McLaren droht in der Formel-1-Weltmeisterschaft 2020 abzurutschen. Auf dem Nürburgring war Renault deutlich schneller und selbst Racing Point an einem schwierigen Wochenende ein harter Herausforderer. Der MCL35 startete als schärfste Waffe des Mittelfelds in die Saison, doch das Kräfteverhältnis ist in den letzten Wochen gekippt. Gewagte Updates zahlten sich bisher nicht aus. Carlos Sainz und Lando Norris schlagen Alarm.

"Mit Platz fünf war ich im Allgemeinen noch zufrieden, aber wir hatten viel Graining und Untersteuern. Es war sehr schwer zu kontrollieren. Die Pace ist einfach nicht da, genau wie im Qualifying", klagt Sainz, der nach dem Motorschaden beim Teamkollegen für McLaren die maximale Schadensbegrenzung betrieb.

Der Spanier tat sich in der Eifel ohnehin schwerer als Norris. Im Zeittraining verlor er fast eine halbe Sekunde und auch im Rennen konnte er die Pace nicht matchen. "Ehrlich gesagt macht es nicht viel Spaß. Ich war das gesamte Wochenende über nicht glücklich mit dem Auto. Im Rennen hat sich das so fortgesetzt. Ich hatte kein richtiges Gefühl und sah nie die Chance auf das Podium", erklärt Sainz.

McLaren-Fahrer kommen mit Updates für MCL35 nicht klar

McLaren-Teamchef Andreas Seidl hat die Zeichen ebenfalls erkannt. "Wir haben Arbeit vor uns, denn im Moment fehlen zwei Zehntel um die Pace von Renault im Qualifying zu erreichen", so der Deutsche, der die steile Formkurve des Werksteams nicht als Ausrutscher nach oben sieht: "Das ist ein genereller Trend. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch einen Schritt machen um im Fight zu bleiben." Am Arbeitseifer mangelt es seiner Truppe nicht.

In Mugello testete das Team erstmals eine neue Nase am MCL35. Beim darauffolgenden Rennen in Russland wurde die überarbeitete Frontpartie des Boliden durch einen neuen Frontflügel ergänzt. Norris war in Sotschi das Versuchskaninchen, doch überzeugen konnten ihn die Updates nicht. Am Nürburgring setzte er lieber auf Altbewährtes.

"Carlos und ich haben nach Sotschi getauscht. Ich bin wieder die älteren Teile gefahren. Wir sind bei dem geblieben, was wir kannten, damit ich mich wohler fühle. Mit den neuen Teilen hatte ich nie das richtige Gefühl", sagte der 21-Jährige. Der durch Wetterkapriolen ausgefallene Trainingsfreitag tat am Nürburgring sein übriges, um Fahrern und Ingenieuren das Leben schwer zu machen.

Rätselraten bei McLaren: Updates falsch?

"Die große Frage ist, ob das Paket viel besser wäre, wenn wir den Freitag zum Entwickeln gehabt hätten. Oder macht das Paket einfach nicht, was es soll?", grübelt Sainz. "Wir brauchen mehr Zeit, um das Potential auszuschöpfen. Wir hatten alle Teile des ersten Update-Pakets hier und hatten am Freitag auf gute Bedingungen gehofft. Aber ohne Streckenzeit am Freitag und mit der kurzen Session am Samstag war es schwierig, Erfahrungswerte zu sammeln", erklärt Seidl.

Dass die Ingenieure mit den Weiterentwicklungen auf dem Holzweg sein könnten, fürchtet er nicht. "Wir glauben voll und ganz an das Konzept mit der neuen Nase. Es handelt sich dabei natürlich um einen tiefen Einschnitt in das Aerodynamik-Konzept", beteuert Seidl. "Es ist wichtig, ein solches Update in Schritten einzuführen, damit man sich nicht verirrt."

Mit Portimao, Istanbul und Imola stehen im Kalender drei Rennstrecken an, auf denen die Formel-1-Teams keinerlei Daten oder Erfahrungswerte aus jüngerer Vergangenheit haben. "Wir werden die kommenden Wochenenden genauso wie gehabt angehen. In Portimao werden wir Schritt für Schritt unterschiedliche Komponenten des Pakets anbringen, um herauszufinden, was sie bewirken", kündigt Seidl an.

Durch Sainz' Renndistanz auf dem Nürburgring gibt es bis dahin immerhin genug Daten, die in Woking unter die Lupe genommen werden können. "Vor uns liegen wichtige Wochen, in denen wir herausfinden müssen, was wir als nächstes machen. Wir müssen analysieren, warum die Balance nicht mehr stimmt. Hoffentlich werden uns die Daten dabei helfen, das herauszufinden", so Sainz.

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WM-Kampf gegen Racing Point und Renault läuft

Die Situation in der Weltmeisterschaft wiederum setzt das Team auf der Suche nach Lösungen unweigerlich unter Druck. In der Gesamtwertung musste McLaren den dritten Platz nach dem Eifel GP an Racing Point abtreten. Der Mercedes-Kunde hält bei 120 Punkten und liegt damit vier Zähler vor McLaren. Renault ist als Fünfter bis auf zwei Punkte herangerückt. Bei noch sechs ausstehenden Rennen ist der Kampf um den Best of the Rest schon in der heißen Phase angekommen.

"Das Ziel ist klar. Wir wollen mit dem Auto den nächsten Schritt machen und in der Position sein, gegen Racing Point und Renault zu kämpfen", stellt Seidl klar, dass die Verteidigung des Erfolgs aus dem Vorjahr noch lange nicht aufgegeben wurde. 2019 schloss McLaren die WM als Vierter ab und ließ die Konkurrenz aus dem Mittelfeld klar hinter sich.