Die Entscheidungsgewalt über die Formel 1 hat Bernie Ecclestone bereits 2017 an Liberty Media verloren. Seitdem meldet sich der ehemalige F1-Boss in regelmäßigen Abständen zum Treiben in der Königsklasse zu Wort. Für gewöhnlich bleibt es bei einem Seitenhieb gegen die neuen Rechteinhaber aus den USA. In einem Interview mit der Welt gab der 87-Jährige nun aber eine wilde Theorie zum Besten.

"Es gibt Gerüchte, dass der ehemalige Ferrari-Designer und jetzige Liberty-Media-Verantwortliche für technische und sportliche Fragen, Ross Brawn, es gern gesehen hätte, dass ich verschwinde", wird Ecclestone zitiert. Das ehemalige Strategie-Superhirn, das Michael Schumacher bei Benetton und Ferrari zu WM-Titeln führte, sei laut Ecclestone auf die Herrschaft über die Formel 1 aus und habe deshalb seine Absetzung forciert.

"Wenn das so ist und er jetzt glücklich darüber ist, soll mir das recht sein. Er wird dann auch ebenso glücklich darüber sein, wenn er eines Tages Chase Carey losgeworden ist", prophezeit er seinem Nachfolger ein ähnliches Schicksal wie das Seine. Für ihn kann das Dreiergespann an der Spitze der Formel 1, bestehend aus Chase Carey, Ross Brawn und Sean Bratches, auf Dauer ohnehin nicht funktionieren.

"Chase will nicht in England leben, dasselbe gilt für Sean. Das sind Amerikaner, und die haben ein anderes Lebensgefühl, eine andere Lebensart, die sie bevorzugen. Aber Ross will in England leben, dem Silicon Valley der Formel 1", erklärt der Mann, der selbst über 40 Jahre als Alleinherrscher die Formel 1 im Griff hatte. Liberty Media hat in den bald zwei Jahren, die es die Formel-1-Rechte innehat, bereits eine durchaus amerikanisch angehauchte Richtung eingeschlagen.

Ecclestone glaubt, dass die Amerikaner die Rennserie über kurz oder lang entwurzeln wollen, Brawn sich dadurch aber auch nicht von seinem Streben nach Macht abbringen lassen würde. "Und wenn sie, was ich glaube, das Formel-1-Management, also die Firma, in die USA verlegen wollen, wird Ross trotzdem die Formel 1 als der große Mann managen wollen. Ross ist nicht aus dem Ruhestand zurückgekommen, um eine Dienstbotenrolle für seine zwei US-Partner in der Formel 1 zu spielen", ist er sicher.

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Ecclestone: Die Formel 1 ist immer noch mein Baby

Selbst nicht mehr federführend in der Königsklasse agieren und handeln zu können, scheint für Ecclestone auch über zwölf Monate nach seiner nicht ganz freiwilligen Absetzung ein Stachel zu sein, der tief sitzt. Die Formel 1 war seine "Leidenschaft und mehr", so der Brite. "Wir haben oder besser ich habe die moderne Formel 1 in den 70er-Jahren an den Start gebracht. Es war und ist mein Baby."

Liberty Media bemüht sich seit jeher darum, die Formel 1 für das Publikum attraktiver zu machen und die Show aufzuwerten. Ecclestone sieht hier bis dato aber keine Erfolge. Was er sieht, ist, "dass die Leute, die jetzt das Sagen haben, noch keine massiven Veränderungen vorgenommen haben." Er selbst habe die Rennserie zusammengehalten, in dem er die Interessen der Teams und der Shareholder an erste Stelle setzte.

"Ich habe die Firma so geführt, um Geld für die Teams und die Anteilseigner zu verdienen. Und diese Geschäftsvorgänge waren für alle, die es anging, transparent und nachvollziehbar. Die Verträge und die Bilanzen waren jederzeit einsehbar – und trotzdem hat das niemals jemand gefordert oder getan", erklärt er. Liberty Media hingegen könnte es sich mit Ideen wie der Budgetobergrenze mit genau diesen Parteien verscherzen.

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Bernie Ecclestone fürchtet Ferrari-Abschied von der Formel 1

"Ich glaube, dass man mit meinem Job zufrieden war. Im Moment habe ich das Gefühl, dass das neue Management nicht die Absicht hat, Geld für die Teams und die Anteilseigner zu verdienen", so Ecclestone, der auch die Drohungen Ferraris, in der Formel 1 hinzuschmeißen, ernst nimmt. "Ich mache mir ein bisschen Sorgen darum, dass Ferrari seine Rücktrittsdrohung unter Chef Sergio Marchionne wirklich wahr macht. Das wäre, wenn es geschehen würde, ein Tiefschlag für die Formel 1."