Lando Norris überholt Lewis Hamilton, Antonio Giovinazzi feiert seinen ersten Formel-1-Punkt und Alex Albon wird als möglicher Ersatz für den strauchelnden Pierre Gasly bei Red Bull gehandelt. Drei der vier diesjährigen Rookies hinterließen in der Königsklasse bereits eine Duftmarke - nur einer steht mit leeren Händen da. George Russell geht im unterlegenen Williams völlig unter. Frustration statt F1-Freude für den Mercedes-Junior?

"Nein, nicht wirklich", wiegelt Russell ab. Der 21-Jährige machte schon bei den für Williams desaströs verlaufenen Wintertestfahrten einen stets positiven Eindruck, während die schwache Performance des Teams an Stallgefährte Robert Kubica sichtbar mehr kratzte. Der Pole lässt seinem Frust freien Lauf, seine Motivation scheint von den schwierigen Umständen angeschlagen.

Russell geht nach dem Gewinn der Formel 2 und dem Aufstieg in die Formel 1 anders mit der Situation um. Er lässt sich von schwachem Material nicht entmutigen, und auf dem Papier schlechte Ergebnisse werden seinen Ruf nicht ruinieren. "Ich brauche nur den Zuspruch von Williams und Mercedes", so der Brite.

Erfolge von Norris und Albon für Russell nur positiv

Dass sein Ansehen in der Öffentlichkeit sinken könnte, weil er in der letzten Startreihe steht und andere Rookies in den Top-10, interessiert ihn nicht: "Ich bevorzuge, dass diese beiden Parteien mit mir glücklich sind, anstatt dass die Medien mit mir glücklich sind und Mercedes und Williams nicht."

Darin, dass Norris und Albon sich in der Formel 1 gut schlagen, sieht er sogar eine Steigerung seines eigenen Marktwertes - schließlich hat er beide Landsmänner im Vorjahr in der Formel 2 deutlich geschlagen. "Die beiden Jungs könnten einen Unterschied für meine Karriere machen. Ehrlich gesagt freue ich mich für sie. Je besser sie sich anstellen, desto besser sieht es für mich aus", sagt Russell.

Die in ihn gesetzten Erwartungen kann er auch mit 19. Startplätzen erfüllen, solange er im Cockpit überzeugt: "Ich muss zwei Parteien beeindrucken. Die Teamführung und die Ingenieure hier bei Williams, und die Teamführung bei Mercedes. Und im Moment haben sie alle Informationen vorliegen. Ungeachtet deiner Pace weißt du, ob du einen guten Job gemacht hast oder nicht."

Russell verlässt sich bei seinem eigenen Lernprozess weniger auf Telemetriedaten, als auf sein Gefühl: "Es gab in der F2 Sessions, in denen ich mich als Dritter oder Vierter qualifiziert habe, obwohl ich auf Pole hätte stehen müssen. Das war dann kein guter Job. Dann gab es Sessions, in denen ich mich auch als Dritter oder Vierter qualifiziert habe und wusste, dass es das Maximum war. Und so ist es auch jetzt in der Formel 1."

Fahrer-Performance auch im Williams sichtbar

Bisher brauchte er sich vor dem auf dem Papier erfolgreichsten Rookie im Grid nicht verstecken. Weder Norris noch er fielen durch Anfängerfehler in Form von Abflügen oder völlig verkorksten Wochenenden auf. Kubica hat Russell bisher klar im Griff, im Qualifying steht es für ihn 9:0. Doch mit Carlos Sainz als Teamkollege hat Norris eine deutlich aussagekräftigere Messlatte als Russell.

Während Norris gegen einen ehemaligen Red-Bull-Junior fährt, der selbst von Max Verstappen nicht untergebuttert wurde, ist Russells Benchmark ein 34-Jähriger, der eine siebenjährige Auszeit hinter sich hat. "Du weißt natürlich nie, was das wahre Potential [des Autos] ist", räumt Russell gegenüber Motorsport-Magazin.com ein.

Doch woran machen Williams und Mercedes fest, dass Russells die ihm gesetzten Ziele erfüllt? "Ob ein Fahrer das Maximum herausgeholt hat, siehst du oft an den Onboard-Aufnahmen", so Russell. "Wenn er sich in der ersten Kurve verbremst und zwei Zehntel langsamer ist, als in der Runde zuvor, weißt du, dass das nicht sein Maximum war."

"Wenn er seine besten Sektoren fährt und jede Kurve seine schnellste am Wochenende war, und die Runde in der Onboard sehr gut aussah, weißt du, dass das mehr oder weniger die Pace des Autos ist." Dem in der Formel 1 einzigen relevanten Vergleich mit dem Teamkollegen misst er selbst aber keine allzu hohe Bedeutung bei.

Russells bisheriges Highlight sahen nur er und sein Team

"Woher weißt du, dass die Runden der Top-Fahrer die besten sind? Du hast nur eine Person, mit der du Vergleiche ziehen kannst. Das ist für jeden gleich. Ich habe mehr davon, wenn ich das Maximum aus einem Wochenende heraushole", erklärt er. Fernando Alonso wurde in den letzten Jahren seiner Karriere nie müde, zu betonen, dass ein Pilot auf den hinteren Plätzen das beste Rennen seines Lebens fahren könne, ohne dass es jemand bemerken würde.

Russells bisher bestes Erlebnis war zweifelsohne einer dieser Fälle: "In Frankreich, nachdem ich das FP1 und das FP3 verpasst hatte, ging ich raus und es fühlte sich für mich wie die beste Runde des Jahres an. Ich wusste, dass es eine wirklich gute Leistung war, und war damit sehr zufrieden. Und das Team erkannte es auch." Mit diesen persönlichen Erfolgserlebnissen wird er sich bis auf Weiteres auch begnügen müssen.

Denn der Absprung zu einem besseren Team kommt für ihn trotz der trostlosen Situation am Ende des Feldes nicht in Frage: "Nein, definitiv nicht. Ich bin momentan Williams verpflichtet, und ich werde von Mercedes gemanagt und unterstützt. Ich werde in den kommenden Jahren also entweder ein weißes oder ein silbernes Auto fahren:"