Ekstase in Rot! Wenn die Formel 1 in Monza Station macht, herrscht für drei Tage Ausnahmezustand im königlichen Park. Zum Heimspiel Ferraris verwandeln sich die Tribünen in ein Meer aus Fahnen, die Tifosi machen Monza zu einem Tollhaus. 2017 könnte dies sogar noch extremer werden als in der jüngsten Vergangenheit. Sebastian Vettel reist als WM-Führender an, Ferrari ist auf Augenhöhe mit Mercedes. Gibt es den ersten Heimsieg seit 2010? Motorsport-Magazin.com liefert die Favoritenvorschau für den Italien GP.

Das Autodromo Nazionale di Monza gehört zu den schnellsten Rennstrecken im Kalender. Bei der reinen Höchstgeschwindigkeit machen Baku und Mexiko dem Klassiker in Italien zwar inzwischen Konkurrenz. Doch während auf diesen Strecken dennoch auch Abtrieb gefragt ist, schrauben die Teams in Monza die flachsten Flügel an ihre Autos. Bloß kein Widerstand zu viel! 79 Prozent der Rundendistanz werden Vollgas gefahren. Wer einen schwachen Motor hat, ist in Monza absolut chancenlos. Kein Wunder, dass Mercedes seit 2014 die Rennen dominierte.

Und auch in dieser Saison haben die Silberpfeile immer noch das stärkste Aggregat, zumindest im Qualifying. Ferrari aber hat enorme Fortschritte erzielt und muss sich inzwischen kaum noch verstecken. Vor dem Italien GP gab es aber Aufregung. Da Mercedes bereits in Belgien eine neue Ausbaustufe für die Power Unit brachte, darf der Verbrennungsmotor weiterhin 1,2 Liter Öl auf 100 Kilometern verbrauchen. Die Scuderia jedoch muss sich an die neu-eingeführte Grenze von 0,9 Litern halten, sollte das nächste Update in Monza kommen.

Mercedes brachte in Spa bereits das Motoren-Update, Foto: Sutton
Mercedes brachte in Spa bereits das Motoren-Update, Foto: Sutton

Mit dieser Grenze sollten die Spielereien der Teams mit dem Schmiermittel unterbunden werden, denn sowohl Ferrari, als auch Mercedes stehen unter dem Verdacht, zur Leistungssteigerung auch Öl zu verbrennen. Die FIA gab als Vorgabe den Italien GP an, da damit gerechnet wurde, dass alle Hersteller zu diesem Wochenende eine neue Ausbaustufe ihrer Power Units bringen. Mercedes aber setzte sie bereits früher ein und schlug besonders Ferrari damit ein Schnippchen. Wie groß dieser Nachteil jetzt tatsächlich sein würde, lässt sich nicht genau sagen.

Deutlicher Ferrari-Schritt nach Silverstone

Deutlich klarer lässt sich evaluieren, dass Ferrari in den vergangenen Wochen einen großen Schritt im Gesamtpaket gemacht hat. In Silverstone noch waren die Italiener chancenlos gegen die dominierenden Mercedes-Piloten, in Spa jedoch - auf einer charakteristisch sehr ähnlichen Strecke mit viel Highspeed und vielen sehr schnellen Kurven - war Ferrari im Rennen eigentlich schneller.

"Es war ein hartes Duell gegen Ferrari und obwohl wir uns durchgesetzt haben, gelang uns dies nur ganz knapp. So einen engen Kampf können wir in diesem Jahr bei jedem Rennen erwarten. Es wird keine Rennen geben, die einen Spaziergang darstellen, und wir sind bereit für diesen epischen Kampf bis zur Ziellinie in Abu Dhabi", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Wenngleich Mercedes auch dieser Kurs entgegenkommen sollte, weiß der Österreicher, dass die Strecke auch gewisse Stärken des Ferrari-Paketes zum Vorschein bringen wird. "Sie belohnt niedrigen Luftwiderstand und Spitzenleistung - beides zählt zu den Stärken unseres Pakets. In den Schikanen sind aber auch die Bremsstabilität und Grip in langsameren Kurven entscheidend. In diesen Bereichen hatte Ferrari einen Vorteil. Das Team, das den besten Gesamtkompromiss findet, wird die Nase vorne haben", ist er überzeugt.

Vettel klebte Hamilton in Spa im Heck, Foto: Sutton
Vettel klebte Hamilton in Spa im Heck, Foto: Sutton

Sebastian Vettel jedenfalls ist von der Stärke seines Ferraris überzeugt. "Wenn wir das mit Silverstone vergleichen, war das ein Unterschied wie Tag und Nacht", konnte er der knappen Niederlage in Spa doch noch etwas Gutes abgewinnen. Und schickt gleich voller Selbstbewusstsein hinterher: "Ich denke, es gibt ab jetzt keine Rennstrecke mehr, vor der wir Angst haben müssen."

Bottas schon die Nummer zwei?

Nochmal zurück zum Thema Kompromiss. Diesen muss Mercedes auch in der Frage der Teamorder finden. Nach dem Belgien GP, den Valtteri Bottas nur auf Rang fünf beendete, wurde Niki Lauda erstmals sehr deutlich. "Ganz klar ist, dass Lewis der absolute Favorit ist für die Fahrer-WM mit sieben Punkten Rückstand. Da werden wir sicher nichts machen, wo er Punkte verliert", sagte der Mercedes-Aufsichtsratschef bei RTL. Hintergrund: Im WM-Kampf gegen Ferrari, wo Vettel auf die Schützenhilfe von Kimi Räikkönen bauen kann, droht Mercedes bei der Beibehaltung der freien Fahrt Punkte wegzuschmeißen.

Aktuell hat Lewis Hamilton einen deutlichen Vorsprung von 34 Punkten auf seinen finnischen Teamkollegen. Die Tendenz, dass sich Mercedes nun allmählich Richtung des Briten orientiert, ist gegeben. Auch wenn Bottas das wenig überraschend (noch) anders sieht. "Natürlich verstehe ich, wenn das Team an einem Punkt auf die Weltmeisterschaft abzielt und sicherstellen möchte, dass zumindest einer der Jungs gewinnt. Aber dafür ist es noch ein bisschen früh. Wir müssen von Rennen zu Rennen schauen und jedes Mal gibt es eine neue Situation", sagte er nach dem Rennen in Spa.

Überraschung in Pink?

Während Ferrari und Mercedes den Sieg wohl erneut unter sich ausmachen werden, könnte es dahinter zu einer Neusortierung des Feldes kommen. Red Bull wird mit dem Renault-Motor extreme Probleme bekommen, Max Verstappen muss wohl eine Strafe in Kauf nehmen und damit ohnehin von weit hinten starten. Die Chance für Force India? Sollten sich Sergio Perez und Esteban Ocon tatsächlich mal zusammenreißen können, ist mit ein wenig Glück vielleicht das erste Podium der Saison möglich - sollte es bei den Top-4 Probleme geben.

Denn mit dem Mercedes-Motor im Heck verfügt Force India schon einmal über eine sehr gute Grundvoraussetzung, in Monza erfolgreich zu sein. Beim Highspeed-Rennen in Kanada belegten Perez und Ocon Rang fünf und sechs, obwohl vermutlich bei mehr Einigkeit mehr drin gewesen wäre. Und in Baku kollidierten beide, Ocon holte immerhin erneut Platz sechs. Haben die Worte des Teams Wirkung hinterlassen - Stichwort: Rennsperre - sollte Force India in Monza die Nummer drei sein.