Mit gewaltigen Vorschusslorbeeren war Stoffel Vandoorne mit McLaren in die Formel-1-Saison 2017 gestartet. Ein Jahr lang hatte das Traditionsteam den Belgier nach einem GP2-Titel 2015, so souverän und dominant erzielt wie es keinem Fahrer zuvor gelang, auf seinen F1-Einstieg vorbereitet. In der japanischen Super Formula schoss sich Vandoorne 2016 auf schnelle Kurvenspeeds ein, wurde in seinem ersten und einzigen Jahr gleich Gesamtvierter. Beim Bahrain GP der F1 ersetzte er zudem den verletzten Fernando Alonso, punktete gleich bei seinem kurzzeitigen F1-Debüt sofort.

Kurzum: Vandoorne galt als der große McLaren-Hoffnungsträger schlechthin. Immerhin steckten die Platzhirsche Fernando Alonso und Jenson Button längst auf der Zielgeraden ihrer Karriere. Button hat den F1-Helm inzwischen an den Nagel gehängt - ein kurzfristiges Comeback in Monaco für Indy-Held Alonso ausgenommen -, stattdessen sitzt nun jenes vermeintliche Supertalent in seinem Cockpit. Doch kaum hatte die erste volle F1-Saison des Stoffel Vandoorne begonnen, hielt plötzlich große Enttäuschung Einzug.

Wie Alonso Vandoorne zerstört

Nicht im Ansatz wurde der mit 25 Jahren älteste und am höchsten eingeschätzte Rookie im Feld den gewaltigen Erwartungen gerecht. In sämtlichen Qualifyings der Saison verpasste Vandoorne den Einzug in das Q2. Nur in Monaco nicht - dort erreichte der Belgier sogar Q3, konnte wegen eines Crashs Ende Q2 allerdings nicht mehr eingreifen, sodass er das Qualifying-Duell gegen Alonso-Ersatz Button sogar auch noch verlor. Auch noch, weil Vandoorne bislang nicht einen Punktsieg gegen seinen Standard-Teamkollegen Alonso erzielen konnte.

Der Asturier verpasste das Q2 gar nur einmal (Aserbaidschan), schaffte in Spanien sogar die Q3-Sensation - dort wurde Vandoorne Vorletzter. Im Schnitt fehlen 0,602 Sekunden auf Alonso. Ein schlechtere teaminterne Bilanz weisen nur Lance Stroll und Jolyon Palmer auf. Trend nach oben? Nicht ersichtlich, aber immerhin auch nicht nach unten. In den Rennen dagegen fällt ein Vergleich schwerer. Nur selten erreichten beide McLaren 2017 angesichts der neuerlichen Honda-Krise gleichzeitig das Ziel - wenn überhaupt. Genauer gesagt gab es nur ein Rennen, das sowohl Vandoorne als auch Alonso beendeten. Den zurückliegenden Grand Prix in Aserbaidschan.

Alonso sammelte als Neunter die ersten WM-Punkte der Saison für McLaren-Honda, Vandoorne musste sich nach einem Reifenschaden mit P12 abfinden - knapp hinter den beiden Sauber. Mit etwas mehr Rennglück wäre zumindest ein Punkt drin gewesen - und ein deutlich geringerer Rückstand als 30 Sekunden auf den Teamkollegen. Insgesamt fällt aber durchaus auf: Bis die McLaren ausfallen ist es in der Regel Alonso, der weiter vorne fährt.

Das, gepaart mit der regelmäßigen Abreibung durch Alonso im Qualifying, lässt Vandoorne bei näherem Hinsehen insgesamt alles andere als gut aussehen. Rookie hin oder her - bei diesem Hintergrund, diesen Vorschusslorbeeren war einfach mehr erwartet worden. Angesichts der Form McLarens und insbesondere Hondas aber sicherlich eine alles andere als dramatische Lage, ist doch ohnehin nichts zu holen. Dennoch nimmt McLaren die Situation sehr ernst, versucht Vandoore zu fördern so gut es geht.

Boullier: Vandoornes Selbstvertrauen hat gelitten

"Wir gehen das jetzt seit einigen Rennwochenenden sehr ernsthaft mit einer Arbeitsgruppe rund um ihn herum an - vor allem seine Ingenieure, aber auch ein paar andere, um dem zu begnen und sein Selbstvertrauen zurückzubekommen", berichtet Eric Boullier.

Selbstvertrauen? Vandoorne also schon halb gebrochen nach nur einer halben Saison? Was ist da los mit dem vermeintlichen Supertalent? "Er hatte seit Beginn der Saison jede Menge Probleme an seinem Auto. Nicht nur der Motor, sondern auch das Auto. Viele kleine Rückschläge, die ihn davon abgehalten haben, komplette Runs während der Trainings und diversen Qualifyings zu fahren", erklärt der McLaren-Renndirektor. Durchaus plausibel, betrachtet man nur, wie sich gerade Honda 2017 präsentiert.

Alonso & Vandoorne: Perfektes Duo für 2017?: (02:30 Min.)

Für einen Rookie ist die resultierend verpasste Streckenzeit Gift pur - gerade ein extrem erfahrener Pilot wie Teamkollege Alonso kann und muss das mit all seinem Wissen selbstredend deutlich besser kompensieren. Noch dazu handelt es sich bei Alonso um einer der am meisten geschätzten Piloten im Feld überhaupt. Kein Wunder also, dass er Vandoorne so deutlich beherrscht.

In der Öffentlichkeit gesteht sich Vandoorne selbst derlei Probleme nicht ein, würde er damit doch nur selbst seinem Ansehen schaden. Im Gegenteil. "Druck habe ich bisher keinen. Ich weiß, dass ich liefern kann", sagte Vandoorne etwa vor dem Kanada GP. "Ich hatte auch in den Juniorserien schwierige Zeiten. Dort ist es natürlich anders als in der Formel 1, aber ich bin zuversichtlich, dass ich die Leistung bringen kann, sobald wir alle Probleme überwunden haben."

Die üblichen Rookie-Probleme für Vandoorne?

Dennoch nagt die Situation ganz offensichtlich an dem Belgier. "Ich denke sein Level an Selbstvertrauen ist daraufhin etwas nach unten gegangen - deshalb war er im Qualifying ein paar mal nicht in der Lage, in der ersten Runde abzuliefern und das hat ihm Q2 gekostet, weil es dann eine gelbe Flagge oder sonst etwas gab", kommentiert Boullier die von Problemen gekennzeichneten Startschwierigkeiten Vandoornes.

Noch dazu gebe es die üblichen Probleme im ersten Karrierejahr. "Ich denke, es geht für ihn nur darum, seinen Platz im Team zu finden, um sicherzustellen, dass er seine Bedürfnisse artikulieren kann wenn es darum geht, das Auto so einzustellen, wie er es gerne fährt", sagt Boullier. Gerade Letzteres stellt in der hoch technisierten Königsklasse generell eine gewaltige Herausforderung für Neueinsteiger dar.

Williams' Lance Stroll etwa beschrieb zuletzt bereits mehrfach seine Schwierigkeiten in Sachen Umgewöhnung nach den Juniorrennsieren. "Die Formel 1 ist auch etwas anders, wenn du über den Fahrstil sprichst", bestätigt Boullier. Alleinverantwortlich für die Adaptionen sei Vandoorne aber längst nicht, McLaren müsse ihm unter die Arme greifen. Boullier: "Wir müssen wir vielleicht beide bei mehr aufeinander zugehen."