Mercedes und das Formel-1-Rennen in Singapur. Trotz zuletzt zweier Siege auf dem Straßenkurs keine Liebesbeziehung. Als regelrechte Angststrecke gilt der Marina Bay Street Circuit für die Silberpfeile, selbst in Hochzeiten der Mercedes-Dominanz.

Entsprechend große Verunsicherung herrschte auch vor dem Wochenende 2018. Würde man wieder sang- und klanglos untergehen? Nicht nur am für nahezu alle Experten haushohen Favoriten Ferrari scheitern, sondern auch gegen Red Bull Racing den Kürzeren ziehen?

Ergebnis im ersten Training trügt: Mercedes ohne Hypersoft

Nach dem ersten Training deutete der erste Blick auf das Ergebnis voll und ganz darauf hin. Nur die Plätze sechs und acht für Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. 1,5 Sekunden hinter der Bestzeit. Doch der Schein trog. Und das recht offensichtlich. Mercedes hatte schlicht noch nicht den Hypersoft von Pirelli eingesetzt. Mercedes musste Reifen sparen, in Singapur wählte man drei Satz dieser Mischung weniger als Ferrari.

Im zweiten Training - der ersten Nachtsession und somit überhaupt erst wirklich repräsentativ für Qualfiying und Rennen - jedoch korrigierte sich das Bild. Mit jetzt gleichen Reifen-Waffen war Hamilton Zweiter, praktisch zeitgleich mit der Bestzeit von Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen. Für Teamkollege Bottas auf P5 fiel der Rückstand auf die Bestzeit in der Nacht eine ganze Sekunde kleiner aus als bei Tageslicht.

Hamilton & Bottas: Besserer Eindruck als in der Vergangenheit

Doch geht es in der Formel 1 im Training natürlich nicht nur um die Bestzeiten, die für die Schlagzeilen sorgen, sondern auch die Longruns, das Gefühl im Auto, die Balance. Alles zusammen genommen herrscht bei Mercedes eine für Singapur extrem gute Stimmung. Mercedes besser denn je in Singapur? Ja, meinen die Fahrer unisono.

Formel 1 2018: Brennpunkte vor dem Singapur GP (11:14 Min.)

"Wir haben unser Programm absolviert, verschiedene Optionen getestet und einige gute Ergebnisse erzielt", sagt Hamilton. "Die Jungs haben hier an der Strecke und in der Fabrik sehr hart gearbeitet, um unser Auto zu verbessern, und es fühlt sich definitiv besser an als in der Vergangenheit."

Mercedes: Noch nicht alles perfekt in Singapur

"Bereits im ersten Training sah es etwas besser aus als im Vorjahr. Im zweiten Training sahen sowohl Ferrari als auch Red Bull sehr schnell aus, aber wir waren nicht weit von ihnen entfernt. Das Auto ist mit viel Abtrieb stark verbessert. Es ist viel schneller, selbst im Vergleich zum Saisonbeginn", bestätigt Bottas.

Perfekt liege sein Silberpfeil aber noch nicht. "Wir haben zwischen den beiden Trainings große Veränderungen vorgenommen, von denen nicht alle positiv waren. Daran müssen wir heute Abend noch arbeiten. Auf dieser Strecke ist es extrem schwierig, die Balance perfekt zu treffen. Es gibt sehr viele verschiedene Kurventypen und wir haben noch viel Arbeit vor uns", berichtet der Finne. Damit schilderte Bottas jedoch kein anderes Problem, wie es auch die Konkurrenz in Person von Sebastian Vettel meldete.

Hamilton: Kampf mit Ferrari & Red Bull ist drin

Der erwischte am Abend durch seinen Einschlag in die Mauer ohnehin alles andere als einen idealen Auftakt in Singapur. Entsprechend vorsichtig gibt sich Mercedes, die Konkurrenz einzuschätzen. "Wir waren nah an Ferrari dran, aber wir werden erst morgen herausfinden, wie schnell sie wirklich sind", sagt Hamilton. "Warten wir ab, wie es morgen läuft, aber es sieht so aus, als ob es vielleicht zu einem Dreikampf zwischen Ferrari, Red Bull und uns kommen könnte."

Deshalb gehören die letzten Baustellen noch ausgeräumt. "Ich denke, dass wir gute Chancen auf ein gutes Ergebnis an diesem Wochenende haben, aber wir müssen das Auto perfekt hinbekommen, um Ferrari und Red Bull zu fordern", fordert Bottas.

Unglaubliche Strecke, Fahren in Hitze wie Fitnessstudio im Cockpit

Insgesamt sieht sich Mercedes dennoch endlich einmal gut gerüstet in Singapur. "Beide Autos untersteuerten im ersten Training zu stark. Das konnten wir in der Pause jedoch beheben, sodass das Auto im zweiten Training auf einer schnellen Runde ziemlich gut war. Gleichzeitig scheinen wir auch mit unserer Pace auf Longruns gut dabei zu sein", sagt der Technische Direktor von Mercedes, James Allison. "Wenn wir die Situation mit dem Vorjahr vergleichen, sind wir nach dem heutigen Tag viel zuversichtlicher, dass wir an diesem Wochenende vorne mitmischen können."

Leclercs Kampfansage an Vettel: Ziel ist der Titel (08:35 Min.)

Wie groß die Zuversicht ist, zeigt noch ein anderer Aspekt. Sowohl Hamilton als auch Bottas geraten sogar einmal ins Schwärmen über den Marina Bay Street Circuit. "Die Strecke ist unglaublich", staunt der Weltmeister. "Wir sind hier viel schneller als im Vorjahr, aber dadurch ist eine Runde auch sehr viel schwieriger geworden, da die G-Kräfte höher ausfallen und wir schneller reagieren müssen."

"Außerdem ist es im Cockpit wahnsinnig heiß. Man schwitzt schon, bevor man ins Auto einsteigt. Ich glaube, dass ich im zweiten Training beinahe zwei Kilo verloren habe. Am Sonntag werden es also noch viel mehr sein!" Bottas bestätigt: "Die schnelleren Autos stellen hier auch eine größere Herausforderung dar. Je schneller du bist, desto höher fallen die G-Kräfte aus, die auf dich einwirken. Das ist auf dieser Strecke besonders hart, weil es hier so heiß ist. Es ist fast so, als ob man bei 60 Grad im Cockpit Fitnessübungen macht."