Die erste Hälfte der Formel-1-Saison 2019 ist so gut wie gefahren. Im Mittelfeld haben sich inzwischen zwei Teams als absolute Top-Anwärter auf den Titel des Best of the Rest hinter Mercedes, Ferrari und Red Bull herauskristallisiert.

McLaren liegt nach Silverstone mit 60 Punkten recht klar vor Renault (39). Alfa Romeo befindet sich mit 26 Zählern zumindest noch auf Tuchfühlung zu den Franzosen.

McLaren: Sind konstanter als die Konkurrenz

Doch unter dem Strich dominiert klar das Duell zwischen Renault-Werksteam und seinem Motorenkunden aus Woking. Ein ungleicher Zweikampf - nicht nur wegen des inzwischen durchaus ordentlichen Vorsprungs für McLaren. So lässt etwa Renault, ähnlich wie ihre Verfolger aus Hinwil, deutlich mehr Konstanz vermissen lassen als McLaren.

"Wir waren dieses Jahr in Sachen Pace immer irgendwo zwischen viert- und sechstschnellstes Team. Das Positive ist, dass wir selbst auf einem Kurs wie Silverstone die Konsistenz hatten, an der Spitze des Mittelfelds zu kämpfen", freut sich McLaren-Teamchef Andreas Seidl im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Das ist gut, denn wir sehen, dass andere Teams mehr Höhen und Tiefen haben als wir."

Renault verrennt sich mit Frankreich-Update

Zu diesen Teams zählt insbesondere über die vergangenen drei Grands Prix hinweg Renault. Nach einem starken Kanada GP kam in Frankreich ein großes Update, doch die vermeintliche Großoffensive entpuppte sich als halber Rohrkrepierer. Le Castellet selbst lief zumindest noch solide, doch in Österreich ging plötzlich gar nichts mehr. Bis Silverstone wieder einen Aufschwung brachte.

Was war da denn los? Während Nico Hülkenberg den großen Spielberg-Durchhänger im Grunde einzig auf die Strecke zurückführt, sieht Teamkollege Daniel Ricciardo eher die Updates dafür verantwortlich. Die nämlich hätten bei Renault weit weniger gut den Erwartungen entsprochen als bei McLaren.

"Das ist frustrierend"

"Wir haben in Frankreich ein paar Updates gebracht und versucht, diese in Österreich voranzutreiben. Da sind wir vielleicht etwas weiter vom konventionellen Weg abgerückt", schildert Ricciardo. "Updates sind gut, du begrüßt sie, aber ich denke, dass sie das Auto zwar in ein paar Bereichen verbessert, aber auch Unbekannte geschaffen haben."

Also sind wir dieses Wochenende wieder etwas zurückgegangen, mehr zur Basis, einem Auto mit dem wir Vertrauter sind. "Ein paar sind drangeblieben, ein paar nicht", schildert der Australier in Silverstone. "Das passiert und ist frustrierend, denn das Team arbeitet natürlich hart im Windtunnel und mit CFD. Wenn es dann auf der Strecke nicht funktioniert, kann das für das Team frustrierend sein."

Ricciardo: Ist selbst Red Bull passiert

Das müsse man manchmal jedoch einfach hinnehmen. "Es kann nicht immer funktionieren. Dann musst du eben einmal zurückgehen", so Ricciardo. "Das ist auch bei Red Bull passiert. Natürlich hatte Red Bull jede Menge Stolz, sehr gut darin zu sein, das Auto weiterzuentwickeln. Aber manchmal hat es auch da nicht hingehauen."

Eine Rolle rückwärts habe Renault daher in Silverstone nach den Verwirrungen von Österreich vorgenommen - mit Erfolg. Für Ricciardo ganz klar positiv, auch wenn das Update nun natürlich verpufft ist. "Ich sage nicht, dass alles Verschwendung war. Es funktionierte einfach nicht alles so, wie es sollte", sagt er.

McLaren macht's besser: Korrelation passt

"Aber der Turnaround ist jetzt auf jeden Fall ermutigend. Innerhalb nur einer Woche zurückzuschlagen, ist echt gut für das Team. Einfach, um ihnen die Rückversicherung zu geben, dass das Auto funktionieren kann", so Ricciardo weiter.

Doch ist das weit weniger, als McLaren in der Zwischenzeit gestemmt hat. Absolut dürfte Renault in Relation zu McLaren also eher verloren als gewonnen haben. Auch, wenn es in Silverstone besser lief. In Woking passte sie nämlich, die berühmte Korrelation. "Es ist ermutigend, dass die neuen Teile, die wir gebracht, wieder funktioniert haben. [...] Das ist sehr positiv", sagt Seidl zu Motorsport-Magazin.com.

"Wir bringen Updates, die Korrelation ist gut. In diese Richtung müssen wir weiter machen", freut sich der Bayer. Besonders groß ist die Freude, bedenkt man, woher McLaren kommt. Seidl: "Wir sollten nie vergessen, wo wir am Ende des vergangenen Jahres mit unserer Pace waren und wo wir jetzt sind. Das ist sehr positiv. Auch der Spirit im Team ist sehr positiv. Die Atmosphäre ist gut."

Bei Renault herrscht gegenwärtig ein etwas anderes Klima. Immerhin hatten sich die Franzosen 2019 zum Ziel gesetzt, sich vom restlichen Mittelfeld abzuheben, die Lücke zu den Top-Teams zu verringern. Stattdessen schickt sich nun McLaren an, dem Werksteam diese Rolle streitig zu machen.

Renault ist Mclaren in schnellen Kurven unterlegen

Zumindest Ricciardo gibt sich nach Comeback in England jedoch wieder zufrieden. "Im Qualifying waren wir schneller als McLaren und auch im Rennen konnten wir mit ihnen mithalten. Wir müssen zufrieden sein. Für mich war es auf alle Fälle ermutigend", sagt der Australier.

Doch vor der Gesamtsituation verschließt Ricciardo nicht die Augen. Der 'Honeybadger' weiß genau, dass McLaren Renault in einem Punkt klar etwas voraus hat. "Wir sind klasse in den langsameren Ecken. Das stimmt mich schon sehr gespannt auf Budapest, aber wir müssen das Highspeed-Zeug hinbekommen", sagt Ricciardo.

McLaren: Nachholbedarf bei Low Speed

"Ich habe mir ein paar Overlays angesehen und wir sind in Maggotts und Becketts einfach nicht so schnell [wie McLaren]. Das kann auch zum Teil an unserem Downforce-Level liegen, aber wir sind generell nicht so stark in solchen Kurven." Doch dürfe man eben auch nicht die eigene Stärke vergessen. "Wenn wir etwas von ihrem [McLarens] Highspeed nehmen oder sie etwas von unserem Lowspeed, dann hättest du ein ziemlich gutes Rennauto!", scherzt Ricciardo.

McLaren ist sich dieses sehr ungleichen Stärken-Schwächen-Profils jedoch genauso bewusst, will naturgemäß genauso feilen. "Sektor eins war unser schwächster Sektor und diese Kurven da (Village, Loop) sind beide sehr langsam. Wir wussten das schon, wir hatten schon zuvor bestätigt bekommen, was gut und was schlecht für uns ist. Dieses Wochenende war nur wieder eine Bestätigung, sodass wir in diesem Bereich weiter Gas geben müssen", sagt Lando Norris.

Sainz: McLaren hat Mittelfeld nicht komplett abgeschüttelt

"Wir müssen das Auto bei Low Speed verbessern", fordert auch Carlos Sainz. "Das würde uns den Vorteil verschaffen", sagt der Spanier. Noch sieht Sainz McLaren Renault nämlich noch nicht final einen Schritt voraus. "Ein Rennen werden sie schneller sein, das andere wir. Wir müssen also weiterhin kleine Teile ans Auto bringen, die uns bei Low Speed helfen. Wir haben das Mittelfeld noch nicht abgeschüttelt. Viele Leute sehen das so, aber wir haben es noch nicht. Wir kämpfen noch mit Renault."