Mercedes übertölpelte Ferrari gleich im ersten Rennen nach der Sommerpause: In Spa brachten die Silberpfeile bereits ihr finales Upgrade für die Power Unit. Rechtzeitig also für den Power-Kurs in Belgien und den direkt darauf folgenden in Monza. Und rechtzeitig, um eine neue Direktive der FIA zu umgehen. Diese sieht vor, dass jeder ab Monza eingeführte Motor nur noch 0,9 statt wie bisher 1,2 Liter Öl auf 100 Kilometer verbrauchen darf. Zumindest potentiell ein Vorteil im WM-Kampf. Wie groß genau dieser jedoch ausfällt bleibt im Dunkeln.

In Spa selbst jedenfalls deutete noch Nichts auf einen eklatanten Performance-Unterschied hin. Mercedes und Ferrari kämpften auf Augenhöhe, Lewis Hamilton war sogar überzeugt, Sebastian Vettel nur dank Track Position niedergerungen zu haben. Im Rennen habe Ferrari die bessere Pace gehabt. Doch schon in Monza ein völlig anderes Bild. Plötzlich fuhr Mercedes wieder der versammelten Konkurrenz um die Ohren - das weckte Erinnerungen an die Dominanz der Vorjahre.

Williams & Force India warten auf Mercedes-Upgrade

Zeichnet dafür allein die eigene Stärke Mercedes' - und damit gerade in Monza vorrangig die Motor-Power - verantwortlich? Oder war es vielmehr einzig das "Versagen" Ferraris, wie sich deren Präsident Sergio Marchionne völlig unverblümt über die Performance seines Teams ausließ? Letzteres jedenfalls glaubt Mercedes - wenngleich die Silberpfeile naturgemäß auch von ihrem Upgrade voll überzeugt sind. Das jedoch nicht wegen des Öl-Clous - dessen Effekt sei komplett übertrieben, so Motorsportchef Toto Wolff -, wohl aber wegen des grundlegenden Entwicklungsschubs, der neuen Ausbaustufe.

Eine ähnliche Einschätzung liefern die Mercedes-Kunden. Force India und Williams erhielten in Spa kein Upgrade, müssen anders als das Werksteam also auf den vermeintlichen Öl-Vorteil verzichten. Das sei jedoch kein Problem. "Wir sehen das nicht als große Sache. Die aktuellste Power Unit ist locker im neuen Limit der FIA für den Ölverbrauch und wir bekommen nach der Kürzung des Ölverbrauchs weiter dieselbe Hardware. Wir erwarten, dass es verträglich sein wird", sagt Technikdirektor Andy Green auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

Vielmehr hätte sich Force India schlicht wegen der jüngst gefahrenen Power-Strecken aus Performance-Sicht ebenfalls das Upgrade der Power Unit schon in Spa gewünscht. Oder zumindest in Monza: Doch auch in Italien erhielten weder Williams noch Force India die neuste Generation des Mercedes-Aggregats. "Ursprünglich wurde uns gesagt, dass wir es in Spa bekommen würden. Das ist etwas enttäuschend. Aber ich denke wir können ziemlich happy sein, dass wir ohne Strafen bis hier hingekommen sind", sagt Green angesichts der Strafen-Flut in Monza quer durch das Feld.

Übersicht der genutzten PU-Komponenten der Mercedes-Teams

Fett = am/über dem Limit

ICETCMGU-HMGU-KESCE
Mercedes
Lewis Hamilton444322
Valtteri Bottas444322
Force India
Sergio Perez333222
Esteban Ocon333232
Williams
Felipe Massa333222
Lance Stroll333222

Force India trauert verpasstem Upgrade für Spa & Monza hinterher

Doch wäre eben auch bei Force India ein Upgrade noch straffrei drin gewesen. "Wir sind bei einer Power Unit weniger als das Werksteam. Sind wir damit happy? Nein. In dieser Situation wären wir lieber nicht, um ehrlich zu sein. Wir wären lieber in deren Situation", spielt der Technikchef ganz eindeutig auf das Upgrade an. "Absolut", bestätigt Green nochmals. "Das ist ein Performance-Upgrade, das wir gerne gehabt hätten." Gerade wegen Spa und Monza. "Das sind die Strecken, auf denen die Power in der ganzen Saison am meisten zählt. In diesen zwei Rennen hätten wir es sehr gerne gehabt", hadert Green. Eine gewisse Enttäuschung vermag der Brite nicht zu verbergen.

Beim kommenden Grand Prix in Singapur soll es jedoch soweit sein. Allerdings seien auch dort aktuell nicht gleich zwei, sondern nur eine neue Power Unit seitens Mercedes versprochen. Dasselbe gilt für Williams. Deren Technikchef Paddy Lowe stört sich daran jedoch kaum. "Am Ende ist das etwas, bei dem wir noch sehen müssen wie es sich auswirkt und was Sinn macht. Singapur ist nicht wirklich eine Strecke, die hoch sensibel ist, was Motorleistung betrifft. Vielleicht ist es dort nicht so wichtig, etwas zu bringen", sagt der ehemalige Mercedes-Mann.

Force India dagegen hofft auf eine Überraschung in Singapur. "Es ist immer schön, mehr PS zu haben. Sie arbeiten hart und vielleicht gibt es in Singapur ja auch zwei. Aber sie sind da noch nicht sicher", sagt Green über Mercedes. Zumal dann auch Williams der Fairness halber zwei Power Unit erhalten, Mercedes also vier statt zwei fertigstellen müsste. Doch wieso scheint es hier überhaupt ein Problem zu geben. Was steckt hinter der Verzögerung?

Darum noch kein Upgrade für Mercedes-Kunden

"Sie haben bei der Herstellung ein paar Qualitätsprobleme gehabt. Sie waren deshalb nicht sicher, uns die neuen Power Units mit einem hohen Zuverlässigkeitsstandard zu geben", berichtet Green. "Sie haben sich auch noch einmal rückversichert, ob das für uns okay ist." Offenbar war es das: Lieber zwei Rennen warten, als mit unliebsamen Defekten kämpfen zu müssen. Doch wieso sollte es diese geben? Bei Lewis Hamilton und Valtteri Bottas traten immerhin keine Probleme auf - weder in Monza noch Spa.

"Sie waren eben in der Lage, zwei oder vielleicht noch einen mehr zum richtigen Zeitpunkt und Standard fertig zu bekommen - auch mit den Inspektionen. Dabei kannst du sehen, ob es ein guter oder schlechter (Motor, Anm. d. Red.) ist. Wenn es ein schlechter ist, dann würden sie ihn uns nicht geben. Das machen sie alles für uns", zollt Green Mercedes Respekt dafür, ein wirklich solides Produkt, keine Schnellschüsse zu liefern.

Noch dazu impliziert ein späteres Update auch Vorteile, wie Toto Wolff darlegt. Mercedes habe das Upgrade in dem Wissen um das Risiko gebracht, danach noch sehr viele Rennen bis Saisonende damit absolvieren zu müssen. "Zweitens fehlt es dir an weiteren Entwicklungen. Je länger du wartest, den letzten Motor einzuführen, desto mehr kannst du dem Upgrade vielleicht noch hinzufügen", erklärt Wolff. Fraglich jedoch, ob Mercedes nun einzig für die Kunden hier weiter feilt, zumal man sich offensichtlich ohne bereits im Produktions-, nicht Entwicklungsprozess der Aggregaten befindet.

Erklärt: So funktioniert die Mercedes-Power Unit 2017 (03:50 Min.)

Force India weiter voll überzeugt von Mercedes

Unabhängig davon und der kleinen Enttäuschung über die Verzögerungen ändert sich auf deren Seite ohne nichts an der Wertschätzung Mercedes' als Partner. Zwar würden die verschiedenen Hersteller in der Formel 1 aus Performance-Sicht immer enger zusammenrücken, sodass jedes Upgrade zunehmend wichtig werde. Aber: "Mercedes hat einen großartigen Job gemacht mit Zuverlässigkeit. Aus der Perspektive reicht nichts an sie heran. Uns erwarten keine Strafen in der nahen Zukunft. Deshalb würde ich es nicht überdenken", kommentiert Green Fragen nach der Motoren-Zukunft Force Indias.

Doch aus unter dem Gesichtspunkt Performance handele es sich bei der Mercedes-PU natürlich weiter um eine der Besten im Feld, so Green. "Aber der Wettbewerb ist jetzt schon recht eng", sagt Green. Umso wichtiger wäre es, den berüchtigten Super-Power-Modus Mercedes' im Q3 auch als Kunde nutzen zu können. Immer wieder heißt es im Fahrerlager, nur Mercedes selbst sei dazu in der Lage. Dem erteilt Green jedoch eine Absage. "Wir haben die gleichen Modi wie Mercedes. Wir sollten also in der Lage sein, dieselbe Menge Power abzurufen", sagt der Technische Direktor.

Den Eindruck, nur Mercedes verfüge über diesen Vorteil führt Green auf einen einfachen Grund zurück. "Vielleicht machen sie es so: Sie rufen die Extra-Power bis Q3 gar nicht ab während wir sie schon zum Start des Qualifyings generell abrufen, weil wir sie schon da brauchen. Vielleicht könnten wir es bis Q2 verschieben, denn da sind wir komfortabel drin und so den Motor schonen. Wenn du es bis ins Q3 verzögern könntest würden wir das auch tun", sagt Green. In genau dieser Situation befinde sich Mercedes. Heißt im Klartext: Das Mercedes-Chassis sei schlicht gut genug, um selbst mit Standard-Einstellung locker in Q3 einzuziehen.