Das epische Duell zwischen Mercedes und Ferrari hat seit dem Rammstoß-Skandal von Baku eine neue Dimension erreicht. Der bislang so hochgelobte gegenseitige Respekt zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel dürfte zumindest angeknackst sein. Auch zwischen Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen knistert es mächtig. Nicht zuletzt stehen die Silberpfeile vor der kniffligen Aufgabe, ihre Vormachtstellung in Österreich zu verteidigen.

1. - Vettel gegen Hamilton

In Spielberg treffen sich die Rivalen der Rennstrecke erstmals seit dem Baku-Vorfall und Vettels Nicht-Bestrafung wieder auf und abseits der Strecke. Man darf gespannt sein, ob Lewis Hamilton die gleichen versöhnlichen Töne anschlägt wie die Führungsetage der Silberpfeile. Der Brite hatte nach dem Baku-Rennen heftig gegen Vettel gefeuert, ihn unter anderem als schlechtes Vorbild für die Jugend bezeichnet.

Akzeptiert er die Entscheidung der FIA, Vettel nachträglich nicht zu bestrafen? Wird sich Vettel auch bei Hamilton persönlich für seinen Rammstoß beim Aserbaidschan GP entschuldigen? Der Mercedes-Pilot streute zusätzlich Salz in die Wunde, als er meinte, dass Rennfahrer unter Druck ihr wahres Gesicht offenbaren würden.

Da kommt Spielberg gerade recht, um Hamilton im psychologischen Duell einen weiteren Vorteil zu verschaffen. Der Red Bull Ring war bislang ein gutes Pflaster für den dreifachen Weltmeister. 2016 gewann Hamilton den Österreich Grand Prix trotz der Kollision mit Nico Rosberg. In beiden Vorjahren wurde er jeweils Zweiter hinter dem zurückgetretenen Champion. Im Qualifying war Hamilton eine Macht in Spielberg, zwei Poles bei drei Auftritten gingen auf seine Kappe.

Ganz anders lief es bei Vettel. 2016 warf ihn ein Reifenschaden aus dem Rennen. 2015 patzte Ferrari beim Reifenwechsel, was den Heppenheimer den dritten Platz auf dem Podest kostete. 2014 war es noch ärger, damals noch in Diensten von Red Bull. Nach einem schwachen Qualifying sorgten zwischenzeitliche Motorenprobleme im Rennen dafür, dass Vettel sogar überrundet wurde. Frustriert stellte er sein Auto vorzeitig ab.

Statistik: Mercedes in Österreich

SiegePolesSchn. RundenPodiumPunktekm geführt
Mercedes3225123731
Lewis Hamilton121361108
Valtteri Bottas00012713

2. - Bottas gegen Räikkönen

"Es kann doch nicht schon wieder derselbe Typ sein", funkte Kimi Räikkönen verärgert in Baku in Richtung des Ferrari-Kommandostandes, nachdem er von Valtteri Bottas getroffen worden war. Es war nach Russland 2015, Mexiko 2015 und Spanien 2017 das vierte Mal, dass die beiden Finnen sich gegenseitig abschossen. Waren die Vorfälle früher weniger dramatisch, tun die beiden dieses Jahr einiges dafür, in ihren jeweiligen Teams die Rolle der Nummer 2 zu übernehmen...

Wobei es Bottas zuletzt geschickt gelang, Hamiltons Schwächephasen ausnutzen. Auf den Stadtkursen von Monaco und Baku war der Mercedes-Neuzugang trotz eigener Probleme zur Stelle und machte Boden gut auf Hamilton. Die anfängliche Überlegenheit des Briten ist Vergangenheit. In der WM-Wertung trennen die beiden nur noch 28 Punkte. Sollte es Bottas gelingen, Hamilton einzuholen, droht Ärger bei den Silberpfeilen.

Anders Räikkönen: Der frühere Weltmeister ist Teamkollege Vettel seit dem Saisonbeginn deutlich unterlegen. In keinem der bislang acht Rennen holte er mehr Punkte als der Deutsche. Wobei es in Monaco durchaus anders hätte aussehen können, wäre da nicht die Ferrari-Strategie gewesen...

Was Räikkönen zusätzlich schmerzen dürfte: In der Gesamtwertung ist er hinter Podest-Hamster Daniel Ricciardo auf den fünften Platz zurückgefallen. 73 Punkte holte Kimi erst - weniger als halb so viele wie Vettel, der die WM weiter anführt. Der Titel-Traum dürfte sich für Räikkönen bereits erledigt haben. Ziel muss es nun sein, zumindest Bottas einzuholen.

In Spielberg dürfte das kein einfaches Unterfangen werden. Der Red Bull Ring galt als eine von Bottas' Paradestrecken. 2014 fuhr er im Williams aufs Podest, 2015 und 2016 holte er ebenfalls gute Punkte oder zeigte das Potenzial für mehr. Williams war in Spielberg traditionell stark, doch mit dem Mercedes hat Bottas eine noch stärkere Waffe für den Achterbahn-Kurs parat. Aber auch Kimi kann Spielberg. Im vergangenen Jahr wurde er Dritter und 2003 auf dem damaligen A1-Ring Zweiter im McLaren.

Statistik: Ferrari in Österreich

SiegePolesSchn. RundenPodiumPunktekm geführt
Ferrari57421180,51818
Sebastian Vettel00001222
Kimi Räikkönen00022735

3. - Mercedes gegen Ferrari

Während zwischen den Fahrern die Fetzen fliegen, bleiben die jeweiligen Führungsetagen von Mercedes und Ferrari äußerlich gelassen. Seitens der Italiener ist dank der neuen Kommunikationspolitik ohnehin nicht viel zu hören...

Umso mehr versuchte auf der Gegenseite Toto Wolff, das noch gute Verhältnis der beiden Top-Teams hervorzuheben. "Es herrscht großer Respekt zwischen Mercedes und Ferrari, zwei legendären Motorsportmarken - nicht nur wegen der Herausforderung auf der Strecke, sondern auch, weil wir ein gemeinsames Ziel verfolgen: Wir wollen die Formel 1 gedeihen sehen", wurde der Motorsportchef in einer Mercedes-Pressemitteilung zitiert.

Mercedes kann relativ gelassen nach Spielberg reisen. Seit der Rückkehr der Formel 1 nach Österreich haben die Silberpfeile alle drei Rennen gewonnen, zwei davon Doppelsiege. Aktuell wichtiger ist aber, dass das Team die Reifen-Probleme aus Monaco offenbar verstanden hat. In Kanada deklassierten Hamilton und Bottas die Konkurrenz und in Baku hätte der Brite ohne die Probleme mit der Kopfstütze locker gewonnen.

Spielberg lag dem Mercedes-Silberpfeil der Vergangenheit und auch die aktuelle Generation gilt als Favorit auf den Sieg. Wolff vor seinem persönlichen Heimspiel: "Beim Verständnis wie wir die Leistung aus unserem Auto herausholen können, haben wir seit Monaco Fortschritte gemacht. Es ist immer noch schwierig, es auf den Punkt hinzubekommen. Aber es gelingt uns regelmäßiger."

Das 2016 neu aufgelegte Asphaltband auf dem Red Bull Ring kam Mercedes im vergangenen Jahr entgegen. Die Strecke bot wesentlich mehr Grip als zuvor, das könnte den Silberpfeilen auch dieses Jahr wieder in die Karten spielen. Doch aufgepasst: Mercedes selbst bezeichnete den Rennwagen mehrfach als Diva, nachdem sich die Performances zwischen Hamilton und Bottas mehrfach stark unterschieden.

Was theoretisch besser zu Ferrari passen würde, ist überhaupt nicht der Fall. Den Ingenieuren in Maranello ist es gelungen, einen echten Allrounder zu bauen. Mit Reifenproblemen plagten sich Vettel und Räikkönen bislang nicht herum. Einfach ausgerückt gilt: Der Mercedes hat im Grenzbereich mehr Potenzial, Ferrari dafür keine erkennbaren Schwächen.