Normalerweise zählt der Jahresbeginn nicht zu den spannendsten Wochen im Formel-1-Kalender. Gerade der Januar verläuft meist ruhig, ehe die Königsklasse im Februar mit den Präsentationen der neuen Autos und den Testfahrten wieder zum Leben erwacht. Vor fünf Jahren galt das Gegenteil, das Motorsportjahr 2017 begann mit einem Paukenschlag: Bernie Ecclestone wurde nach 40 Jahren an der Macht als F1-Boss abgesetzt. Im Rahmen unserer History-Serie 'On This Day' blickt Motorsport-Magazin.com zurück auf einen denkwürdigen 23. Januar und seine Folgen.

Formel 1 heute vor fünf Jahren: Ecclestone abgesetzt

"Ich wurde heute abgesetzt. Bin einfach weg. Das ist offiziell. Ich führe die Firma nicht mehr. Meine Position wurde von Chase Carey übernommen." Mit diesen Worten verkündete Bernie Ecclestone heute vor fünf Jahren, am 23. Januar 2017, bei den Kollegen von ‚Auto, Motor und Sport‘ seinen Rauswurf nach 40 Jahren am Ruder Formel 1 persönlich.

Wenig später folgte die Bestätigung der Gegenseite: Liberty Media verkündete in einem Atemzug nicht nur die erfolgreiche Übernahme der Formel 1, sondern auch die Absetzung Ecclestones als Geschäftsführer. Carey wurde zum neuen starken Mann an der Spitze der F1. "Ich möchte Bernie Ecclestone, der nun Ehrenpräsident wird, für seinen gewaltigen Erfolg danken, diesen bemerkenswerten globalen Sport aufzubauen", sagte Liberty-Präsident Greg Maffei.

Bernie Ecclestone grübelt: Was heißt Ehrenpräsident?

Die neuen Eigentümer schienen dem damals 86-jährigen Zampano seine Degradierung durch diese repräsentative Rolle also zunächst noch versüßen zu wollen. Noch dazu hieß es, man freue sich über Ecclestones weitere Unterstützung und Beratung. Auf Ecclestone selbst wirkte das von vornherein wie Augenwischerei. "Meine neue Position ist jetzt so ein amerikanischer Ausdruck. Eine Art Ehrenpräsident. Ich führe diesen Titel, ohne zu wissen, was er bedeutet“, sagte der Brite.

Tatsächlich bedeutete der Titel nichts. Aufgaben übertrugen die US-Amerikaner Ecclestone nicht, auch zur Beratung durch jenen Mann, der über Jahrzehnte sämtliche Belange des Sports nahezu in Eigenregie regelte, kam es nicht. "Sie haben mich nie nach irgendwas gefragt", sagte Ecclestone später. Liberty Media verteilte die Aufgaben auf drei Köpfe: Carey als CEO, Ex-Ferrari-Renndirektor Ross Brawn für die sportlichen Belage und auf den ehemaligen ESPN-Chef Sean Bratches für die kommerzielle Seite.

Ecclestone: Neue Bosse wollen meine Geschichte beseitigen!

Eine Aufgabe für Ecclestone war nicht vorgesehen, nicht einmal die als so wertvoll umschriebene Beratung schien erwünscht. So schilderte es zumindest der Engländer selbst. "Ich kann überhaupt nichts machen", sagte Ecclestone der Daily Mail. "Selbst den Mitarbeitern haben sie gesagt, dass sie nicht mit mir sprechen sollen. [...] Sie wollen die Bernie-Ära loswerden. Los, lasst uns Bernies Geschichte beseitigen."

Gut aufeinander zu sprechen waren der alte und die neuen Bosse der Formel 1 daraufhin nie mehr. Das wurde schnell offenkundig. So reiste Ecclestone nicht einmal zum Saisonstart nach Australien, erstes Rennen nach seiner Absetzung. Später kritisierte erst Carey Ecclestone für einen zu konservativen Führungsstil. "Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die gemacht hätten werden müssen, aber nicht erledigt worden sind", sagte der neue Boss der ‚Press Association’.

Carey kritisiert Ecclestone: Konservativer Nein-Sager

Ecclestones Konter ließ nicht lang auf sich warten. Er habe stets sichergestellt, finanziell das Maximum herauszuholen. „Um das Unternehmen für einen Verkauf interessant zu machen - und das ist ja auch eingetreten", sagte Ecclestone der ‚Sun’. Im Schweizer ‚Blick’ ätzte der Brite später weiter. „Er sagt, dass er weiß, was er tut. Dazu hat er sich mit Menschen umgeben, die behaupten auch zu wissen, was sie tun“, sagte Ecclestone über Carey.

Zwischen Ecclestone und Nachfolger Carey herrschte sofort Eiszeit, Foto: Sutton
Zwischen Ecclestone und Nachfolger Carey herrschte sofort Eiszeit, Foto: Sutton

Ross Brawn unterstellte er mangelnde Kompetenz für seine neue Funktion. Der Brite sei Ingenieur. "Er hatte nie einen Einblick in unser Geschäft. Er verfügt nicht über das große Bild der Politik und der kommerziellen Abläufe."

Formel 1: Bernie Ecclestone 40 Jahre Alleinherrscher

Bernie Ecclestone war mehr als 40 Jahre lang das Gesicht der Formel 1. Der 1,59 Meter kleine Brite übernahm Anfang der 70er-Jahre das Ruder der Formel 1 und führte eine neue Qualität der Professionalisierung in den Sport ein. Ecclestone verantwortete die kommerzielle Seite, handelte TV-Verträge aus und fädelte neue Deals mit Rennstrecken in aller Welt ein. Als Geschäftsführer der Formula One Group unter der Leitung von CVC Capital verwandelte er die Formel 1 in ein Milliarden-Business und trieb die Globalisierung des Sports immer weiter voran.

Der Gebrauchtwagenhändler aus dem britischen Ipswich fuhr bis 1958 zunächst selbst Autorennen und kam so mit der Formel 1 in Kontakt. Er war für zwei Grands Prix gemeldet, dem Monaco GP sowie dem Großen Preis von Großbritannien. Allerdings konnte sich Ecclestone für beide Rennen nicht qualifizieren. Später übernahm er das Brabham-Team als Besitzer und trat zudem als Manager des früheren Formel-1-Piloten Jochen Rindt auf.

Bernie Ecclestone: Mann der Skandale

Parallel gründete er die Konstrukteursvereinigung FOCA, unter deren Dach er die Hoheit über die TV-Rechte an sich riss. Dieser Coup ebnete ihm den Weg zur kommerziellen Herrschaft über die F1. Gemeinsam mit dem früheren FIA-Präsidenten Max Mosley leitete er die Geschicke der Formel 1 zumeist unabhängig, mit Nachfolger Jean Todt lag er stets im Clinch.

Unter FIA-Präsident Max Mosley konnte Ecclestone mit freier Hand 'durchregieren', Foto: Sutton
Unter FIA-Präsident Max Mosley konnte Ecclestone mit freier Hand 'durchregieren', Foto: Sutton

Ecclestone gehört seit Jahren zu den streitbarsten Personen in der Welt des Profi-Sports. Immer wieder sorgte der Multimilliardär für Kontroversen, die Schlagzeilen machten. So ging 2009 ein ‚Times‘-Interview mit ihm um die Welt, in dem er sich äußerst fragwürdig über Adolf Hitler ausließ ('Er wusste, wie man Dinge erledigt'). Im Zuge der Gribkowsky-Affäre erhob die Staatsanwaltschaft München 2013 Anklage gegen Ecclestone wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall. Später wurde die Klage gegen eine Zahlung von 100 Millionen Dollar fallen gelassen.

Liberty nimmt Ecclestone auch Titel als Ehrenpräsident

Mitte 2020 sorgte Ecclestone für einen Eklat, als er in einem CNN-Interview auf die Bemühungen Lewis Hamiltons für Diversität im Zuge der Black-Lives-Matters-Bewegung mit den Worten „In vielen Fällen sind Schwarze rassistischer als Weiße“ reagierte. Hamilton warf Ecclestone vor, ignorant und ungebildet zu sein. Auch die neue Führung der Formel 1 reagierte mit Ablehnung. Für Ecclestones Anmerkung sei weder in der Gesellschaft noch der Formel 1 Platz.

Noch dazu enthüllte Liberty in seiner Stellungnahme etwas, was Ecclestone selbst noch nicht einmal wusste, wie er später verriet: Seine Funktion als Ehrenpräsident hatte der Brite inzwischen auch eingebüßt. "Herr Ecclestone hat in der Formel 1 keine Rolle mehr gespielt, seit er das Unternehmen 2017 verlassen hat. Sein Titel als Vorstandsmitglied im Ehrenamt verlor im Januar 2020 seine Gültigkeit", schrieb Liberty Media.

„Das wusste ich gar nicht“, antwortete Ecclestone via ‚GPFans’. Das war der finale Beleg, wie wenig die neuen Eigentümer jemals noch von Ecclestone wissen wollten und es sich tatsächlich nie um eine Geste des Respekts handelte. Nicht wirklich. Tatsächlich setzte Liberty Media Ecclestone selbst auf diesem Posten gleich vor die Tür, sobald er auch offiziell vollständig ausgeschieden war. Hintergrund: Bei seiner Absetzung heute vor fünf Jahren würde Ecclestone nicht gleichzeitig entlassen. „Sie konnten mich nicht feuern, denn ich hatte noch einen Dreijahresvertrag“, berichtete Ecclestone. Bis Ende 2019 also. Genauso lang behielt die Ehrenfunktion dann ihre Gültigkeit. Genauso lang, wie Liberty Media Ecclestone auch noch bezahlen musste.

Was sonst noch geschah

Heute unglaublich, aber wahr: Es gab Zeiten, in denen durfte die Welt sich bereits im Januar über Formel-1-Action freuen. Allein an einem 23. Januar stiegen gleich drei Grands Prix. 1982 der Südafrika GP - das erste F1-Rennen eines gewissen Manfred Winkelhock. Alain Prost gewann in Kyalami. 1977 stieg der Brasilien GP, James Hunt startete zum 10. Mal in seiner Karriere von der Pole Position, Carlos Reutemann gewann. Fünf Jahre zuvor - auch an einem 23. Januar - hatte der Argentinier bei seinem Heimrennen in Buenos Aires sein F1-Debüt gefeiert und war gleich einmal von der Pole gestartet. Jackie Stewart siegte.