Daniel Ricciardo ist 2018 der Held von Monaco: Der Red-Bull-Pilot siegte nicht irgendwie beim Formel-1-Klassiker in Monte Carlo, sondern legte eine wahre Meisterleistung an den Tag. Unmittelbar nach seinem Boxenstopp in Runde 18 verlor Ricciardo die gesamte Unterstützung des kinetischen Energierückgewinnungssystems und damit 163 PS, Ricciardo kam gar nicht mehr über den sechsten von acht Gängen hinaus.

"Aber nicht nur das, dadurch ändert sich auch der gesamte Energiefluss im Auto", erklärte Teamchef Christian Horner. Mercedes erlebte exakt das gleiche Drama 2014 beim Kanada GP. Lewis Hamilton schied aus, Nico Rosberg verlor den Sieg trotz riesigem Vorsprung. Ironie des Schicksals: Daniel Ricciardo erbte damals den Sieg, es war sein erster in der Formel 1 überhaupt.

Monaco ist die einzige Strecke, auf der ein solcher Defekt nicht fatal ist, dessen war sich Red Bull nach Ricciardos Sternstunde bewusst. Doch selbst im Fürstentum war der Nachteil enorm. Denn es geht nicht nur um die Extra-Leistung.

Formel-1-Technik: So funktioniert die MGU-K

Das kinetische Energierückgewinnungssystem MGU-K, ein kleiner Elektromotor, sitzt direkt unten am Verbrennungsmotor und ist über ein Getriebe mit der Kurbelwelle verbunden. MGU steht für 'Motor Generator Unit', also einer Einheit, die sowohl als Motor, als auch als Generator fungieren kann.

Die MGU-K der Mercedes Power Unit, Foto: Mercedes AMG
Die MGU-K der Mercedes Power Unit, Foto: Mercedes AMG

Das bedeutet, dass die MGU-K die Antriebswelle nicht nur mit elektrischer Energie antreiben, sondern auch abbremsen kann. Diesen Vorgang, bei dem kinetische Energie in elektrische Energie umgewandelt wird, nennt man rekuperieren.

Und genau hier wird es besonders kritisch. Wenn die MGU-K an der Kurbelwelle elektrische Energie generiert, bremst das die Kurbelwelle ab und damit auch die Hinterräder. Genau aus diesem Grund sind die Bremsen auf der Hinterachse kleiner ausgelegt, weil die MGU-K einen Teil der Bremsleistung übernimmt.

Seit 2014 übernimmt die MGU-K so viel Bremsleistung, dass ein eigenes System, das sogenannte Brake-by-Wire, für die richtige Bremsverteilung sorgt. Für den Fahrer wird es so berechenbar, denn er kann die MGU-K nicht direkt steuern. Je nachdem, wie stark die MGU-K rekuperiert, übernehmen die Hinterbremsen einen anderen Anteil an der Bremsleistung.

Ricciardo verstellt Bremsbalance um 7 Prozent

Die Bremsen sind aber nicht darauf ausgelegt, die volle Leistung aufzunehmen. Sobald Ricciardo die MGU-K verlor, überhitzten seine Hinterbremsen. "Ich habe die Bremsbalance deshalb um sechs bis sieben Prozentpunkte nach vorne stellen müssen", verriet Ricciardo Motorsport-Magazin.com. Das sind Welten, wie der strahlende Sieger erklärt: "Wenn wir die Bremsbalance normalerweise verstellen, reden wir vielleicht von ein bis zwei Prozent."

Durch die veränderte Bremsbalance wurden die Hinterbremsen entlastet. Allerdings überbremst dadurch die Vorderachse. Fahrerisch ein schwieriger Spagat, den Ricciardo hier meistern musste. Als wäre das noch nicht genug, durfte er nur noch auf die Kurven zurollen, musste also sehr exzessiv Lift and Coast betreiben.

Red Bull fürchtet Folgeschaden an Ricciardos Motor

Der Defekt war so gravierend, dass Red Bull den RB14 eigentlich schon abstellen wollte. "Aber wir haben den Monaco-GP angeführt und ich war der Meinung, wir sollten fahren, bis der Motor raucht", so Horner. Die Kehrseite: Noch ist unklar, ob die Motorkomponenten davon Schaden genommen haben.

"Daniel hatte 60 Runden lang 163 PS weniger, kaum Hinterbremsen, musste Lift and Coast machen, gleichzeitig auf seine Reifen aufpassen und hatte zudem Sebastian Vettel eine Sekunde hinter sich - das war sehr eindrucksvoll", lobte Horner.

Defekt trifft Ricciardo ohne Vorwarnung

Ein Blick auf Ricciardos Rundenzeiten zeigt, wie sehr die Performance darunter litt: Trotz frischer Reifen fuhr er nach seinem Boxenstopp plötzlich zwei Sekunden langsamer. Der Defekt glücklicherweise unmittelbar nach dem Boxenstopp auf. Eine Runde früher und Ricciardo hätte die Führung verloren, weil Vettel eine Runde vor ihm stoppte.

Eine Vorwarnung für den Defekt gab es nicht. "Ich bin aufs Gas gegangen und plötzlich hat es sich angefühlt, als hätte ich nur noch die halbe Leistung", so Ricciardo. Die ersten Runden nutze er dazu, sich an die neuen Begebenheiten zu gewöhnen, stellte seinen Fahrstil entsprechend um.

"Und dann hat er uns gefragt, wie lange Max' Ultrasoft-Reifen hielten und welcher Reifen zuerst anfing, Probleme zu bereiten, um sich selbst darauf einstellen zu können", verriet Horner. "Dass er in dieser Situation die Kapazität hatte, das Rennen so global zu verstehen und wie ruhig er am Funk dabei blieb, das war sehr eindrucksvoll."