Was für ein Comeback beim Deutschland GP: Die Formel 1 ist 2018 zurück in Hockenheim und alles scheint perfekt: Das Wetter, die Zuschauer und der Sport. Bei über 30 Grad bekamen die schon am Freitag zahlreich angereisten Zuschauer beste Unterhaltung geboten - soweit das im Training möglich ist. Die Ausgangslage für das restliche Wochenende könnte jedenfalls besser nicht sein.

Max Verstappen setzte im Red Bull die Bestzeit vor Lewis Hamilton. Mit 0,026 Sekunden setzte sich der Niederländer nur hauchdünn gegen den Mercedes-Piloten durch. Mit Sebastian Vettel landete der Lokalmatador auf Rang vier, gut zwei Zehntelsekunden hinter der Spitze.

Besser könnte es nicht sein, denn am Samstag dreht sich meist das Kräfteverhältnis. Red Bull verliert aufgrund der fehlenden Qualifying-PS im Kampf um die Startaufstellung, Mercedes und Ferrari gewinnen. Dazu macht Sebastian Vettel in dieser Saison meist einen größeren Sprung von Freitag auf Samstag als alle anderen.

Vettel von Red-Bull-Bestzeiten verblüfft: Überraschend stark

Mit diesen Vorzeichen ist erstmal angerichtet. Doch hinter dem blanken Freitags-Ergebnis steckt noch mehr. Viele waren von Red Bulls Konkurrenzfähigkeit überrascht. Daniel Ricciardo lag schon im 1. Training auf Rang eins, hatte aber am Nachmittag eine grundlegend andere Herangehensweise, weil er aufgrund von neuen Motorkomponenten strafversetzt wird. Er wird das Rennen aller Voraussicht nach vom letzten Startplatz aus in Angriff nehmen müssen.

Nach dem schwachen Silverstone-Resultat waren die beiden Piloten am Donnerstag noch extrem pessimistisch. "Aber diese Streckencharakteristik ist deutlich besser für uns", analysierte Dr. Helmut Marko nach dem Training. "Es gibt kaum schnelle Kurven, die alle Vollgas fahren können." Und trotzdem zeigte sich selbst der Doktor überrascht: "Es war besser, als wir dachten."

Auch Sebastian Vettel hat Red Bull auf der Rechnung: "Ich denke, dass Red Bull überraschend stark ist. Auf dem Papier ist das vielleicht nicht so ihre Strecke, aber heute waren sie sehr gut. Deswegen müssen wir mit ihnen rechnen."

Auf die lange Parabolica ist aus der Bernie Ecclestone-Kurve Traktion gefragt, auch aus der Spitzkehre und aus der Kurve vor der Mercedes-Tribüne ist Traktion enorm wichtig. Das winklige Motodrom ist ohnehin Red-Bull-Land. Der Hockenheimring ist gar nicht so schlecht für die Bullen. Schon 2016 waren Verstappen und Ricciardo überraschend stark und machten Nico Rosberg das Leben schwer.

Red Bull wegen Hitze besorgt: Reifensituation kritisch

Red Bull machte sich aber am Freitag teilweise selbst das Leben schwer. Weil Ricciardos Strafversetzung sein Rennen grundlegend ändert, fuhr der Australier am Nachmittag die Ultrasoft-Reifen überhaupt nicht. Dazu stimmte er sein Auto noch extremer auf Rennen ab als üblich. "Und auf Überholen", fügt Marko an.

Gleichzeitig hatte Verstappen im 2. Training mit Motorproblemen zu kämpfen, seine Longruns vielen komplett ins Wasser. Somit haben Red Bull und vor allem Max Verstappen im Dauerlauf nur eingeschränkt Daten. "Und die Reifensituation ist kritisch", mahnt Marko. Im Training hatten fast alle Teams mit Blistering zu kämpfen.

  • Delta-Zeit Medium auf Soft: 0,4 Sekunden
  • Delta-Zeit Soft auf Ultrasoft: 0,6 Sekunden

Doch es gibt Entwarnung für die Bullen: Der Ultrasoft, hauptsächlich für das Aufplatzen verantwortlich, wird im Rennen bei den Topteams wohl kaum zum Einsatz kommen. Mercedes, Ferrari und Red Bull sollten sich im Q2 locker auf Soft für Q3 qualifizieren können. Wer im ersten Stint auf Soft fährt, hat laut Pirelli mit einer Einstopp-Strategie leichtes Spiel. Dann kommen nur Soft und Medium zum Einsatz.

Zusätzlich werden am Sonntag niedrigere Temperaturen erwartet. Laut Pirelli sollen es acht Grad Celsius weniger werden, andere Wetterdienste sagen nur eine moderate Abkühlung vorher. Auf jeden Fall sollte das Blistering-Problem bei niedrigeren Temperaturen und mehr Grip auf der Strecke besser werden.

"Es ist das umgekehrte Österreich", scherzt Pirellis Mario Isola. Dort gab es am Freitag in den Longruns keinerlei Probleme, am Sonntag jedoch bei deutlich heißerem Wetter sehr wohl. Vor allem Daniel Ricciardo hatte da mit Blistering zu kämpfen. "Aber nur, weil er in Zweikämpfe verwickelt war", beruhigt Marko. "Als Hamilton auch im Verkehr fuhr, war sein Reifenmanagement auch für den Teufel. Max, der alleine fahren konnte, hatte keinerlei Probleme."

Hamilton hat Ferrari und Red Bull auf der Rechnung: Werden uns richtig fordern

Die große Frage lautet: Wie viel verliert Red Bull durch den Qualifikationsmodus von Mercedes und Ferrari genau? Der Vorsprung von Verstappen war dafür schlicht nicht groß genug. Allerdings hatte der Niederländer auch Verkehr auf seiner schnellsten Runde. Bei der Einfahrt ins Motodrom lief er in der Sachskurve gleich auf zwei Fahrzeug auf. "Deshalb können wir uns auch noch weiter verbessern", meint Verstappen.

Auch Mercedes hat nicht nur Ferrari auf dem Zettel. "Sowohl Ferrari als auch Red Bull waren heute sehr schnell und ich glaube, dass es morgen und am Sonntag sehr ähnlich aussehen wird", glaubt Lewis Hamilton. "Sie werden uns richtig fordern und auf dieser Strecke ist es nicht einfach, alles richtig hinzubekommen."

Formel 1 Hockenheim: Longruns auf Ultrasoft

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahren gegenDurchschntl. Zeit
Vettel157Anfang1:18,198
Bottas189Anfang1:18,474
Hamilton1910Anfang1:18,536
Räikkönen2112Anfang1:18,619

Tatsächlich geht es zwischen den drei Top-Teams so eng zu, dass Prognosen unmöglich sind. Das zeigt sich auch in den Longruns. Während Mercedes auf eine Runde noch vor Ferrari lag, drehte sich das Bild in den Dauerläufen um. Auf dem Ultrasoft fuhr Vettel gar in einer eigenen Liga. Mit 1:18,2 Minuten fuhr er im Schnitt drei Zehntelsekunden schneller als Titelrivale Hamilton. Und auch auf dem Medium war Vettel immerhin noch zwei Zehntel schneller als der Brite.

Formel 1 Hockenheim: Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahren gegenDurchschntl. Zeit
Ricciardo2113Ende1:18,058
Bottas2114Ende1:18,422
Räikkönen2010Ende1:18,474

Und dann gibt es da noch den einen interessanten Red-Bull-Longrun: Auf den Soft-Pneus fuhr Daniel Ricciardo zur gleichen Zeit wie Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen. Alle drei fuhren ähnliche Stintlängen mit vergleichbaren Reifen. Am Ende war Ricciardo rund vier Zehntelsekunden schneller als Bottas und Räikkönen, die fast zeitgleich waren.

Formel 1 Hockenheim: Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahren gegenDurchschntl. Zeit
Vettel2819Ende1:18,237
Hamilton2011Ende1:18,434
Ricciardo1513Anfang1:18,673

Allerdings hinkt der Vergleich doch ein wenig: Ricciardo fuhr wie eingangs erwähnt auf einem noch aggressiveren Renn-Setup. Und außerdem war Räikkönen schon auf dem Soft-Reifen deutlich langsamer als Teamkollege Vettel.

Bottas war zwar auf dem Soft schnell, beklagte sich aber insgesamt über einen nicht perfekten Freitag. "Ich hatte etwas mit der Vorderachse des Autos zu kämpfen und wir müssen noch etwas mehr in den langsamen und mittelschnellen Kurven finden", gab der Finne zu Protokoll. "Dazu haben wir etwas unter überhitzenden Reifen gelitten, aber ich bin mir sicher, dass es bei den anderen nicht anders gewesen ist."

Red Bull zählt nicht auf Regen: Dr. Marko pfeift auf Wetterbericht

Einen kleinen Joker könnte Red Bull auf Vettels' und Mercedes' Heimterritorium noch haben: Das Wetter. Für Samstag sagen die Wetterdienste Regen vorher. Und Regen vermiest den Mercedes und Ferrari den Party-Modus mehr als den Fans auf den Campingplätzen. Marko macht sich allerdings nicht allzu viele Hoffnungen darauf: "Das schau ich mir gar nicht mehr an! 15 Minuten vor der Qualifikation hört es auf oder zehn Minuten danach fängt es an. Darauf schaue ich nicht mehr!"