Ferrari hat sich im letzten Qualifying der Formel-1-Saison 2017 mit nur wenig Ruhm bekleckert. Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen mussten Mercedes in Abu Dhabi die komplette erste Startreihe überlassen. Schlimmer noch: Der Abstand war gewaltig. Vettel (P3) fehlte mehr als eine halbe Sekunde auf die Bottas-Pole, Räikkönen verlor weitere zwei Zehntel, rutschte so auch noch hinter Daniel Ricciardo auf P5.

"Schade, dass wir so weit zurückliegen. Ich hätte nach den Trainings gedacht, dass wir näher herankommen können. Aber so war es nicht. Sie waren wirklich sehr stark. Die Lücke war größer als erwartet und Valtteri hat eine mega Runde hingelegt", kommentiert ein etwas geknickter Vettel die Qualifikation.

Ferrari: Je kühler die Strecke, desto weiter hinter Mercedes

Gewaltig überrascht gewesen sei Vettel am Ende jedoch nicht völlig, als er nach Ende des Q3 das Ergebnis zu Gesicht bekam. "Du konntest es durch die Entwicklung über Q1 und Q2 schon kommen sehen", sagt der Ferrari-Pilot. Tatsächlich lag im Q1 mit Räikkönen der beste Ferrari keine Zehntel hinter dem besten Mercedes. Im Q2 waren es mit Vettel bereits fast drei, im Q3 dann die genannten fünf. "Nach den Trainings hätte ich gedacht, dass wir näher dran sind. Aber jetzt waren die Bedingungen anders", so Vettel.

Nämlich kühler - und das dank der untergehenden Sonne im Verlauf des Qualfiyings immer mehr, was Mercedes deutlich mehr in die Karten zu spielen schien. "Es schien von Anfang an klar zu sein, dass Valtteri und Lewis um die Pole kämpfen würden. Dennoch behielten wir Ferrari genau im Auge, aber im Verlauf des Qualifyings schienen unsere Fahrer auf jedem Run etwas mehr Zeit finden zu können", bestätigt Mercedes' Andrew Shovlin Vettels Eindruck.

Räikkönen: Speed war im Ferrari, Reifen das Problem

"Wenn du dann den Sweet Spot des Autos erwischst, dann kannst du sofort sehr viel besser sein", ergänzt Vettel. Seine eigene Leistung hingegen habe die Pole nicht gekostet, so Vettel. "Ich war im letzten Qualifying-Abschnitt mit beiden Schüssen zufrieden. Im ersten hatte ich einen Wackler drin Anfang des letzten Sektors. Das war im letzten Run besser. Aber das war nicht viel. Kein großer Unterschied zwischen den beiden Runden. Die Lücke war sehr groß nach vorne und es war unmöglich, die zu schließen", meint Vettel.

Kimi Räikkönen schildert indessen die Details, warum sich Ferrari so schwer tat. Grundsätzlich vorhanden gewesen wäre die Pace nämlich durchaus, so der Iceman. "Es hat sich angefühlt, als wäre da jede Menge Speed gewesen, aber ich konnte ihn nicht wirklich nutzen", sagt Räikkönen. Warum? Kimi: "Das Auto war sehr gut, aber es war knifflig, die Reifen konsistent zum Arbeiten zu bekommen, um damit wirklich zufrieden zu sein."

Der Ferrari-Pilot weiter: "Sie waren in einigen Kurven sehr gut, aber dann etwas zu snappy. Es gab guten Grip, aber dann hat es sich ganz plötzlich geändert und ich hatte Übersteuern auf der letzten Runden - und Untersteuern in Kurve 11 am Ausgang, was die ganzen nächsten Runden auch beeinträchtigt hat. "Es waren heute leider zu viele Ausrutscher und Slides hier und da auf der Runde - weit entfernt von ideal."

Formel 1, Abu Dhabi 2017: Die wichtigsten Fragen zum Finale: (03:53 Min.)

Ferraris Achillesferse im Qualifying: Power-Sektor zwei

Besonders im zweiten Sektor - da, wo sich die beiden langen Geraden des Yas Marina Circuits befinden - tat sich Ferrari allerdings schwer. Mit Blick auf die besten Sektorenzeiten verlor die Scuderia hier besonders viel auf Mercedes, im dritten Sektor war Ferrari etwas näher dran, im ersten sogar auf Augenhöhe. "Wir wussten, dass sie hier besonders im zweiten Sektor sehr stark sind. Aber ich bin zumindest ein bisschen überrascht", sagt Vettel.

"Generell bin ich mit dem Handling des Autos aber zufrieden gewesen. Ich glaube nicht, dass der Rückstand auf die Kurven zurückgeht", verweist der Formel-1-Pilot etwas anders als sein Teamkollege auf den üblichen Power-Vorteil Mercedes' speziell in der Qualifikation. Allerdings habe auch er sich nicht hundertprozentig wohlgefühlt. Vettel: "Ich war nicht komplett zufrieden, was den Rhythmus in den Kurven 5, 6 und 7 angeht."

Wolff: Ferrari im Rennen auf Augenhöhe
Vettel: Das ist ein Babbler!

Für das Rennen hofft Vettel nun naturgemäß, wieder näher an Mercedes heranzukommen. "Hoffentlich können wir sie morgen unter Druck setzen. Ich glaube auch, dass wir bei der Rennpace näher dran sind und unsere Starts waren auch gut zuletzt. Aber Überholen wird danach schwer, wenn man hier einen ähnlichen Speed hat. Außerdem muss ich die Augen nach hinten offenhalten", sagt Vettel.

Auf Augenhöhe wie Tiefstapelmeister Toto Wolff sieht Vettel Ferrari im Rennen aber nicht. "Das ist ein Babbler", scherzt der Heppenheimer auf Hessisch über den Mercedes-Chef. "Der soll net so Sprüche machen. Die brauch'n sich keine Gedanken machen, warn richtick schnell heude!" Auch einen psychologischen Vorteil am Start - Bottas vergab schon in Brasilien eine Pole gegen Vettel - sieht Vettel nicht: "Ich wäre viel lieber vorne. Das ist immer die bessere Ausgangslage."