Lässt man die bisher ziemlich durchwachsene Zuverlässigkeit beiseite, ist Renault in der Formel-1-Saison 2019 im Mittelfeld bis dato die klare Nummer eins. In Sachen rohe Pace macht den Franzosen so schnell kein anderes Team etwas vor. Doch am Trainingsfreitag in Baku zeigte sich ein völlig anderes Bild.

Das völlig enttäuschende Ergebnis: Nur P15 für Daniel Ricciardo, für Nico Hülkenberg gar nur Rang 17. Was war da denn los? Ist Renault auf dem Baku City Circuit alles andere als Best of the Rest hinter Mercedes, Ferrari und Red Bull? Haben die dagegen stark auftrumpfenden Toro Rosso und McLaren die Hosen im Mittelfeld an?

Hülkenberg: Kein Grip, keine Balance, keine Temperatur

Jein. Fakt ist: Stand jetzt ja. Das gibt auch Renault zu. Man habe Probleme gehabt, nicht nur völlig mit der Pace hinter dem Berg gehalten. Doch perspektivisch sehen sich die Franzosen dennoch durchaus noch als Anwärter Nummer eins für den ersten Verfolger der Top-Teams. Aber der Reihe nach. Was lief schief im Training?

"Heute lief es nicht gut, klar. Das Auto war einfach nicht im Fenster von der Balance her. Auch mit den Reifen war es schwierig", schildert Hülkenberg. "Ich habe nicht wirklich das Gefühl gehabt, dass wir die Reifen auch nur einmal vernünftig ans Laufen bekommen haben. Und das sieht man dann auch an den Zeiten, die nicht sehr repräsentabel aussehen."

Renault vermutet: Einfach viel zu wenig Downforce

Für Renault seien die Probleme ziemlich überraschend gekommen, ergänzt der Emmericher. "Das Auto fühlte sich heute echt knifflig an, die Balance hat einfach nicht gestimmt. Ich hatte Probleme, mit den Reifen Grip zu generieren und Temperatur in sie zu bekommen. Das war heute die Herausforderung. Deshalb kein fantastischer Freitag."

Das einzig Positive: Inzwischen glaubt Renault die Gründe für diese Probleme recht gut identifiziert zu haben. So fuhren Hülkenberg und Ricciardo im Training mit extrem flach gestellten Heckflügeln. War Renault mit zu wenig Downforce unterwegs, generierte der R.S.19 deshalb zu geringe Kräfte und brauchte die Reifen folglich nicht auf Temperatur?

Genau das ist nun die Theorie. "Wir hatten nicht genug Grip, konnten die Reifen nicht wie gewünscht zum Arbeiten bekommen. Wir sind vielleicht nicht mit genug Downforce gefahren. Das müssen wir anschauen", vermutet Technikchef Nick Chester. Ähnliches fiel Daniel Ricciardo auf. "Wir müssen noch schauen, was die Konkurrenz gemacht hat, aber unser Flügel sieht kleiner aus", sagt der Australier.

Renault stellte die Flügel in Baku extrem flach, Foto: LAT Images
Renault stellte die Flügel in Baku extrem flach, Foto: LAT Images

"Ich denke, wir versuchen es mit etwas mehr. Nico hatte nämlich auch auf dem Longrun Probleme, mit etwas mehr Flügel können wir dann mehr Belastung auf das Auto und damit mehr Temperatur in Reifen bekommen. Das könnte helfen", hofft Ricciardo. Für den Honeybadger war die Session trotz der besseren Position nämlich noch frustrierender gelaufen als für Hülkenberg. Wegen derselben Probleme mit zu wenig Grip, die Ricciardo etwas schlechter zu kaschieren vermochte.

Ricciardo verbremst sich in frühen Feierabend: Noch nie erlebt!

Gleich mehrfach verbremste er sich kapital, konnte deshalb in der letzten halben Stunde nicht mehr mitmischen. "Das zweite Training war für mich vielleicht noch seltsamer [als FP1]. Ich habe die letzte halbe Stunde verpasst. Das passiert hier normalerweise, weil du gecrasht bist, aber bei mir war es einfach wegen Bremsplatten", berichtet er. "Ich habe beide Sätze platt gebremst. Es ist einfach passiert, sofort und schon war der Reifen hinüber. Sowas habe ich auch noch nicht erlebt. Dann hatte ich keinen mehr für die Longruns."

Formel 1 2019: Brennpunkte vor dem Aserbaidschan GP (06:57 Min.)

Doch ein Gutes habe es: "Das war echt nicht cool und frustrierend, hat aber immerhin einige Bereiche gezeigt, an denen wir für morgen arbeiten müssen." Auch er sieht also recht einfache Lösungen. "Deshalb mache ich mir da keine Sorgen. Wir können das klären und werden da [an die Spitze des Mittelfelds] wieder hinkommen. "Denn gerade auf einem Kurs mit so wenig Grip wie hier kommt der Speed dann sofort, wenn du die Reifen mal ans Arbeiten bringst. Und ich bin sicher, dass wir das schaffen können."

Hülkenberg überzeugt: Top-10 geht noch

Daran hegt Hülkenberg genauso wenig Zweifel: "Wir haben noch Zeit das für morgen richtigzustellen und dann werden wir auch konkurrenzfähiger sein und wieder bei der Musik sein. Ich glaube an unser Top-10-Potential morgen und dann auch im Rennen. Wir haben alle Mittel, es zu korrigieren und wieder auf unseren normalen Performance-Level zu kommen. Ich mache mir keine Sorgen, wir kennen die Gründe, warum es auf dem Zeitentableau so aussah wie es aussah."

Mit Ansage: Auch Haas in Baku hinterher

Kaum besser - dieses Mal mit Ansage - lief es bei Renault-Lieblingsgegner Haas. Die US-Amerikaner hatten zuletzt, wie Renault jetzt in Baku, massive Probleme, die Reifen ins richtige Fenster zu bekommen. Wegen der langen Geraden des Straßenkurses hatte Haas in Baku eine nur noch verschärfte Situation befürchtet. Offenbar berechtigt. Mit P11 und P16 für Kevin Magnussen und Romain Grosjean sah blendend anders aus.

Immerhin: Der Däne fühlte sich dabei noch halbwegs gut, nur Grosjean nicht. "Ich habe nicht ganz das Vertrauen vom Auto bekommen, das ich haben wollte", hadert Grosjean. "Da haben wir noch zu arbeiten." Magnussen dagegen komplett ohne die jüngsten Reifenklagen: "Für mich lief es so glatt wie es nur konnte, es war kein allzu schlechter Freitag. Einzig mein Longrun war nicht ganz so lang, aber wir haben ein gutes Gefühl für die Soft-Reifen bekommen."