1. - S wie Startaufstellung
Rollentausch bei Mercedes: Anders als beim ersten Rennen der Formel 1 in Großbritannien 2020 startet in Silverstone heute (Start um 15:10 Uhr, live im TV auf RTL, Sky und im Live-Stream F1 TV Pro) nicht Weltmeister Lewis Hamilton von der Pole Position. Den ersten Startplatz machte dem Briten im Qualifying zum 70th Anniversary Grand Prix Valtteri Bottas streitig.
Wirklich interessant - zwei Mercedes vorne, eh klar - wird es direkt dahinter. Vom dritten Platz der Startaufstellung nimmt das Rennen tatsächlich Nico Hülkenberg in Angriff. Für seine sensationelle Leistung in seinem zweiten Qualifying seit dem spontanen F1-Comeback vor einer Woche erntete der Emmericher Lob von allen Seiten. Damit qualifizierte sich Hülkenberg sogar vor Max Verstappen (P5).
Teamkollege und Racing-Point-Stammfahrer Lance Stroll wies Hülkenberg damit klar in die Schranken. Der kanadische Milliardärssohn folgt erst nach dem Renault von Daniel Ricciardo auf P6 im Grid. Die Top-10 komplettieren ein erneut starker Pierre Gasly im AlphaTauri, der Ferrari von Charles Leclerc, Alex Albon (Red Bull) und Lando Norris im McLaren.
Sebastian Vettel nimmt das Rennen als Elfter, also erster Fahrer mit freier Reifenwahl in Angriff. Das allerdings nur, weil Esteban Ocon P11 durch drei Plätze Strafe wegen Behinderns George Russells abtreten musste.
2. - S wie Start
Den ersten Schritt zur Besserung gegenüber der Vorwoche hat Valtteri Bottas mit der Pole getan. „Jetzt ist der erste Job, auch einen guten Start von der Linie zu erwischen - wie ich ihn auch letztes Wochenende hatte“, sagte der Finne deshalb nach dem Qualifying. Nicht wäre schmerzhafter als einen seltenen Sieg über Hamilton am Samstag gleich wieder zu entwerten.
Lang aushalten bis zum ersten Bremspunkt muss es der Finne dafür allerdings. Erst nach rund 640 Metern müssen die Fahrer in die Eisen steigen - für Turn drei, die schnelle Rechts-Links direkt nach dem Start zuvor geht voll. Auf große Gefahr von hinten muss sich Mercedes am Start - unter normalen Umständen sonst wohl die einzige Gefahr für die Silberpfeile - nicht gefasst machen. Wie Mercedes startet auch der Rest der Top-10 auf den Medium-Reifen.
Die einzige Ausnahme bildet Verstappen. Der Red-Bull-Pilot verfügt allerdings über keinen Traktionsvorteil, startet nicht auf Soft - diesen Reifen will im Rennen jeder dringend meiden -, sondern sogar den harten Reifen. Zu Beginn erst einmal ein Nachteil also. „Ich hoffe einfach, einen sauberen Start zu haben. Das war letztes Wochenende der Medium, also glaube ich gar nicht einmal, dass das im Vergleich zu den andere zu schlecht ist“, hofft Verstappen. „Im ersten Moment verliere ich vielleicht etwas, aber im ersten Stint sollte es uns dann besser ergehen.“
3. - S wie Strategie
Das führt uns direkt zur Strategie. Verfügt Verstappen mit dem Hard strategisch über einen alles überragenden Trumpf, der vielleicht sogar Mercedes gefährlich werden kann? „Die härteren Mischungen funktionieren hier richtig gut, es ist keine schlechte Wahl für ihn“, sagte Hülkenberg über Verstappens Taktik. „Das könnte für ihn gut ausgehen - wenn er den Zug hier vorne nicht verpasst ...“
Pirelli rät in seiner Strategie-Prognose allerdings zu einem Start auf Medium, um die zweiten 52 Rennrunden von Silverstone 2020 besonders schnell zu meistern. Als schnellste Variante empfehlen die Italiener zwei Stint zu je 15 Runden auf Medium, gefolgt von 22 Runden auf dem Hard. Fast genauso schnell seien zwölf Runden Medium, gefolgt von zweimal 20 Umläufen auf Hard.
Etwas langsamer sei da schon jene Variante, die Verstappen verfolgen könnte: Zweimal 23 Runden Hard gefolgt von einem Schlussspurt von nur sechs Runden auf Soft. Eine Strategie, die jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit den Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde bringen dürfte.
„Immerhin haben wir etwas anders gemacht als die Leute um uns herum, schauen wir, ob wir damit einen besseren Job machen können“, hofft Verstappen nun schlicht auf einen Vorteil durch die antizyklische Strategie. „Aber das hängt auch davon ab, ob es ein Safety Car gibt oder nicht.“ Dann könnte Verstappen der große Gewinner sein. Sollte er zu diesem Zeitpunkt als einziger Fahrer der Spitzengruppe noch nicht gestoppt haben, würde er den Reifenwechsel extrem zeitsparend absolvieren können.
Reicht es je nach Dauer des Safety Cars dann sogar, nur einmal zu stoppen? Nimmt tatsächlich jemand dieses Risiko auf sich? Speziell nach den Reifenschäden am vorherigen Wochenende, sogar mit härteren Mischungen. Hier herrschen große Zweifel. „Ein Stopp ist höchst unwahrscheinlich“, sagte etwa Hamilton - mehr vor dem Hintergrund, ob vielleicht so seinen Teamkollegen überlisten kann. „Ich hoffe, dass die weicheren Reifen und höheren Temperaturen morgen für ein paar Gelegenheiten sorgen werden“, ergänzte Hamilton.
4. - S wie Safety Car
Das Safety Car hat Verstappen nicht umsonst im Kopf. Seit 2015 kam Bernd Mayländer tatsächlich in jedem Rennen in Silverstone mindestens einmal zum Einsatz, nicht zuletzt erst in der vergangenen Woche. Kein Wunder, treibt der Highspeedkurs von Silverstone nicht nur die Fahrer, sondern auch die Technik an bis über die Grenzen des Möglichen. Halten die noch dazu weicheren Reifen diesmal? Sind zwei Stopps genug? Mehr als gewarnt sind die Teams nach Silverstone I.
5. - S wie Sommerhitze
Mit zwei Stopps rechnen also alle so gut wie sicher. Allein deshalb geht Pirelli davon aus, dass sich die Probleme der Vorwoche nicht wiederholen. Durch die kürzeren Stints sollte sich der Verschleiß trotz der weicheren Reifen besser im Rahmen halten, die Konstruktion nicht gefährdet sein. Das war - in Kombination mit den in Silverstone gewaltigen lateralen Kräften - vor einer Woche noch das große Problem.
Ein Parameter kommt nun jedoch hinzu. Das Wetter. Vor einer Woche präsentierte sich der englische Sommer nur am Freitag von seiner selten heißen Seite. Das Rennen ging bei nur 22 Grad Celsius über die Bühne. Anders an diesem Wochenende. Für den Rennsonntag erwarten die Meteorologen bis zu 32 Grad Celsius - ganze zehn Grad mehr. Eine zusätzliche Belastung für die Reifen. Von den in Silverstone stets unberechenbaren Windrichtungen fangen wir erst gar nicht an ...
6. - S wie Superhülk
Der unglaubliche Hulk ist wieder da - schon am zweiten, und voraussichtlich auch vorerst letzten, Wochenende seines Mini-Comebacks in der Formel 1 vielleicht unglaublicher denn je, auf jeden Fall ganz weit vorne. Mit Platz drei in der Startaufstellung hat der Emmericher das bislang beste Ergebnis Racing Points in der Saison 2020 bereits egalisiert. Kann er das im Rennen halten?
"Die Longruns gestern waren ziemlich gut. Ich habe mich im Auto wohl gefühlt, besser als letzte Woche Das Team hat ein paar gute Dinge gefunden und hat bei der Rennpace einige Verbesserungen gemacht, das sollte helfen“, hofft Hülkenberg. Realistisch betrachtet hält der Edelersatz für Sergio Perez die Rennpace Verstappens jedoch für zu stark. Das sieht der Niederländer ebenso: "Es geht nur darum, wie ich vorbeikomme. Danach wird es ein einsames Rennen für mich."
Eine ganze besondere Geschichte wäre ein Top-3-Ergebnis zweifelsohne, hätte Hülkenberg so ausgerechnet unter diesen kuriosen Umständen endlich doch noch sein erstes Podium in der Formel 1 ergattert. Aktuell hält er mit 177 Starts ohne Podest den negativen Allzeit-Rekord der F1-Geschichte.
7. - S wie Sieger
Bleibt die alles entscheidende Frage: Wer gewinnt? Wieder Silverstone-Guru Lewis Hamilton, der bis auf 2018 beim Großbritannien GP seit 2014 ungeschlagen ist? Oder münzt Bottas seine Pole tatsächlich um? Der Finne gibt sich zuversichtlich, auch im Rennen ein Gegenmittel gefunden zu haben.
"Letzte Woche hatte ich ein kleines Defizit mit der Setup-Richtung, die ich eingeschlagen habe. Ich glaube nicht, dass es für das Rennen ein schlechtes Auto war, aber jetzt ist es für [Rennen und Qualifying] optimiert“, sagte Bottas. Das Ziel ist ohnehin klar, erst recht wegen 30 Punkten WM-Rückstand nach dem bitteren Nuller vor einer Woche. Bottas: "Meine Erwartungen sind nicht weniger als ein Sieg, wenn du von der Pole startest."
Das ist bei Hamilton von P2 aus jedoch keinen Deut anders: „Ich habe kein Problem damit“, so der Brite über die Niederlage im Qualifying. „Morgen gibt es noch ein langes Rennen und ich werde alles geben, um diesen Typ zu schlagen.“
Dass jemand anderes als ein Mercedes-Fahrer den Siegerpokal in den britischen Himmel stemmen wird, damit rechnet maximal noch der bei diesem Thema größte Skeptiker im Fahrerlager. "Max hinter uns wird auf den harten Reifen starten und auf eine alternative Strategie setzen. Letztendlich wird das Rennen nicht nur dadurch beeinflusst, wer am schnellsten ist, sondern auch davon, wer am cleversten mit seinen Reifen umgeht“, mahnte einmal mehr Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Erneut eine Sekunde Vorsprung für Mercedes im Qualifying, auch bei jetzt höheren Temperaturen, sprechen dennoch eine deutliche Sprache.
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