebrauchten Sitz von Heinz-Harald Frentzen verwenden. Von der Funktionsfähigkeit aller Systeme und Sensoren ganz zu schweigen...
Ein Israeli im Minardi
Chanoch Nissany mag die F1-Geschichtsschreibung nicht revolutioniert haben, trotzdem hat der 42-jährige Israeli einen winzigen Teil dazu beigetragen. Bei einem seiner ersten Tests im Minardi in Mugello kollidierte er mit Albers im neuen Auto. Auch sein einziger Auftritt an einem GP-Wochenende endete vorzeitig: 17 Minuten vor dem Ende des 1. Freien Trainings beim Ungarn GP 2005 drehte er sich ins Kiesbett und blieb stecken - und das an seinem 42. Geburtstag. Immerhin: Entgegen der nackten Zahlen in der Zeitentabelle war Nissany nicht 13 Sekunden langsamer als Bestzeithalter Alexander Wurz. Als er den Minardi in den Kies setzte, waren es lediglich elf Sekunden.
Im Vergleich zu Nissany und Ide war das Abschneiden von Luca Badoer tatsächlich nicht so schlecht. Kein Wunder, dass der ehemalige Minardi-Pilot sich von der Presse schlecht behandelt fühlte und den Medien die Schuld für seinen Austausch in die Tastaturen schob. Er selbst war nach seinen beiden Rennen "überglücklich" und stufte einen Fahrerwechsel als "absurd" ein. Schließlich hätte er in Monza mit geschlossenen Augen gute Zeiten fahren können. Die F1 hat viel erlebt, von diesem Experiment blieb sie glücklicherweise verschont.
Welche lahme Ente fällt euch noch ein? Befindet sich auch im aktuellen Fahrerfeld ein Pilot, der nicht Formel-1-tauglich ist? Teilt eure Meinung mit uns und schreibt einen Kommentar!
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