Dieser Artikel erschien erstmals um 11:01 Uhr und wurde seither mehrmals aktualisiert
Das Urteil im Kopie-Prozess zwischen Renault und Racing Point ist da. Am Freitagmorgen bekamen die Teammanager Post von der FIA. Die Stewards lassen den Protest zu und belegen Racing Point mit einer saftigen Strafe: Insgesamt muss der Rennstall 400.000 Euro bezahlen. Dazu werden dem Team 15 Punkte von der Konstrukteursweltmeisterschaft abgezogen.
Im 14 Seiten umfassenden Dokument gegen die Stewards detailliert auf die Plagiatsvorwürfe ein. Renault hatte Racing Point vorgeworfen, die vorderen und hinteren Bremsbelüftungen des RP20 nicht selbst entworfen, sondern das Design von Mercedes kopiert zu haben.
Deshalb legte Renault im Anschluss an jedem GP-Wochenende der Formel-1-Saison 2020 Protest gegen die Wertung ein. Das nun gesprochene Urteil und die Strafen beziehen sich lediglich auf das zweite Österreich-Rennen - jenes Rennen, bei dem Renault zum ersten Mal protestierte. Bei allen weiteren Protesten kam Racing Point mit einer Verwarnung davon.
Weil das Vergehen in allen Fällen identisch war, entschieden sich die Stewards dazu, nur eine Strafe auszusprechen, die dafür im Verhältnis zum gesamten Vergehen steht - und auch weitere Einsätze der Teile abdecken soll. Konkret setzt sich die Strafe wie folgt zusammen:
- 200.000 Euro für den Einsatz von Auto #11 (Perez)
- 200.000 Euro für den Einsatz von Auto #18 (Stroll)
- 7,5 Punkte Abzug in der Konstrukteurswertung pro eingesetztem Auto
Racing Point kauft Mercedes-Teile - aber setzt sie nicht ein
Einen großen Unterschied gab es dabei zwischen vorderen und hinteren Bremsbelüftungen. Während Racing Point die vorderen Bremsbelüftungen schon im vergangenen Jahr - als die Bremsbelüftungen noch ein erlaubtes Zukaufteil waren - einsetzte, kamen die hinteren Bremsbelüftungen des 2019er Mercedes am 2019er Racing Point gar nicht zum Einsatz.
Racing Point fuhr im vergangenen Jahr mit einem völlig anderen Fahrzeugkonzept, zu dem die hinteren Bremsbelüftungen von Mercedes nicht passten. Während Mercedes seit jeher auf wenig Bodenfreiheit an der Hinterachse setzt, versuchte Racing Point noch bis zur vergangenen Saison, durch eine starke Anstellung des Autos zusätzlichen Abtrieb zu gewinnen.
Durch die vollständige Mercedes-Kopie mit dem RP20 passte Racing Point auch das Konzept an. Plötzlich passten dadurch auch die 2019er Bremsbelüftungen von Mercedes an der Hinterachse. Deshalb sehen die Stewards beim Design der hinteren Bremsbelüftungen die Sache etwas anders.
Während das Design der vorderen Bremsbelüftungen auf den 2019 selbst eingesetzten Exemplaren basiert, lässt sich das für die Hinterachse nicht sagen. Hier steht der Designprozess im Gegensatz zu Anhang 6 des Sportlichen Reglements.
Alle Teams können 24 Stunden Berufung einlegen
Abgeschlossen ist der Fall damit womöglich noch nicht. Racing Point und Renault können - wie alle anderen Teams auch - gegen das Urteil noch Berufung einlegen. Normalerweise haben die Wettbewerber eine Stunde nach Urteilsverkündung Zeit, um eine Absichtserklärung abzugeben, für den Fall, dass sie Berufung einlegen wollen. Aufgrund der hohen Komplexität im Kopie-Prozess wurde diese Frist auf 24 Stunden verlängert.
Für Ärger bei der Konkurrenz sorgt vor allem die Tatsache, dass Racing Point weiterhin mit den aktuellen Bremsbelüftungen fahren darf. Allerdings entsprechen alle Komponenten vollständig dem Technischen Reglement.
"Deshalb ist es nicht realistisch, von Racing Point zu erwarten, die Bremsbelüftungen neu zu designen oder zu überarbeiten, was im Endeffekt bedeuten würde, dass sie Dinge vergessen müssten, die sie bereits kennen", erklärten die Stewards in ihrem Urteil.
Die Strafe gibt es deshalb nicht für die Bremsbelüftungen an sich, sondern für den möglichen Vorteil, den sich Racing Point im Designprozess unrechtmäßig erschlichen hat. Genau aus diesem Grund stand auch eine Disqualifikation gar nicht zur Diskussion. Die wäre normalerweise angebracht, wenn das Technische Reglement verletzt wird.
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