Lewis Hamilton zeigte sich nach dem 80. Sieg seiner Formel-1-Karriere sichtlich gerührt. "Heute war einer meiner besten Tage überhaupt", sagte der Mercedes-Pilot in der Pressekonferenz nach dem Großbritannien GP fast den Tränen nahe.

Schon in der Auslaufrunde feierte der Brite seinen Sieg vor heimischer Kulisse in Silverstone ausgelassen, ließ sich eine Flagge mit dem Union Jack geben und fuhr damit um den Kurs. "Es hat sich angefühlt wie bei meinem ersten Sieg hier 2008. Ich bin so viele Rennen gefahren, man denkt, dass man sich daran gewöhnen würde, aber es hat sich genauso toll angefühlt wie beim ersten Mal", so Hamilton.

Für den fünfmaligen Formel-1-Weltmeister war es bereits der sechste Heimsieg - Rekord. Doch das interessierte ihn nicht wirklich. "Ich wusste nicht einmal, wie oft ich hier gewonnen habe", gestand der WM-Leader nach seinem siebten Sieg der Saison 2019. Egal ist es ihm freilich nicht: "Die Flagge vor dem Heimpublikum zu hissen ist der speziellste Moment, den ein Athlet haben kann. Man hat so viel Verantwortung, denn man will für sie abliefern. Auch für die Familie, ich hatte 40 Familienmitglieder hier und da willst du abliefern."

Hamilton: Bottas war im toten Winkel

Der Weg zum Traumresultat in Silverstone begann spektakulär: Von Platz zwei gestartet steckte Hamilton zu Beginn des Rennens hinter Teamkollege Valtteri Bottas fest. Doch Hamilton dachte nicht daran abzuwarten und startete eine Attacke nach der anderen.

In Copse kam es fast zur Kollision. "Er war in meinem toten Winkel, deshalb konnte ich die Tür für den Fall, dass er neben mir war nicht zuschmeißen. Ich habe dann zum Glück zurückgesteckt, denn er war direkt neben mir", schildert Hamilton.

Hamiltons Druck lässt nach: Mit Strategie gespielt

Hamiltons Druck ließ anschließend etwas nach, er wartete auf die Boxenstopps. Bottas kam zuerst, um auf die Stopps der Ferrari- und Red-Bull-Piloten zu reagieren. Hamilton blieb draußen. "Ich wollte so lange wie möglich fahren. Ich verlor dabei zwar etwas Zeit auf Valtteri, aber dadurch hätte ich anschließend frischere Reifen gehabt und hätte ihn damit überholen wollen", erklärt er.

Dazu kam es schließlich nicht: Weil Antonio Giovinazzi im Kiesbett steckenblieb, schickte die Rennleitung das Safety Car auf die Strecke. Hamilton konnte seinen Boxenstopp machen, ohne hinter Bottas zurückzufallen. Der Zeitpunkt war perfekt für den Briten, denn wenige Runden später wäre er ohnehin gekommen. "Ich lag virtuell erst 0,5, dann 1,0, dann 1,5 und schließlich 2,0 Sekunden hinter ihm. Ich hätte kommen müssen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren", gesteht Hamilton.

Mercedes splittet Strategien: Einstopp für Hamilton

Auch ohne Safety-Car hätte Hamilton das Rennen aber höchstwahrscheinlich gewonnen. Denn durch den längeren ersten Stint ging er von den Medium-Pneus direkt auf Hard. Bottas hingegen hatte von Medium auf Medium gewechselt. So konnte Hamilton mit einem Stopp durchfahren, Bottas musste noch einmal zum Reifenwechsel kommen.

Hamilton und Bottas in Silverstone, Foto: LAT Images
Hamilton und Bottas in Silverstone, Foto: LAT Images

"Mein Longrun, den ich am Freitag hatte, war einer der stärksten überhaupt", freut sich Hamilton. "Dadurch konnten wir auf Einstopp gehen. Allen anderen sind die Reifen ausgegangen, bei mir hat es funktioniert."

Hamilton schonte seine Reifen so gut, dass er in der letzten Runde sogar noch die schnellste Rennrunde fuhr. Obwohl Bottas wenige Runden zuvor noch frische Soft-Pneus aufgezogen hatte. Hamilton hätte ebenfalls noch einen Stopp machen können, ohne eine Position zu verlieren, um den Extra-Punkt zu jagen.

Schnellste Rennrunde auf alten Reifen

Obwohl das Team Hamilton zum Reifenwechsel rief, ignorierte der Brite die Order: "Ich entscheide selten gegen das Team, aber heute war es das Beste für mich. Warum sollte ich das Risiko eingehen? Ja, ich hatte den Puffer. Aber das ist noch einmal eine Boxeneinfahrt und zusätzlicher Druck für die Jungs. Die zweifle ich nicht an, aber du gibst dem Risiko eine Chance. Ich hatte genug Reifen gespart und der Hard hat sich gut angefühlt. Ich hatte etwas Blistering und hatte überlegt, ob ich stoppen soll, aber habe mich dann dagegen entschieden."

Durch seinen siebten Sieg im zehnten Rennen zieht Hamilton Bottas in der WM weiter davon. 223 zu 184 steht es nun für den Titelverteidiger. "Das hätte ich nach dem Test in Barcelona wirklich nicht gedacht, da waren wir super nervös. Es ist bis zu diesem Zeitpunkt das stärkste Jahr, das ich je hatte", so Hamilton.