Red Bull ging ohne große Erwartungen in das Spa-Wochenende. Die Strecke liegt dem Bullen-Boliden auf dem Papier schlichtweg nicht. "Aber jedes Jahr denken wir das und die Praxis zeigt dann, dass wir doch deutlich besser sind", sagte Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko noch vor dem Rennen zu Motorsport-Magazin.com.

Im Qualifying strafte Verstappen die Theoretiker einmal mehr Lügen: Der Niederländer kam Mercedes auf der längsten Runde im Formel-1-Kalender so nahe wie in der ganzen Saison 2020 noch nicht. Entsprechend groß waren die Erwartungen für das Rennen: Dort ist Red Bull traditionell deutlich stärker als im Qualifying.

Doch schnell wurde klar: Eine echte Gefahr war Verstappen im Renntrimm nicht. Trotz guten Starts musste er sich eher gegen Daniel Ricciardo verteidigen, als die Silberpfeile angreifen zu können. Gegen den Australier wurde es in der Startrunde sogar richtig eng. "Aber wir haben uns genügend Platz gegeben", so Verstappen. "Ich habe ihn nicht gesehen, deshalb habe ich ihm einfach ein bisschen mehr Raum gegeben, als ich dachte, dass nötig war."

Auch ohne Zweikampf gegen Ricciardo konnte Verstappen die Pace der Mercedes-Piloten nicht mitgehen. "Mit den Medium-Reifen im ersten Stint hatte ich einfach nicht genügend Grip", erklärte der Niederländer.

Ein Safety Car nach Runde zehn brachte das Feld wieder zusammen. Wie die meisten anderen Piloten auch nutze Verstappen die Gelegenheit, auf die harten Reifen zu wechseln. "Darauf konnte ich zu Beginn auch noch ein wenig Druck auf Valtteri machen, aber sobald sie ihm gesagt hatten, dass er die Pace anziehen soll, war er weg", schilderte der 22-Jährige.

Verstappen: Musik spannender als mein Rennen

Von da an war es ein einsames Rennen für den halben Lokalmatador. "Die Musik hier ist spannender als mein Rennen", scherzte Verstappen auf der Pressekonferenz, als musikalische Klänge die Fragerunde störten.

"Es ist einfach schade: Es ist so eine fantastische Strecke und dann kannst du nicht pushen. Es war ziemlich langweilig. Ich fahre hier wirklich gerne, aber von den 44 Runden habe ich wahrscheinlich 38 die Pace stark gemanagt. Das war kein aufregender Tag", so Verstappen.

Grund allen Übels waren die Reifen. Am Ende bekam der WM-Zweite sogar noch so starke Vibrationen, dass er eigentlich einen Sicherheits-Stopp einlegen wollte. "Ich war richtig nah an einem Plattfuß", berichtet Verstappen. Aber weil sich die Red Bull nicht wie üblich komplett vom restlichen Feld loslösen konnte, wäre Verstappen durch einen Boxenstopp hinter Ricciardo zurückgefallen.

"Es war immer ganz knapp, aber Ricciardo war immer in unserem Boxenstopp-Fenster", ärgerte sich Teamchef Christian Horner. "Das Problem ist, dass sie so einen guten Topspeed hatten, dass es sehr schwierig geworden wäre, ihn zu überholen." Verstappen kam mit seinem angezählten Reifensatz durch, überquerte die Ziellinie aber nur drei Sekunden vor Ricciardo auf Rang drei.

Albon verzweifelt an beiden Renaults

Das Renault-Problem hatte auch Teamkollege Alexander Albon. Nach annehmbarem Qualifying und Startplatz fünf fiel der britische Thailänder am Start auf Rang sechs zurück. Mit Daniel Ricciardo und Esteban Ocon lagen nun gleich beide Renaults vor ihm.

Ocon konnte er immerhin beim Boxenstopp überholen, aber an Ricciardo biss er sich nach dem Restart die Zähne aus, obwohl Albon mit Medium-Reifen ausgestattet wurde. "Wir dachten, damit hätte er die besten Chancen gegen Daniel", rechtfertigte Horner die Strategie.

Doch Albon kam nicht an Ricciardo vorbei und konnte somit die Pace der weicheren Reifen nicht nutzen. Stattdessen brachen ihm am Ende ebenfalls die sensiblen Pirelli-Pneus ein und er verlor sogar noch Rang fünf an Esteban Ocon.

Woher kamen Red Bulls Reifenprobleme?

Doch woher kamen die Reifenprobleme bei Red Bull? Normalerweise geht der RB16 schonend mit dem schwarzen Gold um. "Durch das Safety Car kam der Boxenstopp sehr früh, das war sicherlich nicht sehr gut für uns", meint Verstappen.

Die Konkurrenz kam aber ebenfalls früh zum Stopp und hatte teilweise deutlich weniger Probleme mit den Pirelli-Pneus. "Wir haben mehr Abtrieb aufs Auto gepackt, weil wir mit Regen gerechnet hatten. Renault weniger und deshalb haben sie die Reifen im Mittelsektor weniger rangekommen", erklärt Horner. "Dazu kam bei uns auch noch die Dirty Air: Die verwirbelte Luft hat heute überwogen, der Windschatten konnte das nicht ausgleichen. Dazu war die Pace nicht so toll", so Horner.