Beim Finale der Formel-1-Saison 2017 in Abu Dhabi ließen die Weltmeister von Mercedes der Konkurrenz von Ferrari und Red Bull zum Abschluss nicht den Hauch einer Chance. Der Dominante Doppelsieg der Silberpfeil-Teamkollegen Valtteri Bottas und Lewis Hamilton warf allerdings die Frage auf, ob beim Paarlauf an der Spitze von der Boxenmauer aus Regie geführt wurde.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff wiegelte nach dem Grand Prix sofort ab, dass Hamilton seinem finnischen Stallgefährten freiwillig den Vortritt gelassen haben könnte. "Er gab für den Sieg alles, denn der Instinkt ist auch nach dem Titelgewinn noch da", war der Österreicher überzeugt..

An den Abständen auf Rennsieger Bottas lässt sich tatsächlich nicht ableiten, dass Hamilton selbst nicht schnell genug für den Sieg war. Abgesehen von den letzten vier Runden lag der Weltmeister nie mehr als drei Sekunden hinter dem Finnen zurück. Die meiste Zeit über hielt sich Hamilton gerade so außerhalb des DRS-Fensters auf.

Dass er trotzdem nicht nahe genug für eine Attacke herankam, begründete Hamilton mit der Charakteristik des Yas Marina Circuit. "Sobald du auf etwa 1,2 Sekunden dran bist, ist es so, als ob du gegen eine Wand fährst. Das Auto fängt über alle vier Reifen an zu rutschen. Ich bin heute viel Rallye gefahren", klagte der 32-Jährige über die Dirty-Air-Problematik.

In der ersten Rennhälfte sah Hamilton von einer Offensive ab. Stattdessen versuchte er, Bottas an der Box zu überholen. Der Finne kam in Runde 21 zuerst zum Reifenwechsel. "Wir hatten nicht für alle Szenarios einen Plan. Ich wusste, dass die nächsten Runden nach meinem Stopp wichtig sein würden, wenn Lewis draußen bleibt", so Bottas gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Hamilton greift Bottas in Abu Dhabi mit Overcut an

Hamilton und seine Strategen waren sich jedoch nicht sofort einig, wie sie den Overcut bestmöglich einsetzen. "Es gab einen Punkt, wo ich noch länger fahren sollte. Aber dann sagten sie, dass wir die normale Strategie fahren. So wäre ich eine Runde nach Valtteri gekommen. Ich sagte aber, dass ich draußen bleiben will", so Hamilton, der erst im 24. Umlauf zum Service kam.

"Ich war etwas besorgt, als ich aus der Box kam. In Kurve 5 wurden über mehrere Runden gelbe Flaggen geschwenkt und ich war nicht ganz sicher, wie viel Gas ich herausnehmen kann. Ich habe hart gepusht, um meine Position zu halten", erklärte Bottas. An einem Punkt sah es so aus, als ob Hamiltons Overcut ein Erfolg wird.

"Es gab ein Schlüsselrunde, in welcher ihm 1,7 Sekunden fehlten, um sicher zu sein. Das bedeutete: Wenn ich jetzt hereinkomme, komme ich vor ihm zurück auf die Strecke. Er war zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus dem Boxenstopp-Fenster raus", so Hamilton im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

In den Runden zwischen den beiden Boxenstopps gelang es Hamilton allerdings nicht, die Rundenzeiten bedeutend herunterzuschrauben. Letztendlich fuhr er rund zwei Zehntel langsamer als zuvor. Bottas wiederum riss auf seinen frischen Reifen keine Bäume aus. Auf der In-Lap war er zunächst sechs Zehntel langsamer als Hamilton gewesen. Auf der Outlap verlor er mit 2:02,180 zu 2:01,683 Minuten ebenfalls Zeit, sodass Hamilton immer noch eine Chance zu haben schien.

"Ich kam zum Stopp und frage die Ingenieure, aber sie waren sich nicht sicher, wie es ausgehen würde", so Hamilton, der schlussendlich nicht vorbeikam, aber den Rückstand von 2,6 auf 1,8 Sekunden verringern konnte. "Es hätte auch klappen können, wenn er eine bessere Pace gehabt hätte", gestand Bottas.

Mercedes erteilt Hamilton und Bottas freie Fahrt

Nachdem Hamilton mit seiner Boxenstrategie keinen Führungswechsel herbeiführen konnte, ritt er auf der Strecke die nächste Attacke. "Als Lewis stoppte und wir einen ähnlichen Abstand hatten, war ich zunächst beruhigt. Er hat dann aber direkt attackiert mit seinen frischeren Reifen", so Bottas. "Im Funk hat er uns gebeten, den Motor aufdrehen zu dürfen", so Wolff, dessen Strategen die Bitte Hamiltons erwiderten.

Vom Mercedes-Kommandostand gab es allerdings für beide Piloten freie Fahrt, wie Wolff anfügte: "Wir entschieden, ihnen beiden die volle Power zu erlauben, auch wenn wir damit ein Risiko eingehen würden. Aber wir hatten das Gefühl, dass es sich lohnt und dass wir ihnen das schuldig sind."

"Ich habe alles gegeben, solange die Reifen noch gut waren", so Hamilton, der zwischen den Runden 26 und 30 beinahe bis auf unter eine Sekunde herankam. "So nah heranzukommen, wie es mir gelang, zeigt, dass ich eine gute Pace hatte", urteilte Hamilton, der sich damit allerdings auch im Dirty-Air-kritischen Bereich bewegte.

"Er hat versuch anzugreifen und war sehr schnell", gab auch Bottas zu. "Aber das Überholen ist unglaublich schwierig." Dem Druck des Teamkollegen standzuhalten, gestaltete sich für ihn schwierig. "Wenn Lewis hinter dir ist, nutzt er jede Chance. Im Team-Meeting sagte er, dass er nur auf einen Fehler gewartet hatte", so Bottas.

Hamiltons Offensive bleibt ohne Erfolg

Beinahe hätte Hamilton sein Zeil erreicht. "Der engste Moment war, als ich mich in Kurve 5 verbremste. Da kam er in den Kurven 8 und 11 extrem nahe an mich heran, war für einen Angriff aber nicht nah genug dran", erklärte Bottas weiter. Nach dem Strohfeuer pendelte sich der Rückstand Hamiltons zunächst bei anderthalb Sekunden ein.

In Runde 48 drehte der Brite noch ein letztes Mal auf, doch die Luftverwirbelungen ließen abermals keinen Angriff zu. "Wenn du bei der Pace nah zusammen liegst und dir die Ingenieure sagen, dass du ein Zeit-Delta von 1,4 Sekunden brauchst um das Auto vor dir zu überholen, ist es egal, welches Auto vor dir fährt. Es wäre immer schwer gewesen, zu überholen", so Hamilton.

In Runde 50 steckte er endgültig auf und ließ Bottas ziehen. "Unter Druck performe ich immer noch gut. Es gab viele Möglichkeiten für mich, einen Fehler zu machen. Ich wusste, dass er nah dran war und gewinnen wollte. Aber ich konzentrierte mich nur auf mich, Kurve für Kurve, Runde für Runde", so Rennsieger Bottas, der vier Sekunden vor Hamilton über den Zielstrich fuhr.