McLaren hat im Qualifying zum Frankreich GP der Formel 1 in Le Castellet mit einem echten Hammer die eigenen Zweifel ausgeräumt. Nach einem bereits starken Freitag hatten Lando Norris und Carlos Sainz noch gewarnt, es könne am Samstag schnell ganz anderes aussehen. Immerhin war es zuletzt in Kanada nach ebenfalls starken Trainings so gekommen. Auf dem Circuit Paul Ricard entwickelte sich die Geschichte jedoch völlig anders.
Norris fuhr den McLaren auf Startplatz fünf, nur zehn Millisekunden schneller und der Brite hätte sogar den Red Bull von Max Verstappen noch gestürzt. Doch selbst so handelt es sich um den besten Startplatz eines McLaren seit Jenson Button in Spielberg 2016. Damit nicht genug. Carlos Sainz komplettierte das Traumergebnis für die Truppe aus Woking mit P6. Eine rein orangefarbene dritte Startreihe also in der Startaufstellung beim Rennen in Frankreich.
Norris hadert sogar: Fast noch Verstappen geschlagen
"Das ist McLarens bestes Quali-Ergebnis seit eine ganzen Weile", freut sich Teamchef Andreas Seidl daher völlig berechtigt. Immerhin hatte McLaren gerade einen Ferrari und einen Red Bull geschlagen. "Und den anderen haben wir auch nur knapp verpasst. Das sind echt gute Neuigkeiten", jubelt Sainz.
"Da kann man schon happy sein, einen geschlagen zu haben", sagt Norris über Gasly. "Den Ferrari haben wir auch geschlagen, aber da war es nicht wirklich pure Pace", meint der Brite - und ärgert sich sogar noch über den Mini-Rückstand auf Verstappen. "Neun Tausendstel sind natürlich ein bisschen nervig, denn die kannst du immer irgendwie finden."
Norris sieht Chance gegen Red Bull, Sainz zweifelt
Das ist jedoch nicht das einzige Argument. Norris sieht McLaren in Frankreich tatsächlich in der Lage, es mit Red Bull aufnehmen zu können. "Unsere Pace ist ganz offensichtlich richtig gut. Die Ferrari und Mercedes sind schneller. Aber bei Red Bull sieht es so aus, als ob wir mit denen kämpfen könnten", meint Norris. Ob sogar das Podium das Ziel sein könne? "Das Ziel ist der Sieg!", antwortet Norris britisch trocken.
Teamkollege Sainz, in Le Castellet jedoch generell nicht ganz so warm mit dem MCL34 wie Norris, ist da schon skeptischer. "Ob wir jetzt morgen Red Bull schlagen? Ich tue mich schwer, das zu glauben", sagt der Spanier. Versuchen werde man es natürlich. Sainz interessiert sich mehr für Renault. Den eigentlichen großen Gegner im Mittelfeld besiegte McLaren im Quali zum Heimrennen des eigenen Motorenlieferanten klar. Ob sich das besonders gut anfühle. "Ja!", scherzt Norris. "Nein", sagt Ex-Renault-Fahrer Sainz.
Was macht McLaren so stark?
Doch was genau ließ McLaren im Qualifying nun überhaupt über sich hinauswachsen? Wie Motorsport-Magazin.com erfahren hat, kann es kein Update sein. Mehr als Kleinigkeiten am Frontflügel und Unterboden hat McLaren in Le Castellet nicht an den MCL34 montiert. Noch dazu sei man vor dem Wochenende ohnehin skeptisch gewesen, dass der Circuit Paul Ricard dem Boliden gut liegen würde.
Zumindest wenn es nach Seidl geht. "Ehrlich gesagt waren wir wegen der Performance hier etwas besorgt. Aber es war richtig gut, zu sehen, dass wir am Freitag dann gleich die Pace hatten. Ermutigend. Auch mit den kleinen Updates. Die haben wieder funktioniert", sagt der Teamchef. Sainz widerspricht. "Ich stimme da nicht zu, dass diese Strecke uns auf dem Papier nicht liegt. Wir wussten schon, dass uns das Spanien-Update viel für die Highspeed-Kurven bringen würde und davon gibt es hier viele", sagt der Spanier zu Motorsport-Magazin.com. "Wir müssen eher noch an den langsamen Kurven arbeiten."
McLaren wie Top-Teams: Mit Medium in Q3
Insgesamt sei - speziell in Relation zu Renault - jedoch der offenbar viel besser getroffene Sweetsport verantwortlich für den Quantensprung nach vorne. "In Kanada waren die ja noch klar drei Zehntel vorne, aber wenn du es eben ideal triffst, dann läuft es so", sagt Sainz. In Montreal jedoch lief es für McLaren auch im Rennen nicht ideal, allen voran durch den Defekt bei Norris. Das sei aber ausgeräumt, beteuert der Brite. Auch Seidl bestätigt bei Motorsport-Magazin.com: Schlicht streckenspezifische Folge, Bremsen überhitzt. Dennoch habe McLaren Vorkehrungen getroffen und etwas geändert.
Aber zurück nach Frankreich. So ganz groß schienen die Zweifel nach dem Training eigentlich doch nicht gewesen sein können. Immerhin versuchte es McLaren im Q2 tatsächlich mit Medium, in Q3 einzuziehen. Das ist in der Regel nur den Top-Teams vorbehalten. Doch Norris und Sainz gelang es ebenfalls. Ein Zeichen neuer Selbstsicherheit sei das aber nicht. "Es gab hier einfach keine großen Unterschiede zwischen den Mischungen", sagt Norris. "Und die anderen haben sich auch mit dem Soft ja nicht großartig verbessert später. Ein Risiko war es auf keinen Fall."
Medium-Q2 kein Zeichen von Selbstvertrauen, einfach besserer Reifen
Carlos Sainz sieht es ähnlich. "Mit dem Medium zu starten gibt uns im Rennen jetzt eine echte Chance. Wir müssen den Job morgen beenden", sagt der Spanier. Auch für Sainz sei die Performance des Medium-Pneus der Ausschlag gebende Grund gewesen, kein Selbstvertrauen. "Der war hier einfach sehr nah dran am Soft. Vertrauen in unsere Pace war nicht das Thema. Wir hatten ja keinen heftigen Puffer. Es ging einfach nur darum, welcher Reifen der schnellere war."
Teamchef Seidl nennt indes schlicht und einfach den sukzessiven Fortschritt als Grund für die sich endlich wieder einstellenden Erfolge bei McLaren. "Wir lernen einfach fortwährend. Nach dem Barcelona-Update hatten wir noch Schwächen in mittelschnellen und langsamen Kurven gesehen und die mit kleinen Evolutionen am Auto behoben", schildert der Deutsche. Hinzu komme das immer bessere Verständnis der Fahrer und Ingenieure in Sachen Setup, ergänzt Seidl, bestätigt dieses Mal also eine Sainz-Aussage.
McLaren rüstet auf: Windkanal in Woking in Planung
Jetzt dürfe man jedoch nicht den Kopf verlieren, müsse einfach in Ruhe weiterarbeiten. In Frankreich - "die Punkte gibt es erst morgen!" - und auch generell. "Aber es war ein tolle Tag für uns alle, auch in der Fabrik. Ein toller Tag für die Moral im Team, um jetzt Tag und Nacht weiter zu pushen." Damit nicht genug der Moral-Booster. Wie Seidl ebenfalls verriet baut McLaren für den finalen Schritt zurück nach ganz vorne nun sogar einen eigenen Windkanal in Woking.
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