Mit einem neuen System für die Lenkung des F1 W11 sorgte Mercedes bei den Formel-1-Testfahrten 2020 für die Schlagzeilen der ersten Testwoche. Onboard-Aufnahmen enthüllten, wie Lewis Hamilton das Lenkrad zum Körper zog und vor dem Anbremsen wieder zurückschob. Offenbar lässt sich mit dem Lenkrad so nicht nur der übliche Lenkeinschlag steuern, sondern auch die Spur der Vorderachse verändern.

Die Reaktionen auf diese Innovation fielen gemischt aus. Romain Grosjean lobte die schlaue Idee, Sebastian Vettel mokierte sich, es heiße Lenkrad, nicht Zug- oder Druckrad. „Das ist ja wie im Flugzeug“, so Vettel. Generell kam sofort Argwohn auf. Wie immer bei potentiell genialen Einfällen in der Formel 1 geht es im Fahrerlager nicht ohne Zweifel an der Legalität.

Mercedes-Lenkung: Kaum Zweifel an Legalität

Allerdings fielen diese Zweifel in diesem Fall nur sehr gedämpft aus. Hintergrund ist eine Vorgabe des Reglements, wonach die Vorderräder nur durch die Lenkung und durch vollständige Kontrolle des Fahrers bewegt werden dürfen. Genau das ist bei DAS der Fall. Keine verbotene hydraulische Lösung also wie eine aktive Radaufhängung.

In einer Pressekonferenz stellte Mercedes’ Technischer Direktor James Allison ohnehin schnell klar, die FIA sei über die Entwicklung des ‚DAS’ (Dual Aaxis Steering) genannten Systems informiert gewesen und habe der Lösung ihren Segen gegeben.

Neuer Passus in Formel-1-Reglement 2021 ändert alles

Allerdings gilt das nur für die Saison 2020. 2021 dürfte es - durch eine Änderung im Wortlaut des Reglement - anders aussehen. „Die Ausrichtung der Vorderräder darf nur durch eine konstante Drehbewegung eines einzelnen Lenkrads erfolgen“, wird dort präzisiert. Das schließt ein Ziehen und Drücken - wie aktuell bei Mercedes eben - aus. FIA-Rennleiter Michael Masi bestätigte die Änderung am Freitag in Barcelona.

In Sachen Verbot wurde der Australier allerdings nicht zu 100 Prozent konkret. „Wir werden sehen, womit die Teams innerhalb der Grenzen des Reglements für 2021 ankommen werden“, so Masi. Zwischen den Zeilen lässt sich ein nahendes Verbot jedoch deutlich herauslesen. Zumal erst jüngst F1-Sportchef Ross Brawn hatte durchblicken lassen, wonach die Formel 1 in Zukunft Schlupflöcher im Reglement auf kürzerem Dienstweg denn je schließen will.

Verstößt Mercedes-System gegen Parc-fermé-Regeln?

Auch für 2020 muss das Thema unterdessen noch nicht vollständig vorbei sein. Vor allem zwei Aspekte bleiben fraglich. Die Sicherheit - und die Frage, ob das System vielleicht dem Reglement für das Lenksystem entspricht, aber in Sachen Parc fermé Probleme bereiten könnte.

Ersteren Punkt entkräfteten Mercedes und Lewis Hamilton bereits deutlich. Selbst die Konkurrenz sieht hier keine Gefahr. „Sie haben sicher kein System entworfen, das sie für unsicher halten“, sagt etwa Renault-Sportchef Alan Permane. Der gerne angebrachte Vergleich mit dem F-Duct - etwa von Sebastian Vettel - hinke. Permane: „Das war ja einhändiges Fahren, auch in schnellen Kurven. Ich bezweifle, dass die Sicherheit hier eine Rolle spielen wird - oder bin sogar sicher, dass sie es nicht wird.“

Sicherheit kein Thema

Auch Ferrari-Sportdirektor Laurent Mekies sieht das so. „Kein Team würde etwas an die Strecke bringen, das es selbst für unsicher hält.“ Einzig Haas-Pilot Romain Grosjean merkte an, etwas Angst, plötzlich das Lenkrad lose in Händen zu halten, hätte er bei einem solchen System vielleicht schon.

Spannender ist der zweite Aspekt. Parc fermé. Mit Beginn des Qualifyings sind Setup-Änderungen in der Formel 1 verboten. Mercedes kann nun währenddessen - während der Fahrt sogar - die Spur anpassen. Bietet das ein Einfallstor für möglichen Protest? FIA-Renndirektor Michael Masi weicht aus, als Motorsport-Magazin.com ihn damit konfrontiert. Permane, in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Masi und Mekies anwesend, nicht.

Konkurrenz: Fragezeichen wegen Parc fermé

„Sie [Mercedes] sind das wohl mit Nikolas Tombazis [FIA-Technikchef] durchgegangen und happy, dass es legal ist“, sagt Permane. „Aber ich stimme zu, dass in Sachen Parc fermé vielleicht ein Fragezeichen über der Sache steht. Aber ich denke, es geht auch um das Detail, ob es ein Lenkungssystem oder ein Aufhängungssystem ist.“

Ferrari-Mann Mekies dagegen gibt sich weniger skeptisch. „Wir verlassen uns da komplett auf die FIA, ob es legal ist oder nicht.“ Das handhabt nicht jeder so. Das letzte Wort in Sachen DAS ist offenbar noch nicht gesprochen.