Eng ging es zu beim ersten Wiedersehen der Formel 1 nach der Sommerpause. Zweieinhalb Zehntelsekunden umrundete Lewis Hamilton den längsten Kurs des Jahres schneller als Kimi Räikkönen. Valtteri Bottas sicherte sich beim Auftakt zum Belgien GP die drittbeste Zeit, gefolgt von Max Verstappen. Selbst der Red Bull verlor in Spa auf einer Runde nur moderate 0,47 Sekunden.

Bleibt es trocken, machen Ferrari und Mercedes den Rennsieg auf der Ardennenachterbahn aber unter sich aus. Aber wer hat die besseren Karten? Vor dem Wochenende war Mercedes der klare Favorit. Der Silberpfeil zeigte schon in Silverstone, dass er auf schnellen Kursen das Maß der Dinge ist. Ferrari hat zwar mehr absoluten Abtrieb, erkauft den aber mit Luftwiderstand. So war Vettel im Scheitelpunkt von Copse deutlich schneller, verlor aber auf der Geraden wieder. Auf langsamen Kurven funktioniert dagegen der Ferrari besser.

Vorsprung geschrumpft

In Spa sieht der Vorsprung von Mercedes kleiner aus. Ferrari hat einen neuen Diffusor und neue Teile an der Vorderachse gebracht - die Änderungen scheinen sich auszuzahlen. Trotzdem sind die Mercedes am Ende der langen Kemmel-Geraden noch rund fünf Stundenkilometer schneller - wohl auch dank des neuen Motors, der in Spa Premiere feiert. Von Verbrennungsmotor, Turbolader und MGU-H hat Mercedes eine neue Spezifikation gebracht. Die Ingenieure zeigten sich zufrieden mit dem Schritt.

Und auch die Bestzeit ging auf Hamiltons Konto. "Der heutige Tag fühlte sich wie einer unserer stärksten Freitage in dieser Saison an", jubelte Hamilton. "Die Fahrer sind mit dem Auto auf einer Runde relativ happy", fügt Andrew Shovlin, Mercedes' leitender Streckeningenieur, an. Und das ist der erste Knackpunkt: bei der Longrun-Pace sieht es etwas anders aus. Vettel machte auf seiner schnellsten Runde Fehler, zeigte nicht das wahre Potential des SF70H. "Ich habe den Rhythmus noch nicht gefunden", so Vettel.

Den fand er dann schließlich bei den Longruns - die allerdings wegen des Regens am Nachmittag deutlich kürzer ausfielen. Im Schnitt fuhr Vettel den mit Abstand schnellsten Longrun. Er kam auf 14 Runden alten Ultrasofts auf einen Schnitt von 1:49,975 Minuten. Hamilton kam auf zwei Runden frischeren Ultrasofts auf 1:50,575 Minuten. Viel langsamer war Max Verstappen im Red Bull auch hier nicht: er umrundete den Kurs im Schnitt in 1:50,876 Minuten.

Fahrer Longrun-Länge Reifen Reifen-Alter Zeit
Sebastian Vettel 5 Ultrasoft 14 1:49,975
Lewis Hamilton 5 Ultrasoft 12 1:50,575
Max Verstappen 6 Ultrasoft 11 1:50,876
Valtteri Bottas 3 Supersoft 8 1:50,793
Kimi Räikkönen 7 Soft 17 1:51,062

Enge Spitze in Spa

Aus Zeitmangel mussten sich die Teams die Arbeit aufteilen. Nur Vettel und Hamilton fuhren Ultrasoft, Räikkönen experimentierte auf Soft, Bottas auf Supersoft. Der Mercedes-Pilot fuhr im Schnitt 1:50,793 Minuten, sein Ferrari-Pendant 1:51,062 Minuten. "An der Spitze geht es bei der Long-Run-Pace eng zu", bilanziert Hamilton.

Entscheidender als die pure Longrun-Pace könnte aber ein anderer Faktor sein: Ferrari war zwar auf dem Ultrasoft-Reifen nah an Mercedes dran, nicht aber auf dem Soft-Pneu. Die Delta-Zeit zwischen Ultrasoft und Soft ist bei Mercedes deutlich kleiner als bei allen anderen Teams.

Hamilton softer unterwegs

Nur acht Zehntel fuhr Hamilton auf Soft langsamer als auf Ultrasoft. Dabei soll das Delta laut Pirelli bei ungefähr dem doppelten Wert liegen. Hamilton hatte als einziger der Top-Piloten vier Sätze Soft und konnte die Mischung deshalb zweimal fahren. Red Bull hat für beide Fahrer nur einen Satz und fuhr keine einzige Runde auf Soft. Die schnellste Ferrari-Runde auf der gelben Mischung liegt bei 1:47,049 Minuten, gefahren von Kimi Räikkönen im 2. Freien Training. Das ist rund 1,5 Sekunden langsamer als Lewis Hamilton zur gleichen Zeit auf derselben Mischung fuhr.

Der Soft-Reifen ist zwar nicht besonders relevant für das Qualifying, dafür könnte er es aber im Rennen werden. Pirelli schließt eine Einstopp-Strategie nicht aus. Dabei würde wohl der Soft-Reifen zum Einsatz kommen. Mit Supersoft wird eine Einstopp-Strategie schwierig bis unmöglich. Weil sich die Makrorauheit des belgischen Asphalts extremer entwickelt hat, als von Pirelli zuvor angenommen, ist der Verschleiß auch etwas höher.

Ein interessanter Faktor könnte auch das Q2 sein. Alle drei Top-Teams sollten es schaffen, auf Supersoft ins finale Qualifikations-Segment einzuziehen. Somit könnten die Ultrasofts im Rennen gar nicht zum Einsatz kommen. Das würde eine Einstopp-Strategie wahrscheinlicher machen - und damit Mercedes' Geheimwaffe, den Soft-Reifen, auch wertvoller.