Der Moment, in dem der WM-Titel in der Formel 1 2017 rechnerisch unmöglich wurde, war der Moment der großen Enttäuschung für Sebastian Vettel. So unwahrscheinlich der Titelgewinn schon seit zwei zuvor Rennen gewesen war, nie hatte sich der Ferrari-Pilot seine gute Laune verderben lassen.

So lang auch nur der Hauch einer Chance bestand gab Vettel nicht auf, glaubte noch an das WM-Wunder. Keep Fighting. Never give up. Ganz wie es einst das große Motto seines Vorbilds, Vorgängers und Vertrauten Michael Schumacher gewesen war.

Erst als der WM-Traum in Mexiko final zerbrach, Lewis Hamilton seinen vierten Titel fixierte, in den Rekordbüchern mit Vettel gleichzog, krachte der Deutsche auf den Boden der Tatsachen, traf Vettel die Erkenntnis wie ein Schlag. Am Boden zerstört wirkte Vettel im Paddock, presste in seinen Interviews nur gequält spärliche Antworten heraus.

Im Moment der Niederlage war Vettel nur eines wichtig: Anerkennung für Lewis Hamilton. Dem gratulierte er nach dem verbissenen WM-Kampf 2017 schließlich fair, applaudierte, umarmte den Mercedes-Piloten. Ein Stück weit schien Vettel damit auch von dem eigenen Scheitern ablenken zu wollen - vielleicht nicht unbedingt die Öffentlichkeit, aber doch zumindest sich selbst.

Sebastian Vettel: Ferrari kann trotzdem Stolz sein

Schon zuvor hatten Vettel und Ferrari - so gegenwärtig die Hoffnung auf die letzte Mini-Chance auch war - hier vorgebaut. Offenbar in weiser Voraussicht der Realität, der größeren Wahrscheinlichkeit hatte man sich auch in Maranello nicht verschlossen. Entsprechend gibt es sie doch: Aussagen zur Einordnung. Wie also gehen Sebastian Vettel und Ferrari mit der nun besiegelten Schlappe in beiden Weltmeisterschaften um?

Auf zweierlei Art: Sie nehmen es sportlich, als Anreiz. Und sie verteidigen ihr Projekt. "Niemand hat erwartet, dass wir so stark sein würden, niemand hat erwartet, dass das zur Mitte der Saison auch noch so ist, oder am Ende des Jahres. Also gibt es schon jede Menge positive Dinge", sagte Vettel am Donnerstag vor dem Mexiko GP.

Einen Tag später ergänzte Teamchef Maurizio Arrivabene: "Insgesamt haben wir viele positive Momente gehabt, ehrlich gesagt. Denn ich ich habe ein noch recht junges Team sehr gut an dem Auto arbeiten sehen - hier und in Maranello. Die Jungs sind stehen sehr zusammen, sie tauschen Informationen aus, sind sehr fokussiert und sie sind sehr jung, sodass niemand die Performance, die wir in diesem Jahr gezeigt haben, erwartet hatte."

Alles toll gewesen sei natürlich nicht, so Vettel. "Das Ärgerliche ist aber, dass es ein paar Rennen gab, wo wir einfach nicht da waren, um zu kämpfen, erst gar keine Chance hatten, zu kämpfen. Da wäre ich manchmal zu gerne auch nur mit drei Reifen gefahren, aber zumindest im Rennen mit einer Chance zu kämpfen. Das war bitter und hat am Ende einen großen Unterschied gemacht", berichtet Vettel von Rennen wie Singapur und Japan.

Ferrari: Details kosteten alles in Formel-1-WM 2017

Arrivabene dazu: "Unglücklicherweise haben wir eine Schlüsselgelegenheit wegen eines kleinen Details, das mit einem technischen Problem hauptsächlich von einem Zulieferer zusammenhing, liegen gelassen. Aber manchmal liegt es im Detail, wir nehmen das als Lehre. Für die Jungs ist es eine Lehre, eine weitere Lektion und jetzt blicken wir der Zukunft entgegen und wollen es besser und besser machen. Wir sind fokussiert."

Genau deshalb spart sich Vettel auch jede Kritik an seinem Rennstall, seinen Jungs. "Insgesamt hat das Team Unglaubliches vollbracht, um da zu stehen, wo wir jetzt sind. Das hat - nochmal - niemand erwartet. Da haben wir vielleicht alle widerlegt. Es gab im Winter viele Stimmen, ich erinnere mich genau, die sich mit Mercedes sicher waren. Sie waren die Favoriten. Andere haben auch viel über Red Bull gesprochen, nicht so viele über Ferrari", sagte der viermalige Weltmeister.

Am Sonntag nach dem Rennen gestand Vettel schließlich jedoch, das bessere Paket sei in diesem Jahr noch bei Lewis Hamilton und Mercedes gewesen. Betonung auf noch. "Mit Blick auf das Gesamtbild spüre und weiß ich, dass wir noch viel tun können. Und wir müssen besser werden. Aber wir wissen, wo wir anpacken müssen. Ich denke wir kennen unsere Schwächen. Einige Dinge geschehen schnell, manche Dinge brauchen etwas Zeit, aber wenn wir diese Dinge aussortiert bekommen, dann werden wir ein viel stärkeres Team sein, in der Lage sein, ein viel stärkeres Auto und Paket zu bauen, einen stärkeren Motor", sagte Vettel, zuversichtlich für eine noch bessere Chance in der Zukunft.

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"Deshalb müssen wir weiter arbeiten, weiter als Team wachsen und eine Kultur weiterzuentwickeln, die uns erlaubt ein starkes Auto, einen starken Motor und ein starkes Paket zu bauen. Da haben wir in den vergangenen Jahren schon massive Schritte getan und jetzt müssen wir einfach weitermachen, diese Schritte zu gehen", ergänzte Vettel.

Vettel: Maurizio Arrivabene der Schlüssel zum Ferrari-Comeback

Ändern müsse sich in Maranello deshalb auch nichts Grundlegendes. Zuletzt waren vermehrt udn wiederholt Gerüchte durch die vor allem italienische Presse gegangen, wonach Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene wegen des Scheiterns kurz vor dem Rauswurf stehe. Vettel und selbst Oberboss Sergio Marchionne dementierten eifrig, doch die Spekulationen bleiben.

Einzig Feinjustierungen nimmt Ferrari vor oder hat sie zum Teil schon vorgenommen, etwa in der Qualitätskontrolle. "Es ist eine Frage davon, manchmal Anpassungen vorzunehmen. Es ist keine Frage der Revolution, sondern der Anpassung. Denn dieses Jahr haben wir einen heftigen Preis für Details gezahlt, weshalb wir noch etwas fokussierter bei allen Abläufen sein müssen. Aber das absolut Positive ist, dass dieses Team nicht aufgibt und aus seinen Fehlern lernt. Und es ist ein Team das seiner Sache voll verschrieben ist", lobte Arrivabene seine Truppe.

Ähnlich sieht es Kimi Räikkönen. "Dieses Jahr haben wir einen guten Schritt im Vergleich zur vergangenen Saison gemacht. Aber natürlich gibt es noch ein paar kleine Dinge zu verbessern. Diese Saison hatten wir ein gutes, solides Auto. Aber zuletzt hatten wir ein paar Probleme. Der Speed war aber da. Trotzdem haben uns offenkundig zu viele DNFs viel in der Meisterschaft gekostet. Nächstes Jahr müssen wir diese Probleme minimieren, die Dinge verbessern und aus dieser Saison lernen", sagt - wie jetzt feststeht - Ferraris noch immer letzter Weltmeister.

Ferrari wieder eine Einheit: Druck & Unruhe nur von Außen

So groß der Druck und Wirbel von Außen auch sind - Ferrari selbst wirkt wie eine geschlossene Einheit, allenfalls Marchionne fällt hier und da mal aus der Reihe, allerdings eher mit eher unglücklichen und fehlinterpretierten als ernst gemeinten Aussagen. Insbesondere im Fall Arrivabene sind die für Vettel völlig deplatziert. Gerade der Teamchef sei es doch, der für den großen Erfolg Ferraris verantwortlich zeichne.

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Großer Erfolg? Ja. Denn ob Titel verpasst oder nicht: Massiv besser geworden sei unter Arrivabene bei Ferrari alles, so Vettel. Der Deutsche hält ein flammendes Plädoyer für seinen Teamchef: "Was sind seine Stärken? Schau dir die Ergebnisse an. Schau dir an, wo Ferrari nach 2014 war, wie konkurrenzfähig Ferrari 2014 war und - es tut mir leid, das zu sagen - in welch miserabler Verfassung es war. Der Spirit war am Boden", erinnerte Vettel.

"Ich denke ich, dass er die Schlüsselfigur ist, die verantwortlich dafür ist, das meiste davon zurückzubringen und das Team wachsen zu lassen, sich Dinge zu öffnen, die Dinge zu verändern, die seit 20 Jahren eingefahren waren, nur weil sie eben immer so waren. Er hat einen sehr innovativen und kreativen Weg zu denken. Deshalb halte ich ihn für den richtigen Mann, er ist ein sehr starker Leader", schwärmt Vettel.

Das sehe im Team so ziemlich jeder genauso - auch Sergio Marchionne. Vettel: "Er genießt großen Respekt - ich weiß, dass er von allen sehr respektiert wird. Egal auf welchen Level du da in der Hierarchie des Unternehmens schaust. Also bin ich ein absoluter Fan." Das wichtigste Argument pro Arrivabene seien aber schlicht die Ergebnisse. "Klar hätten wir es dieses Jahr gerne noch etwas anders gehabt, besonders zum Ende hin. Aber diese Dinge passieren. Wir wachsen ja noch und wir sind noch immer auf dieser Reise. Natürlich sind die Erwartungen immer hoch. Aber wohin wir gekommen sind - von 2015 zu 2016, besonders durch 2016 und dann für 2017 ... Die Dinge laufen in die richtige Richtung. Und er ist eine Schlüsselperson dafür", sagte Vettel.

Vettel: Jetzt wieder unglaublicher Spirit bei Ferrari

Genau deshalb sei auch die Stimmung im Team so gut - trotz Rückschlägen, trotz verpasster Titel. "Die Leute sind weiter voll am Gas", sagte Vettel. "Wir hatten ein starkes Jahr und Auto, haben aber hier und da verpasst, die Ergebnisse zu maximieren. In meinen Augen sind wir das beste Team, aber wird haben nicht das erreicht, was dieses Jahr möglich gewesen wäre. Das musst du akzeptieren. Gerade bin ich sehr leer. Aber ich weiß, dass wir einen unglaublichen Spirt haben", ergänzte Vettel am Sonntag nach dem Rennen, dankte schließlich auch noch den Tifosi. "Viele Worte finde ich gerade nicht, aber es großartig, so viel Support zu haben!"

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