Formel-1-Rookie Lando Norris trat bei McLaren 2019 in die großen Fußstapfen von Fernando Alonso. In den ersten vier Rennen des Jahres erwies sich der Brite als adäquater Ersatz für den zweimaligen Weltmeister. Norris überzeugt mit Speed, Racecraft sowie zählbaren Resultaten - und bleibt trotzdem bescheiden.

"Wenn ich mich benoten müsste, würde ich mir sechs von zehn Punkten geben", bewertet der 19-Jährige seine ersten Rennwochenenden in der Formel 1 äußerst moderat. Dabei hatte er gleich beim Auftakt in Melbourne das erste Ausrufezeichen gesetzt, als er seinen McLaren als Achter ins Q3 steuerte.

In Bahrain wies er nach dem Qualifying ganz selbstverständlich vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel für sein Fehlverhalten zurecht und fuhr am Sonntag mit stark vorgetragenen Manövern seine ersten WM-Punkte ein. Nachdem es in China für das Team einen kleinen Durchhänger gab, setzte Norris in Baku mit Q3 und Punkten erstmals alle Bausteine an einem Wochenende zusammen.

Norris selbstkritisch: Mit mehr Erfahrung mehr Punkte geholt

In der Weltmeisterschaft liegt er mit zwölf Punkten auf der neunten Position. Teamkollege Carlos Sainz hat gerade einmal sechs Zähler auf dem Konto, obwohl er in Aserbaidschan die Position von Norris durch einen zusätzlichen Boxenstopps geschenkt bekam. Viel auszusetzen gab es an Norris' bisherigen Leistungen also nicht wirklich.

Weshalb er sich trotzdem nur gerade eher durchschnittlich bewertet? "Ich bin nicht Erster geworden", lacht der Youngster. "Ich habe hier und da ein paar Fehler gemacht. Ich meine, zehn bedeutet perfekt zu sein, keine Fehler zu machen. Etwas, das sowieso nie eingetreten wäre. In China liefen Qualifying und Rennen nicht nach Plan."

In Australien wurmte ihn, dass er aus seiner guten Startposition nichts machte. "Ich hatte das Potential um Punkte zu holen, wenn ich mehr Erfahrung gehabt oder ganz einfach einen besseren Job gemacht hätte, als ich es tat. Es ist vielleicht nicht so schlecht wie es aussieht, aber hier und da waren Punkte, wo das Potential da war insgesamt mehr draus zu machen", so Norris selbstkritisch.

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Bahrain-Rennen gaben Norris Auftrieb

Von den vier Rookies im Feld steht er nicht nur auf dem Papier am besten da. Der jüngste Pilot im Feld war vom ersten Grand Prix an ein gutes Gesamtpaket. Norris leistete sich bisher keine großen Fehler und mutet auch in heißen Rennsituationen fast schon wie ein alter Hase an. "Ich denke, womit ich vor Australien die meisten Probleme hatte war das Selbstvertrauen", sagt der Formel-2-Vizemeister von 2018.

"Das lief in Bahrain schon viel besser. Da war ich viel entspannter und habe es mehr genossen. Ich will nicht sagen, dass ich Australien nicht genossen habe. Aber ich war so angespannt. Da waren so viele Dinge, weshalb ich es nicht so genießen konnte wie ich es gerne wollte. Es hat nicht so viel Spaß gemacht wie Bahrain oder die Rennen danach", erklärt Norris.

Gerade das Rennen in der Wüste brachte ihn bei vielen Fans und Experten erst so richtig auf den Schirm. Dass Norris nach seinem dominanten Titel in der Formel 3 Europameisterschaft und seiner starken Saison in der Formel 2 das Talent für die Königsklasse hat, stand außer Frage. Doch nicht alle Gipfelstürmer der Nachwuchskategorien schafften es, ihr Talent auch in der Formel 1 umzusetzen.

"Das ist natürlich immer ein Bonus", sagt Norris über seine Punkteresultate. "Aber ich denke nicht, dass das unbedingt notwendig war. Doch es ist natürlich immer eine gute Sache, wenn Außenstehende erkennen, dass ich gut fahre, und natürlich auch für mich und mein Selbstvertrauen. Zu wissen, dass ich einen guten Job machen kann, kam hauptsächlich durch das Rennen in Bahrain."

Norris wie Alonso: Maximum aus Möglichkeiten machen

Zugegeben, Norris hat es bei McLaren dieses Jahr etwas einfacher als seine Vorgänger. Mit dem MCL34 gelang dem Team das erste Mal seit 2013 wieder ein halbwegs anständiger Wurf. Im Vorjahr holte Alonso selbst aus einem absoluten Problemfall noch 50 WM-Punkte heraus. Norris scheint sich beim Altmeister in seiner Zeit als McLaren-Lehrling durchaus etwas abgeschaut zu haben.

"Wenn sich eine Chance ergibt, und es möglich ist Punkte zu holen, muss ich das Beste daraus machen und sicherstellen, dass wir das Maximum aus diesen Möglichkeiten machen", betont Norris. Dass er in Baku zwei Punkte an den Teamkollegen verlor, stört ihn nicht: "Als Team haben wir weder etwas verloren noch gewonnen. Es war eine gute Entscheidung, aber es ist halt nicht aufgegangen wie wir uns das vorgestellt hatten."

Norris darf sich bei McLaren glücklich schätzen. Mercedes-Junior George Russell hat im Williams keine Chance, sein Talent zu zeigen. Trotzdem ist die Situation, nicht um Siege zu fahren, auch für Norris ungewohnt. "So schlimm ist das eigentlich gar nicht", wiegelt er ab und fügt lachend hinzu: "Ich bin froh, in der Formel 1 zu sein."

"Natürlich wäre es schöner, nicht nur für mich sondern für alle [bei McLaren], wenn wir gewinnen könnten. Aber wir können immer noch unsere persönlichen Ziele haben. Für das Team ist es wie ein Sieg, wenn wir ein Ziel erreichen das effektiv wie ein Sieg ist. In Bahrain war Platz sechs für uns wie ein Sieg, da war nicht viel mehr drin", sagt Norris.