Marcus Ericsson startet mit Alfa Romeo Sauber 2018 in seine fünfte Formel-1-Saison. Der Schwede behielt im Gegensatz zu Pascal Wehrlein sein Cockpit bei den Schweizern. Doch mit Ferrari-Youngster Charles Leclerc bekommt er den nächsten Hochkaräter zur Seite gestellt. Obwohl Ericsson bereits mehrere angesehene Teamkollegen überlebte, sieht seine Statistik bis dato mau aus. In den vergangenen zwei Jahren holte er keinen einzigen WM-Punkt. Mit uns sprach er über die Schwierigkeit, sich in der Königsklasse zu behaupten.

Wenn wir noch einmal kurz zurückblicken auf deine letzte Saison: Täuscht der Eindruck oder hast du mit dem letztjährigen Auto etwas gebraucht, um richtig in Fahrt zu kommen?
Marcus Ericsson: Ich denke der Start ins Jahr war okay, aber besonders im mittleren Teil war es dann schwierig wegen des ziemlich hohen Gewichtsnachteils. Da lagen acht bis zehn Kilo zwischen mir und Pascal, und das hat es schwierig gemacht, weil darin viel Rundenzeit steckt. Das war etwas, was mich sehr behindert hat, aber ich habe mich nicht zu sehr darauf fokussiert. Ich habe versucht, trotzdem meinen Job zu machen und mich auf das zu konzentrieren, was ich habe.

Außerdem denke ich, dass wir zur Saisonmitte große Probleme hatten, mit den anderen mitzuhalten. Wir waren ziemlich weit hinten und das hat es für das ganze Team schwierig gemacht, auch für mich. Aber nach den Europarennen haben wir es geschafft, Gewicht aus dem Auto zu bringen. Also kam ich näher ans Gewichtslimit und wir waren wir viel wettbewerbsfähiger, näher an unserer Konkurrenz. Dann waren auch die Ergebnisse besser.

Wenn du dir das ganze Jahr anschaust, dann waren ich und Pascal von allen Fahrerpaarungen am engsten zusammen, was die absoluten Rundenzeiten über alle Fahrerpaarungen hinweg angeht. Mit dem Gewichtshandicap über die ganze Saison - ich glaube, das war ein sehr gutes Zeichen. Es war keine einfache Saison, aber ich denke, dass ich ein paar Dinge gut gemacht habe.

Wenn du in der Formel 1 zehn Kilo mehr hast als dein Teamkollege, bist du eigentlich chancenlos. Wie bist du damit mental umgegangen?
Marcus Ericsson: Das Gewicht ist echt ein Problem und das ist auch der Grund, warum ich und einige andere schwerere Fahrer für viele Jahre versucht haben, ein faireres Gewichtssystem zu erreichen. Alle Fahrer sollen gleich schwer sein, damit die kleineren Fahrer keinen Vorteil haben. Wenn eine große Veränderung im Reglement kommt, macht das viel aus. Mir ist das zweimal in meiner Karriere in der Formel 1 passiert. Bei Caterham war ich so 15 Kilo schwerer als Kamui, und wir waren 20 Kilo zu schwer mit meinem Auto. Das sind Sekunden pro Runde nur wegen des Gewichts! Pascal ist ein sehr talentierter und guter Fahrer, aber wenn ich schon vom Start weg drei Zehntel hinten bin, dann kann ich kaum mithalten.

Es gab jetzt wieder Gespräche, dass sie es für das nächste Jahr vielleicht ändern, das wäre gut. Ich hoffe für uns, dass wir dieses Jahr eher auf der richtigen Seite des Gewichtslimits sind, aber es ist eine Herausforderung mit dem Halo dieses Jahr, eine sehr große Herausforderung. Das Team ist sich nicht sicher, ob wir es schaffen werden oder nicht. Wir arbeiten darauf hin, aber wir wissen es noch nicht. Und wieder habe ich einen Teamkollegen, der leichter ist als ich. Aber es ist eben nicht alles einfach, das ist die Realität.

Wie wichtig war der Schlussspurt 2017, um dir das Sauber-Cockpit zu sichern?
Marcus Ericsson: Sicher war er wichtig, aber ich denke, das Team hat sich meine gesamte Saison angeschaut. Sie haben den Gewichtsnachteil miteinbezogen. Das Saisonende ist immer wichtig, aber ich denke, sie haben sich die ganze Saison angeschaut.

Ericsson: Habe wegen Alfa um mein Cockpit gezittert

Gab es einen Punkt an dem du dir dachtest, dass es schlecht mit deiner Zukunft in der Formel 1 aussieht?
Marcus Ericsson: Ja, ich war schon ein bisschen besorgt. Vor allem wegen der Alfa-Romeo-Partnerschaft. Ich wusste nicht, wie viel Einfluss sie haben würden, vor allem auf die Fahrerauswahl. Und dann gab es Gespräche darüber, Antonio (Giovinazzi) und Charles (Leclerc) ins Auto zu setzen. Ich habe einfach versucht, mich auf meinen Job zu konzentrieren und zu zeigen, dass ich ins Team gehöre. Am Ende wollten sie dann einen erfahrenen Fahrer und einen Rookie, und ich hatte genug dafür getan.

Jetzt habe ich eine unschöne Statistik für dich: Du hast nun seit 48 Rennen keine Punkte mehr geholt. Du hattest natürlich nicht immer das beste Material, aber die die Statistik ist nicht schön. Was würdest du als Hauptgrund dafür nennen?
Marcus Ericsson: Ich glaube es ist wie du gesagt hast. Das Auto, mit dem ich in den letzten zwei Jahren gefahren bin, war sehr schwach und vielleicht das schlechteste Auto im Feld. Aber ich war ein paar Mal knapp dran, hatte ein paar elfte Plätze. In Baku war ich gut unterwegs bis ich meinen Teamkollegen vorbeilassen musste. Aber natürlich, es ist keine gute Statistik und ich bin nicht stolz darauf. Zum Glück kommen jetzt neue Rennen und neue Chancen, um das zu ändern.

Bei allem Respekt für Sauber, aber wie du erwähnt hast, war das Auto die letzten Jahre nicht besonders gut. Du sagst, du hattest vielleicht das schlechteste Auto im Feld. Aber jeder Fahrer möchte irgendwann aufsteigen. Glaubst du, dass du dieses Level mit Sauber erreichen kannst?
Marcus Ericsson: Ich denke, das Potential ist da, gerade jetzt mit Alfa Romeo. Es ist eine große Unterstützung, nicht nur was Ressourcen angeht. Es motiviert auch die Leute im Team, wenn ein Hersteller kommt. Es ist ein bisschen wie zu BMW-Tagen. Das Feeling, die Richtung. Vielleicht nicht ganz so extrem wie damals, als BMW bei Sauber war, aber schon in diese Richtung, und das ist sehr positiv. Wenn du dir anschaust, was Sauber mit BMW zusammen erreicht hat, dann siehst du, dass es fantastisches Potential in diesem Team gibt.

Die Fabrik in der Schweiz ist hervorragend. Wenn die Ressourcen da sind und wir mehr Leute haben, dann glaube ich, dass wir große Schritte machen können. Wir müssen warten, wie sich alles über das Jahr hinweg entwickeln. Momentan musst du eigentlich ein Hersteller sein, um Rennen zu gewinnen. Also schauen wir, was in den nächsten paar Jahren passiert. Alfa Romeo und Sauber können wirklich eine gute Beziehung haben.

Ericsson: Leclerc ist anders

Das klingt, als ob du dich langfristig beim Team siehst?
Marcus Ericsson: Ich bin ja schon ein paar Jahre hier. Ich habe nur für diese Saison einen Vertrag, aber... ich könnte mich schon länger hier sehen, aber es ist schwierig für mich. Ich will eine starke Saison fahren, aber wenn wir über das Team sprechen, das hat eine längere Perspektive. Das Team kann langfristig sehr erfolgreich sein. Ob ich dabei sein werde oder nicht, das weiß ich noch nicht.

Das Team ist sehr vorsichtig, wenn es um die Ziele für diese Saison geht. Du sagtest 'stark' - was bedeutet 'stark' für dich persönlich?
Marcus Ericsson: Natürlich wollen wir jedes Wochenende um Punkte kämpfen, aber ich glaube wir müssen auch realistisch sein. Wir waren letztes Jahr ganz hinten und wir müssen zuerst zum hinteren Mittelfeld aufschließen. Wenn wir das aufgeholt haben, dann können wir auch in jedem Rennen um Punkte kämpfen. Das erste Ziel für uns muss sein, zum hinteren Mittelfeld aufzuschließen, das ist das erste realistische Ziel. Damit wir dort mitkämpfen können, und endlich wieder echte Rennen fahren. Am Ende des letzten Jahres waren wir schon fast da, wir haben in ein paar Rennen mit Toro Rosso und Haas gekämpft, hin und wieder sogar mit Williams. Dort wollen wir sein. Natürlich wollen wir das Auto über das Jahr laufend weiterentwickeln. Da waren wir letztes Jahr sogar gut dabei, weil wir wegen des Motors immer langsamer wurden, aber das Auto wurde immer besser. Das müssen wir in diesem Jahr wiederholen.

Wusstest du, dass du der Formel-1-Karrierezerstörer bist? Denke an alle deine Teamkollegen...
Marcus Ericsson: [überlegt] Ja, stimmt. Ich bin der Karrierezerstörer. Stimmt.

Charles Leclerc ist 2018 Teamkollege von Marcus Ericsson, Foto: Sauber
Charles Leclerc ist 2018 Teamkollege von Marcus Ericsson, Foto: Sauber

Also, was wird mit Charles passieren?
Marcus Ericsson: Natürlich will ich ihn schlagen, aber ich glaube nicht, dass seine Karriere zerstört werden wird. Charles ist ein sehr talentierter Fahrer und es wird interessant zu sehen sein, wie er sich in der Formel 1 schlägt. Er hat wirklich beeindruckende Erfolge in anderen Formelserien gefeiert. Für mich ist er der perfekte Teamkollege, weil er sehr hoch im Kurs steht. Von allen Fahrern, die in den letzten paar Jahren in die Formel 1 gekommen sind, ist er vielleicht der mit den meisten Erfolgen und wir werden ihn glaube ich lange hier sehen. Deshalb ist er die perfekte Messlatte für mich.

Glaubst du, er wird von all deinen Teamkollegen am schwierigsten zu schlagen sein?
Marcus Ericsson: Ich weiß nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, ob dieses Jahr schwieriger werden wird im Vergleich zum Rest. Ich weiß, dass Charles sehr gut fahren wird und dass es schwierig sein wird, ihn zu schlagen. Aber das war für mich immer der Fall. In der Formel 1 hatte ich sehr starke Teamkollegen. Pascal letztes Jahr war ein sehr guter Fahrer, also erwarte ich die gleiche Herausforderung in diesem Jahr. Ob es einfacher oder schwieriger wird, ist schwer zu sagen.

Also war Pascal bis jetzt die größte Herausforderung?
Marcus Ericsson: Es ist schwierig zu vergleichen. Kamui war sehr, sehr stark im Caterham. Ich war sehr beeindruckt davon, wie er dieses extrem langsame Auto gefahren ist. Er hat einige beeindruckende Runden hingelegt, einige beeindruckende Leistungen gebracht. Aber es ist schwierig, Teamkollegen zu vergleichen.