Bei Mercedes gab es am Samstagnachmittag zwei Lager - zumindest was die Stimmung anging. Lewis Hamilton holte sich im Qualifying zum Großbritannien GP in Silverstone überlegen seine 67. Karriere-Pole. 0,547 Sekunden fehlten Kimi Räikkönen auf Rang zwei schon auf Hamilton. Doch Valtteri Bottas landete nur auf Platz vier. Wegen eines Getriebewechsels muss er von Platz neun aus ins Rennen gehen.

Die gute Nachricht: Nach zwei unplanmäßigen Getriebewechseln in zwei Rennen sollte Mercedes nun auf der sicheren Seite sein. Sowohl Hamilton, als auch Bottas fahren nun mit einer neuen Spezifikation. "Bei Lewis war es klar, dass das Getriebe Österreich nicht überleben würde, deshalb haben wir bei ihm dort schon gewechselt", erklärt Toto Wolff. "Bei Valtteri hat die Analyse ergeben, dass man noch warten kann."

Keine Getriebe-Probleme mehr

Die Getriebe wurden beide in Baku beschädigt, doch äußere Einflüsse seien dafür nicht ausschlaggebend gewesen, so Wolff. Mercedes überarbeitete Lager im Getriebe, bei der neuen Spezifikation soll es keine Probleme mehr geben. "Auf die Performance sollte das kaum einen Einfluss haben, die Getriebe sind schon sehr ausgereizt", beruhigt Wolff.

Gleiches Auto, gleiche Getriebe - warum ließ sich Bottas im Qualifying eine dreiviertel Sekunde von Hamilton aufbrummen? Obwohl es am Freitag für Bottas sogar besser lief als für Hamilton. "Deshalb bin ich sehr enttäuscht, ich hatte die Pole anvisiert", sagt Bottas. "Platz neun ist alles andere als ideal, der Abstand nach vorne ist viel zu groß, aber ich weiß, dass er kleiner sein kann."

Bottas mit Problemen

Bottas hatte bei den kalten Bedingungen Probleme, die Reifen ins optimale Fenster zu bekommen. Dazu verbremste er sich auf seinem letzten Versuch in Kurve drei. "Das hat Lewis besser hinbekommen", gesteht der Finne. "Die Balance im Auto war gut, ich habe einfach nicht genügend Grip aus den Reifen herausbekommen."

Allerdings hat Bottas eine plausible Entschuldigung dafür: Er fuhr in Q2 mit den Soft-Reifen, um am Start einen strategischen Vorteil zu haben. Deshalb konnte er sich nicht auf den Supersoft einschießen. Hamilton erging es in Österreich genauso, auch er brachte es anschließend in Q3 nicht ganz zusammen. "Ich hatte deshalb den Unterschied bei diesen Bedingungen zwischen Soft und Supersoft falsch eingeschätzt."

Regen ein Segen für Hamilton

Lewis Hamilton durfte sich bei seinem Heim GP genau über das Gegenteil freuen. "Der Regen in Q1 war ein Segen", so der Brite. Weil die Fahrbahn nass war, gingen fast alle Piloten nur auf Intermediates auf Zeitenjagd. Erst in Q2 herrschte wieder klares Slick-Wetter. Dadurch sparte sich Hamilton einen Satz Supersoft in Q1, den er in Q2 für ein zusätzliches Einschießen für Q3 nutzen konnte. "Dadurch war es ein schönes, konstantes Aufbauen."

Das Aufbauen gipfelte einmal mehr in einem neuen Rundenrekord und einem enormen Vorsprung. "Die letzte Runde hat sich fantastisch angefühlt, aber natürlich habe ich nicht einen so großen Vorsprung erwartet. Das ist aber das Ziel!"

Top-10: Die besten Qualifyer aller Zeiten

FahrerPole PositionsGrands Prix
1.Michael Schumacher68 306
2.Lewis Hamilton67 197
3.Ayrton Senna65 161
4.Sebastian Vettel47 187
5.Jim Clark33 72
5.Alain Prost33 199
7.Nigel Mansell32 187
8.Nico Rosberg30 206
9.Juan Manuel Fangio29 51
10.Mika Häkkinen26 161

Copse nicht mit Vollgas

Erstaunlich: Auf seiner Pole-Runde fuhr Hamilton in Copse noch nicht einmal Vollgas. "Das würde Zeit kosten, weil die Reibung in der Kurve hoch ist und dann die Drehzahl im achten Gang sinken würde. Also fahre ich im siebten Gang, nicht ganz Vollgas und bin dafür am Ausgang schneller." Daniel Ricciardo scherzt: "Dann war seine Runde vielleicht doch nicht so gut, wenn er Copse nicht Vollgas nimmt." Trotzdem oder gerade deshalb reichte es bekanntlich locker zur Pole

Dabei sah es am Freitag noch gar nicht so perfekt aus für den dreifachen Weltmeister. "Wir haben mit den Ingenieuren sehr hart gearbeitet und einen fantastischen Job gemacht, um das Setup herauszuarbeiten, das ich brauche", freut sich Hamilton. Wolff erklärt: "Zuvor waren wir nur in schnellen oder nur in langsamen Kurven gut. Jetzt im Qualifying waren wir überall schnell."

Angst vor der Distanz

Doch Wolff fürchtet die Renndistanz. Seit geraumer Zeit scheint Mercedes aber auch dort den Schlüssel gefunden zu haben, Ferraris Vorteil scheint eliminiert. Und der Freitag lief für Hamilton und Bottas auch dahingehend gut. "Die Longruns sahen großartig aus, ich muss also sicherstellen, dass ich es für die Jungs klarmache."

Trotz Startplatz neun sind auch die Ziele von Bottas ambitioniert. "Ich will aufs Podium", sagt der Finne ganz klar. "Ich habe hier das beste Auto und auch die Longruns waren gut. Dazu starte ich auf den Soft-Reifen, was im Rennen Möglichkeiten schaffen kann." Der Joker der härteren Reifen am Start kann in Silverstone tatsächlich ein größerer Vorteil sein als noch in Österreich. Im Gegensatz zum Red Bull Ring fordert der Silverstone Circuit das schwarze Gold extrem, es gibt seit langer Zeit wieder richtigen Reifenabbau.

Bottas scherzt über Start

Und dann hat Bottas noch den Start-Joker. Allerdings will er an diesem Wochenende etwas vorsichtiger zu Werke gehen. "Ich habe mir soeben den GP2-Start angesehen und da gingen die Lichter sehr schnell aus. Scheinbar bringen sie jetzt eine etwas größere Variation rein", scherzte Bottas. "Aber natürlich muss ich das Maximale am Start herausholen, um nicht hinter einem Auto festzuhängen."

Der WM-Geheimfavorit hofft deshalb auf Regen: "Wir haben das schnellste Auto, da muss ich nur auf der Strecke bleiben und Geduld haben. Die Möglichkeiten werden sicher kommen, ich muss nur darauf warten."