Heftige Kritik von Formel-1-Pilot Daniel Ricciardo an den Machern der Königsklasse: Für ihre TV-Übertragung nach dem heftigen Unfall Romain Grosjeans (Haas F1 Team) kurz nach dem Start des Bahrain Grand Prix 2020 am Sonntag kommt die internationale Bildregie der F1 bei dem Australier alles andere als gut weg. Ricciardo ist von den dauernden Wiederholungen des Crashs angewidert und enttäuscht. Sebastian Vettel und Valtteri Bottas stimmen ein. Ausgerechnet Haas-Teamchef Günther Steiner und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff relativieren.

„Ich möchte meinen Ekel und meine Enttäuschung von der Formel 1 ausdrücken“, eröffnete Ricciardo seine TV-Interviews nach dem Rennen in Bahrain mit einer harten Ansage. „Die Art und Weise, wie der Vorfall um Grosjean wieder und wieder gezeigt wurde, die ständigen Wiederholungen, das war völlig respektlos und rücksichtslos gegenüber seiner Familie - gegenüber all unserer Familien, die zusehen“, wetterte der sonst immerzu strahlende Renault-Pilot.

Daniel Ricciardo: Sie haben mit unseren Emotionen gespielt

Ricciardo weiter: „Wir fahren eine Runde später wieder Rennen und jedes Mal, wenn wir ins TV schauen, sehen wir einen Feuerball und ein halbiertes Auto. Ich meine nur... das können wir morgen sehen, wir müssen es nicht heute sehen. Für mich war das Entertainment, sie haben mit unser aller Emotionen gespielt und das fand ich ziemlich abstoßend. Hoffentlich haben sich auch ein paar der anderen Fahrer geäußert. Denn ich wäre überrascht, wenn das nicht unser Standpunkt wäre.“

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Tatsächlich steht der Australier mit seiner Kritik nicht allein. Mit Sebastian Vettel, immerhin stellvertretender Präsident der Fahrergewerkschaft GPDA, äußerte sogar eine der gewichtigeren Stimme aus dem Kreis der Fahrer ihren Unmut über die TV-Bilder. „Die Leute sehen so etwas gerne, sonst würde die Regie das ja nicht wieder und wieder zeigen“, sagte Vettel. Das sei Teil der Show. Damit zeigte der Ferrari-Pilot noch ein gewisses Verständnis für die Regie - auch wenn er selbst sich rausch zurückzog, die Bilder nicht dauernd vor Augen sehen wollte.

Sebastian Vettel: Fahrer sind Menschen, keine Objekte

Vettel appellierte stattdessen sehr viel mehr an die Zuschauer selbst. „Die Leute mögen Crashs. Sie vergessen dabei, dass wir hinter dem Lenkrad sitzen“, monierte Vettel. „Am Ende sind wir Menschen, die da fahren und keine Objekte. Ich weiß, dass die Leute es mögen, wenn Autos in Flammen stehen, es Crashs gibt und es aufregend ist. Aber eigentlich ist so etwas nicht aufregend. Vielleicht wir daraus lernen, dass wir die Bilder nicht laufend wiederholen müssen.“

Valtteri Bottas schloss sich Ricciardo und Vettel weitgehend an. Auch der Finne zeigte jedoch Verständnis - allerdings nur bis zu einem gewissen Maß und unter einer wichtigen Voraussetzung. „Wenn es einen Crash gibt und sich herstellt, dass die Fahrer okay sind, dann wiederholen sie das gerne. Ich denke die Leute, die Zuschauer wollen das sehen“, sagte der Mercedes-Fahrer. „Aber es gibt da ein Limit.“

Valtteri Bottas: Wollen die Fans wirklich 20 Replays?

Bottas weiter: „Der Einschlag hätte nur einen Bruchteil anders sein können und dann hätte es für ihn keinen Weg aus dem Auto gegeben. Deshalb gibt es da ein Limit. Ich habe auf die Bildschirme geschaut, weil ich wissen wollte, was passiert ist. Sobald ich es gesehen habe, habe ich versucht, ihnen auszuweichen, aber die Replays wurden überall abgespielt. Ich weiß nicht. Vielleicht sollte man die Zuschauer und Fans fragen, ob sie 20 Wiederholungen sehen wollen oder nicht ...“

Bottas’ direkter Vorgesetzter, Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, verteidigte die Bildregie uneingeschränkt. „Wenn die FOM es nicht zeigt, dann wird jemand anderes ein Handy hinhalten und filmen“, argumentierte der Österreicher. „Und du musst transparent sein. Diese Bilder waren erschreckend und plastisch, aber wenn du als Organisation nicht transparent bist, riskierst du nur, dass jemand anderes Zeug zeigt, das außerhalb deiner Kontrolle liegt.“

Formel 1 verteidigt: Replay erst bei Entwarnung

Vollständig kontrolliert und gut durchdacht seien die ausgestrahlten Bilder ohnehin gewesen, verteidigt sich die Formel 1. Alle etablierten Protokolle seien befolgt worden, zitiert ‚Autosport’ einen Sprecher der F1. „In der F1 geht es da nicht um Entertainment“, wehrte sich der Sprecher gegen die dementsprechende Kritik Ricciardos. „Es gibt einige Prozesse und Protokolle, bevor die Entscheidung fällt, eine Wiederholung abzuspielen.“

Soll heißen: Nach Ausstrahlung der Live-Bilder startete die Formel 1 die Wiederholungen erst, als klar war, dass sowohl Grosjean als auch die Streckenposten und das medizinische Personal wohlauf waren. Dafür kommuniziere die internationale Regie im Fall von Unfällen dieser Art generell unmittelbar mit der Rennleitung, erklärte der Sprecher. Begonnen habe man die Übertragungen von der Unfallstelle zudem gleich mit dem Bild des geretteten Grosjean.

Grosjean-Teamchef Steiner: TV-Bild ideal zur Entwarnung

Weiter hieß es: „Es gibt einen fortwährenden Dialog zwischen F1, FIA und Rennleitung sowie eine sensible Bewertung, was Zuschauer, Familien und Betroffene angeht.“ Die Übertragung sei deshalb im Gesamtkontext zu sehen. Auch der Kommentar sei dabei zu erwähnen. Immerhin liefere der zusätzlich zum Bild wichtige Informationen wie Updates aus dem Medical Centre und zur Sicherheit in der Formel 1.

Ausgerechnet Grosjeans eigener Teamchef Günther Steiner pflichtete dem vollumfänglich bei. Für die Positionen Vettels, Ricciardos und Bottas’ zeigte der Südtiroler zwar auch Verständnis. „Du kannst da zwei Meinungen haben“, sagte Steiner. „Aber meine Meinung ist: Wenn es gut ausgegangen ist und nichts Schlimmes passiert ist, warum solltest du es dann nicht zeigen, um sicherzustellen, dass die Leute es verstehen? Ja, es war schlimm, aber alle sind okay. Wir wollten die Nachricht, dass Romain okay ist, so schnell wie möglich an die Leute bringen.“

Steiner: Wiederholungen ohne schlimmes Ereignis okay

Das sei mit einem TV-Bilder einfacher als auf jedem anderen Weg, so Steiner. „Einfach, weil es schwierig ist, Familie, Freunde und Bekannte, Teammitglieder zu kontaktieren. Wenn wir eine Botschaft via TV senden, ist das kraftvoller“, sagte der Haas-Teamchef.

Auch den Vorwurf an die Formel 1, es nur auf Entertainment und gute Einschaltquoten anzulegen, entkräftete Steiner. „Es zu zeigen und zu zeigen, wie er rausspringt, ja, das sieht etwas dramatisch aus, aber es ist gut ausgegangen. Solange es gut ausgeht, ist es für mich in Ordnung“, sagte Grosjeans Chef. „Wenn etwas Schlimmes passiert, sollte es natürlich nicht gezeigt werden. Ich bin kein Experte in TV-Ethik, aber meiner Meinung nach, wurde da eine gute Sache gezeigt. Es war ein schlimmer Unfall, aber wir hatten Glück und alles ging okay aus. Ich würde nicht sagen gut, denn solche Dinge enden nicht gut. Es war einfach okay.“