Force India ist gerettet, die Formel 1 freut sich. Doch was bedeutet das Investment von Lawrence Stroll bei Force India für Williams? Aktuell fließen seine Millionen nach Grove. Motorsport-Magazin.com traf sich zum ausführlichen Exklusiv-Interview mit Teamchefin Claire Williams. Die Tochter von Teamgründer Sir Frank Williams spricht offen wie nie über die Situation.

Der Einstieg von Lawrence Stroll bei Force India ist derzeit ein großes Thema. Bevor wir über die Folgen für Williams sprechen - könnten Sie zunächst einmal klarstellen, wie Herr Stroll überhaupt in den vergangenen zwei Jahren bei Williams genau involviert war?
Claire Williams: Lawrence ist Lance' Vater - genau wie Jos Max' Vater ist. Klar, er hat zu einem gewissen Maß in das Team investiert, damit Lance bei uns ist. Wir würden da aber nie über die genauen Zahlen sprechen und sie bekannt machen. Lawrence war über die Jahre ein guter Freund dieses Teams und ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Seine Entscheidung, Force India zu kaufen ... Force India steckt jetzt schon eine ganze Weile in Schwierigkeiten, das weiß jeder. Und sie gerieten über den Sommer jetzt in wirklich tiefe Gewässer und Lawrence traf die Entscheidung, sie zu retten. Für Force India, seine Beschäftigten und den Sport als Ganzes ist das eine fantastische Sache. Wir wollen die Teams in diesem Sport und schon gar nicht sehen wie hunderte Leute ihre Jobs verlieren. Aus meiner Perspektive freut es mich also, dass es jetzt so passiert ist.

Aber natürlich hat das für uns die Konsequenz, dass Lance ohne Zweifel zu einem gewissen Zeitpunkt - der muss aber noch geklärt werden - uns verlassen und zu Racing Point Force India gehen wird. Wir wissen nicht, wann das sein wird. Wir haben dahingehend noch keine Gespräche geführt. Es ist noch sehr früh. Für uns würde das einfach bedeuten, was es immer bedeutet, wenn du einen Fahrer verlierst. Du musst ihn ersetzen. Diese Dinge passieren eben in der Formel 1. Wir werden dann nicht happy sein, dass Stroll nicht mehr hier ist. Wirklich - das ist meine Ansicht zu diesem Verlust.

Sie erwähnten das Investment und wollen natürlich keine Zahlen herausgeben. Aber können Sie sagen, welche Art von Investment es war: Infrastruktur, Cash, ...
Claire Williams: Nein. Es war ganz einfach Cash für ein Cockpit. Das und nichts anderes. Für uns als Williams hatten wir finanziell immer ein gesundes Budget, aber es war immer schwierig, dieses Budget aufzubringen. Und dieses Budget kam schon immer aus verschiedenen Quellen. Für 2019 wird der Move von Lawrence, Racing Point Force India gekauft zu haben, keine signifikante Auswirkung auf unser Budget haben. Wir arbeiten zu Beginn jeden Jahres sehr hart, um unser Budget sicherzustellen, damit wir konkurrenzfähig sein können. Und das machen wir jetzt schon wieder seit vielen Monaten, wie Sie sich vielleicht vorstellen können. Und wir gehen dabei immer davon aus, dass Dinge auch schiefgehen können. Wir haben also immer noch einen alternativen Plan. Für nächstes Jahr habe ich deshalb keine großen Bedenken, das Strolls Abschied ein großes Loch reißen wird. Aber wir suchen mit aller Kraft nach Ersatz.

Aber ist es bereits klar, dass Sie diese Einnahmen verlieren werden? Denn bislang wurde nur bekannt gegeben, dass er Force India mit einem Konsortium kauft. Aber es wurde nicht bekannt gegeben, dass er sich damit auch automatisch von Williams zurückzieht.
Claire Williams: Wir wären überrascht, wenn Lance nicht zu Racing Point gehen würde. Aber wie schon gesagt: Bestätigt ist das wirklich noch nicht. Aber ich wäre überrascht, wenn es nicht passiert.

Haben Sie mit der Stroll-Familie in irgendeiner Form darüber gesprochen bevor der Kauf von Force India bekannt gemacht wurde?
Claire Williams: Uns war es bewusst. Sie haben uns nicht im Dunkeln tappen lassen. Uns war also bewusst, dass das passieren kann. Die Situation war uns klar.

Sie haben bereits erwähnt, dass es weniger Geld geben wird, was für Williams aber keine großen Folgen hat. Es gibt im Paddock aber einige Leute, die meinen, Williams werde ohne dieses Geld nicht überleben können. Was halten Sie davon?
Claire Williams: Absoluter Müll! Lawrence Stroll ist kein großer Investor dieses Teams. Er ist überhaupt kein Investor des Teams, er ist kein Anteilseigner. Dass Lawrence geht, heißt einzig und allein, dass der Vater unseres Stammfahrers geht. Dieses Team war schon 38 Jahre hier bevor Lawrence zu uns stieß und diese Teams wird nach Lawrence noch viele, viele Jahre hier sein. Jeder, der annimmt, dass die Zukunft unseres Teams irgendwie von Stroll abhängt, liegt sehr, sehr falsch.

Sie haben erwähnt, dass 'nur' ein Fahrer ersetzt werden muss. Wonach schauen Sie dabei genau? Brauchen Sie einen Ersatz, der wieder etwas Geld ins Team bringt oder geht es einzig und allein um pures Talent?
Claire Williams: Es gibt viele Dinge, an die du als unabhängiges Team denken musst, wenn du nach einem Fahrer suchst. Wir wissen, welche das sind. Für uns spielen die Finanzen und Sponsoren, die ein Fahrer mitbringt, in der Lage, in der dieser ganze Sport aktuell ist, natürlich eine Rolle.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie Ende des Jahres auch Martini als Sponsor verlieren. Gehen Sie noch davon aus, das Budget, das Sie dieses Jahr haben, wieder erreichen zu können?
Claire Williams: Wir haben bei Williams ein sehr gutes Finanzteam. So war uns mit etwas Vorlauf klar, dass Martini die Partnerschaft mit uns nicht fortführen wird. Auch so etwas passiert im Sport und in der Wirtschaft eben immer mal wieder. Aber keines dieser Szenarios hat uns kalt erwischt. Es sind auch keine ungewöhnlichen Szenarien, sie geschehen so Jahr für Jahr bei verschiedenen Teams, in unserem Team und wir managen all diese Ereignisse und bereiten uns auch immer darauf vor, dass solche Geschehnisse vorkommen können. Wir arbeiten sehr hart an unserem Budget für 2019 und zu diesem Zeitpunkt sind wir gerade in einer komfortablen Situation. Klar, gibt es noch Arbeit zu tun. Aber es ist erst August.

Ich denke, dass alles rührt vielleicht auch von einer Aussage von Ihnen. Sie meinten ja, als die F1-Besitzer die Pläne einer Budgetgrenze von 150 Millionen für 2021 angekündigt haben, dass sie damit überleben könnten.
Claire Williams: Ja, ich habe das Wort 'Überleben' benutzt und es ist nie gut, wenn du dieses Wort verwendest [lacht]. Aus unserer Perspektive ist das Umfeld dieses Sports, in dem wir gerade arbeiten, eben einfach ein schwieriges. Denn natürlich ist es schwierig wenn du gegen Teams antrittst, die ein deri- bis viermal höheres Budget haben als wir. Dass Geld am Ende des Tages nicht entscheidet, wird gerne gesagt. Aber es ist naiv, das zu denken. Für uns bedeutet eine Budgetgrenze nicht unbedingt ... natürlich hilft sie, bringt die großen Teams näher an uns heran ... aber als ich über Überleben sprach, meinte ich das Überleben der Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke. Denn es bedeutet, dass wir dann alle mit einem identen Budget kämpfen. Wenn du ein faires Wettbewerbsumfeld haben willst - egal in welchem Sport - müssen alle grob auf demselben Einnahmelevel operieren. Aber die Diskrepanzen, die wir in der Formel 1 heute haben - mit Teams, die mit 100 Millionen arbeiten und Teams, die bei 400 Millionen liegen - wie kann man da überhaupt einen fairen und konkurrenzfähigen Kampf erwarten? Dafür kämpfen wir und das meinte ich als ich über das Überleben dieses Teams gesprochen habe. Du überlebst nur wenn du konkurrenzfähig bist.

Gerade gibt es ja nicht einmal nur zwei Gruppen von Teams, also nicht nur die Werksteams und die Privatteams, sondern auch die B-Teams. Es sieht so aus, dass die Privatteams, die sämtliche Entwicklung allein betreiben, gerade die Verlierer sind. McLaren zum Beispiel, Williams - da ist die sportliche Situation verglichen mit Haas und Sauber gerade nicht so rosig. Was halten Sie von diesem Modell? Man spart viel Geld, gewinnt aber offenbar Performance.
Claire Williams: Es hängt davon ab, welche Organisation du hast, wenn man sagt, viel Geld sparen zu können. Denn wenn man eine Organisation wie unsere hat, sparst du mit so einer Partnerschaft nicht unbedingt so viel Geld. Dann würden eine Menge Leute überflüssig, das wollen wir nicht. Viele dieser Teile haben nicht unbedingt etwas mit der Performance zu tun. Bei Williams wollen wir das nicht. Wir sind sehr stolz auf unseren Status als unabhängiges Team und Konstrukteur, der seine eigenen Teile fertig. Das ist unsere DNA und die des Sports. Mir gefallen diese Kooperationen deshalb nicht.

Claire Williams nahm im Interview kein Blatt vor den Mund, Foto: Sutton
Claire Williams nahm im Interview kein Blatt vor den Mund, Foto: Sutton

Das ist alles innerhalb des Reglements und deshalb auch in Ordnung, aber ich halte es eben für sehr schade. Die Idee, dass Teams zusammenarbeiten und dann auf der Strecke gegeneinander antreten, macht für mich keinen Sinn. Das ist für mich nicht, was die Formel 1 ist oder sein sollte. Ich denke, dass das den Sport in eine schwierige Position bringt wenn wir in Zukunft nichts daran ändern, um wieder einen anderen Level an Wettbewerb statt Zusammenarbeit zu bekommen. Ich will mit Williams ein unabhängiges Team und ein unabhängiger Konstrukteur bleiben. Aber wenn sich das Umfeld ändert und das die neue Richtung ist, in die es geht, und wir aber für uns bleiben, dann okay. Wir sind stolz darauf und kämpfen weiter als unabhängiger Konstrukteur und werden weiter so gut wir können gegen die anderen Teams kämpfen, die zusammenarbeiten und ihre Kräfte zusammenlegen.

Glauben Sie nicht, dass es einen Punkt geben könnte, an dem Sie diesen Weg einschlagen müssen oder eben nicht überleben?
Claire Williams: Natürlich wäre es ein Versäumnis von uns gewesen, wenn wir das nicht analysiert hätten und angeschaut hätten, ob wir diesen Weg einschlagen sollen, eine Kooperation mit einem anderen Team zu schmieden. Wir haben das in den vergangenen Monaten angesehen, haben aber entschieden, dass das für uns gerade nicht in Frage kommt. Wie auch immer - wenn diese Kooperationen in der Zukunft des Sports immer mehr zunehmen können wir auch nicht ausschließen, es irgendwann einmal zu machen. Aber es muss sich für uns richtig anfühlen und auch für unsere Mitarbeiter richtig sein.