Charles Leclerc holte beim Formel-1-Rennen in Sotschi Mal wieder für Ferrari die Kohlen aus dem Feuer. Der Monegasse holte mit Platz sechs acht wichtige Punkte. Sebastian Vettel hingegen ging leer aus: Mit Platz 13 konnte er sein mageres Punktekonto nicht weiter aufstocken. Während Leclerc nun mit 57 Zählern auf Platz sieben liegt, ist Vettel mit mageren 17 Pünktchen auf Rang 13 bereits abgeschlagen.
Dabei sah es in Russland zunächst danach aus, als würden die neuen Teile am Ferrari vor allem Vettel helfen. Mit dem Qualifying begannen aber die Probleme für den 33-Jährigen, von denen er sich nicht mehr erholte.
Doch nach dem Rennen war Vettel noch aus einem anderen Grund bedient. Seine gesamten TV-Interviews dauerten am Sonntag keine dreieinhalb Minuten. Trotzdem schaffte er darin, Kritik zu verstecken. "Ich habe bis zu meinem Boxenstopp Bremsklotz gespielt. Klar, dass ich zu diesem Zeitpunkt draußen gelassen wurde, um die Renaults einzubremsen", so Vettel.
"Das hat mir nicht geholfen, ich hätte sonst vielleicht noch einen Punkt mitnehmen können", ärgerte sich der vierfache Formel-1-Weltmeister. Was würde Vettel strategisch im Nachhinein anders machen? "Ich würde auf jeden Fall früher stoppen. Wir waren ziemlich langsam und es gab keinen Grund, draußen zu bleiben", kritisiert er.
Sebastian Vettel bremst Renault aus
Doch worum geht es bei Vettels Kritik genau? Weil Vettel und Leclerc außerhalb der Top-10 starteten, durften beide ihre Startreifen frei wählen. Ferrari entschied sich bei beiden für die Medium-Reifen. Deshalb blieben Vettel und Leclerc länger draußen als die meisten Konkurrenten.
Außer Valtteri Bottas und Max Verstappen mussten alle innerhalb der Top-10 auf Soft starten. Entsprechend kamen die Top-10 früher zum Stopp als die Ferrari-Piloten, die den Vorteil der Medium-Reifen ausspielen wollten.
Die beiden Renault-Piloten Esteban Ocon und Daniel Ricciardo fielen durch ihre früheren Boxenstopps zunächst hinter Vettel zurück. Weil Überholen in Sotschi extrem schwierig ist, taten sie sich trotz ihrer frischen Reifen schwer, an Vettel vorbeizukommen.
Rundenlang biss sich Esteban Ocon an Vettel die Zähne aus. So lange, dass Sergio Perez, der länger draußen geblieben war als die beiden Renault und zuvor noch zwischen den beiden gelben Boliden lag, mit alten Reifen schneller fahren konnte und mit einem Overcut an Ocon vorbeiging. Perez kam nach seinem Stopp in Runde 20 vor Vettel zurück auf die Strecke.
Leclerc profitiert vom Vettel-Block
Doch Vettel hielt die beiden Renaults nicht nur für Perez auf: Auch Charles Leclerc durfte sich inzwischen berechtigte Hoffnung machen, nach seinem Stopp vor Ocon und Ricciardo rauszukommen. Weil Ocon ein aufs andere Mal an Vettel scheiterte, tauschte Renault die Positionen.
Doch da funkte Vettel seinem Team schon zu: "Was verlieren wir, wenn wir stoppen?" Der Deutsche wollte nun auch auf frische Pneus wechseln. Vettel hatte den Plan seines Teams schnell durchblickt. "Hat Charles schon gestoppt?", wollte er wissen.
Ferrari aber wollte Vettel noch nicht zum Stopp holen. "Wir verlieren zwei Sekunden pro Runde", schimpfte Vettel. "Bleib draußen", erklärte Renningenieur Riccardo Adami. "Wir würden fünf bis sechs Positionen verlieren, wir kommen zehn Sekunden hinter Giovinazzi raus."
Tatsächlich brachen Vettels Zeiten in Runde 27 ein: Allerdings nicht, weil seine Reifen plötzlich vollends hinüber waren, sondern weil Ricciardo vorbeiging. Zweikämpfe kosten Zeit. Eine Runde später ging auch Ocon am Ferrari mit der Startnummer fünf vorbei. Nach 1:44,2 und 1:43,0 fuhr Vettel eine Runde später wieder 1:42,3.
Doch auch damit war er zu diesem Zeitpunkt das langsamste Auto im Feld. Als beide Renault vorbei waren, hatte schließlich auch Ferrari Erbarmen mit Vettel und holte ihn zum Stopp. Anschließend fuhr Vettel mit frischen harten Pneus und in freier Bahn tatsächlich zwei Sekunden schneller.
Für Leclerc war die Vettel-Strategie aufgegangen: Er kam nach seinem Stopp immerhin vor Esteban Ocon raus. Einen Renault konnte der Deutsche somit lange genug aufhalten. Aber wurde Vettel damit geopfert? Hätte er selbst ohne die Hilfe für den Teamkollegen Punkte holen können?
Vettel kam in Runde 30 zum Reifenwechsel. Damit fuhr er von allen Piloten am längsten mit den Start-Medium-Pneus. Verstappen fuhr bis Runde 25, Bottas bis Runde 26. Teamkollege Leclerc kam immerhin noch zwei Runden vor Vettel.
Der Unterschied ist nicht dramatisch, aber immerhin signifikant. Zumal es die letzten Runden waren, in denen Vettel am meisten Zeit verlor. Aber hätte es mit einer besseren Strategie für Punkte gereicht? Eher nicht. Vettel hatte nach seinem Stopp lange Zeit freie Fahrt und war auch mit frischen Reifen nicht übermäßig schnell.
Er kam rund zehn Sekunden hinter Giovinazzi wieder auf die Strecke. In den letzten 22 Runden holte er insgesamt sieben Sekunden auf den Italiener auf. Selbst wenn er nach dem Stopp deutlich näher an Giovinazzi gewesen wäre, hätte er erst einmal am Alfa vorbeigehen müssen.
Und selbst dann: Giovinazzi wurde Elfter. Alexander Albon, der den letzten Punkt abstaubte, kam noch einmal deutlich vor Giovinazzi ins Ziel. Dafür hätte es bei Vettel definitiv nicht mehr gereicht. Vettel war im Rennen schlichtweg zu langsam. Selbst mit frischen Reifen und in freier Fahrt war er jederzeit langsamer als Leclerc.
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