Seit den Testfahrten dreht sich in der Formel 1 2020 kein Rad mehr, und die Coronakrise setzt die Königsklasse des Motorsportes gehörig unter Druck. Nach dem Australien-Fiasko hatten die Teams, FIA und Liberty Media aber immerhin ausreichend Zeit, sich über Regeländerungen Gedanken zu machen.

Diese Regeländerungen sind auch dringend nötig, will die Formel 1 die Krise finanziell nachhaltig überleben. Die Verschiebung der 2021er Regeln auf 2022 war ein erster Schritt, doch das reicht noch lange nicht, um die ausfallenden Einnahmen zu kompensieren. Die Sparmaßnahmen müssen sofort beginnen - darin sind sich ausnahmsweise alle Beteiligten einig.

Wie Motorsport-Magazin.com aus zuverlässiger Quelle erfuhr, haben sich alle Teams gemeinsam mit FIA und Liberty Media einstimmig auf zahlreiche weitere Maßnahmen geeinigt, die in den letzten Wochen in diverse Regularien gegossen wurden. Nach der erfolgreichen Abstimmung von Strategiegruppe und Formel-1-Kommission muss nur noch der Motorsportweltrat den Änderungen zustimmen. Dabei handelt es sich nur noch um einen formellen Prozess.

Formel-1-Motoren werden komplett eingefroren

Die umfassendste beschlossene Regeländerung betrifft das Einfrieren diverse Komponenten schon zur Formel-1-Saison 2020, darunter auch zahlreiche Elemente der Motoren. So wird Anhang 2 des Technischen Reglements mit Anhang 4 des Sportlichen Reglements vermengt.

Während Anhang 2 des Technischen Reglements die einzelnen Baugruppen der Power Unit genauer definiert, regelt Anhang 4 des Sportlichen Reglements den Homologationsprozess der Antriebseinheiten. Die Vermengung bedeutet, dass das Technische Reglement um eine Homologationstabelle erweitert wird.

In dieser Homologationstabelle wird geregelt, welche Komponenten wie häufig verändert werden dürfen. Bereits mit dem Beginn der Saison 2020 sind zahlreiche Komponenten komplett eingefroren. Heißt: Ein Großteil der Power Unit, die beim ersten Rennen 2020 zum Einsatz kommt, darf bis zum Ende der Saison nicht verändert werden.

Formel 1 Reglement: Motoren werden schon 2020 eingefroren!: (15:57 Min.)

Lediglich an MGU-K und Batterie ist jeweils eine Änderung erlaubt. Für die nächsten Saisons dürfen alle Komponenten maximal einmal pro Jahr überarbeitet werden. Zwei Jahre vor einem möglicherweise neuen Motorenreglement wird sogar die gesamte Power Unit komplett eingefroren. Dann darf es auch zwischen den Saisons keine Weiterentwicklung mehr geben.

Prüfstandsläufe schon 2020 limitiert

Gleichzeitig wurde das Sportliche Reglement 2020 um Anhang 10 erweitert. Der sollte eigentlich erst 2021 in Kraft treten. Damit werden erstmals die Prüfstandsläufe der Motorenhersteller eingeschränkt. Die Zahl der Prüfstände sowie ihre Belegungs- und Betriebsstunden werden nach einem komplizierten Schlüssel limitiert.

Um nicht nur die Motorenhersteller, sondern auch die Teams finanziell zu entlasten, wurde bereits zu Beginn der Coronapause beschlossen, zahlreiche Komponenten an den Autos für 2021 einzufrieren. Dieser Passus wurde nun ausführlich ausgearbeitet und Lücken geschlossen.

Dafür wird es 2020 zwei unterschiedliche Homologierungs-Deadlines geben. Manche Komponenten, wie zum Beispiel das Monocoque, werden schon mit FP1 des ersten Rennwochenendes eingefroren. Andere Komponenten werden erst beim achten Rennen der Saison oder alternativ am 15. Oktober eingefroren. Dazu zählen beispielsweise die Chassis-seitigen Aufhängungselemente.

Token-System für Chassis-Homolgierung

Alle eingefrorenen Komponenten sind mit einer Token-Anzahl versehen. Einfachere Teile kosten einen Token, komplexere und größere Teile kosten zwei Token. Rund 40 Teile werden insgesamt eingefroren, selbst Boxenstopp-Equipment oder der eingebaute Feuerlöscher werden homologiert. Jedem Team stehen dabei nur insgesamt zwei Token (für 2020 und 2021) zur Verfügung. Token gelten auch als eingesetzt, wenn ein Kundenteam überarbeitete Komponenten einsetzt.

Ausnahmen bei Motoren- und Chassis-Homologation betreffen Sicherheit und Zuverlässigkeit. Diese Änderungen müssen aber zuvor von der FIA abgesegnet werden. Für den gesamten Homologationsprozess gibt es ein festgeschriebenes Prozedere mit drei unterschiedlichen Phasen rund um die jeweilige Deadline.

Zudem wurden die Windkanalzeiten und CFD-Kapazitäten an den verlängerten Shutdown angepasst. Die von 14 auf 63 Tage ausgeweitete Schließung der Fabriken hat Auswirkungen auf die sogenannten aerodynamischen Testzyklen.

Reifentests im 2. Training werden Pflicht

Neben den Maßnahmen zur Kosteneinsparungen wurden auch noch kleinere formelle Anpassungen am Reglement vorgenommen. So wurde zum Beispiel das Teampersonal speziell für Geisterrennen beschränkt. Die 60 Mann, die an regulären Rennwochenenden an den Autos arbeiten dürfen, sind auch bei Geisterrennen erlaubt. Zusätzlich dürfen aber nur maximal 20 weitere Personen eines Teams an der Strecke sein.

Auch Pirelli konnte ein paar Änderungen in das neue Reglement einarbeiten. Die Deadline für das finale 2021er Produkt wurde von 1. September auf 1. November verschoben. Dazu verpflichten sich die Teams nun zu einem Reifentest im 2. Training, sofern Pirelli Prototyp-Reifen zu einem Rennwochenende mitbringt. Die Teams müssen dann in den letzten 30 Minuten der Session ein von Pirelli vorgegebenes Testprogramm abspulen.