McLaren ist in der Formel 1 aktuell das Team der Stunde. Die in den vergangenen Jahren so arg gebeutelte Truppe aus Woking lässt sich gut und gerne als der bisherige Aufsteiger der F1-Saison 2019 bezeichnen. Das führte das Qualifying zum Frankreich GP eindrücklich vor Augen. Platz fünf für Lando Norris, P6 für Carlos Sainz. Einen Ferrari und einen Red Bull geschlagen.

Doch zum ganz großen und nachhaltigen Schritt zurück in den erlesenen Kreis der Top-Teams fehlt McLaren noch immer ein gutes Eck. Genauer gesagt 1,5 Sekunden, wie Teamchef Andreas Seidl in Le Castellet den Unterschied in Zahlen fasst. Und dabei gehe es vor allem um Aerodynamik, weniger Mechanik. "Daran arbeiten wir gerade Tag und Nacht in der Fabrik. Das ist das Hauptgebebiet, an dem wir auch im Windtunnel feilen", sagt Seidl.

Der Kanal steht jedoch nicht in der Fabrik in Woking, sondern in Köln. Bereits seit Jahren nutzt McLaren die alte Toyota-Anlage am Rhein, einst bekannt als absolute Spitzenanlage. "Es ist auch ein toller Tunnel und eine tolle Partnerschaft", sagt Seidl. Doch inzwischen sind eben viele Jahre den Rhein heruntergeflossen und viele britische Regentropfen in den See am weit entfernten McLaren Technology Center gefallen.

Aktuell nutzt McLaren noch den Toyota-Windkanal in Köln, Foto: Toyota
Aktuell nutzt McLaren noch den Toyota-Windkanal in Köln, Foto: Toyota

Wie Seidl nun verrät, sieht die McLaren-Zukunft ganz anders aus. "Wenn man nach vorne schaut, auch auf die neuen Regeln 2021, dann wird die Aerodynamik nur noch mehr der entscheidende Unterschied für die Performance. Der Windtunnel wird also sehr wichtig werden. Deshalb ist es wichtig, diesen Windtunnel auch zuhause unter eigener Kontrolle zu haben", schildert Seidl. "Gerade mit den ganzen Beschränkungen die kommen werden, musst du es maximal effizient nutzen."

Heißt Im Klartext: McLaren will jetzt seinen eigenen Windtunnel bauen. In Woking. Und zwar einen komplett neuen, keine alten Anlagen sanieren. "Zak [Brown] und unsere Shareholder haben mir als eine der größten Aufgaben aufgetragen, dass wir unsere Schwächen in der Infrastrukur angehen", berichtet Seidl. "Und eine davon ist, dass wir eben keinen eigenen Windtunnel in Woking haben. Ich bin sehr happy, dass jüngst die Entscheidung getroffen wurde, dass wir in Woking nun einen neuen Tunnel bekommen werden."

Zwei Jahre soll der Bau in etwa dauern, bis dahin wird noch bei Toyota in Köln weiterentwickelt. Doch bereits jetzt gebe es einen Effekt. "Es ist eine tolle Nachricht für alle im Team. Denn es zeigt, wie ernst es Zak und den Shareholdern ist. Das gibt dem Team und der Moral einen großen Boost und passt gut zu dem insgesamt positiven Trend, den es bei uns gerade gibt."

Doch wie rechtfertigt sich der Bau eines eigenen Tunnels, wenn es dann doch sowieso die auch genannten Restriktionen geben wird? Reicht da der Effizienz-Faktor allein? Vielleicht. Sicher ist jedenfalls, dass McLaren mit dem Windtunnel auch andere Projekte abseits der Formel 1 stemmen will. "Wir können die Anlage mit Automotive teilen, anderen künftigen Motorsportprojekten McLarens, an denen Zak arbeitet, und wir können es auch an Kunden vermieten. Das haben wir bei dem Invest schon alles im Kopf", versichert Seidl.