Die Vorzeichen für das achte Rennen der Formel-1-Saison 2017 waren für Fernando Alonso und McLaren Honda denkbar schlecht: Nach einer desaströsen Qualifying-Performance und einem Hagel an Strafversetzungen ging er lediglich vom 19. Startplatz in den Grand Prix von Aserbaidschan. Völlig unbeeindruckt vom Chaos in den Straßen Bakus holte Alonso am Sonntag dann völlig überraschend die ersten WM-Punkte in der laufenden Saison. Der ambitionierte Spanier hatte sich während des Rennens aber sogar noch mehr ausgerechnet.

"Ich denke, wir hätten heute gewinnen können", trauert Alonso nach seinem neunten Platz beim Chaos-Rennen in Baku einer möglichen McLaren-Sensation hinterher. Zwar wollte er sich über die ersten beiden WM-Zähler in dieser Saison nicht beschweren, doch bei einem solchen Durcheinander hätte seiner Ansicht nach gerne noch mehr drin sein dürfen: "Wir waren nach dem Safety Car hinter Ricciardo, dann hat Lewis seine Kopfstütze verloren, Sebastian erhielt eine Strafe und die Force India sind sich gegenseitig ins Auto gefahren."

Ein derartiges Chaos hatte sich Alonso wie so oft herbeigesehnt, doch als Profiteur der großen Ausfallorgie hätte deutlich mehr als nur ein neunter Platz drin sein müssen. "Damit bist du schon automatisch im Kampf um das Podium, wenn nicht sogar um den Sieg", ist er sicher. In der Tat lag Alonso in der zweiten Rennhälfte zwischenzeitlich auf einem hervorragenden fünften Platz, doch Runde um Runde fiel die Konkurrenz auf den langen Geraden des Baku City Circuit über ihn her.

Frustriert von seiner Machtlosigkeit klagte der McLaren-Pilot schon zu diesem Zeitpunkt im Boxenfunk: "Was für eine Schande, wir hätten dieses Rennen gewinnen können." Alonsos freier Fall pendelte sich dann auf dem achten Platz ein, bis ihn wenige Runden vor Schluss noch Landsmann Carlos Sainz kassierte. Dass es mit dem erhofften Edelmetall nicht klappte, konnte für ihn nur an Hondas Performance-Schwäche liegen: "Wir waren heute in dieser Position, aber wir haben es nicht geschafft, weil wir im Rennen nicht schnell genug waren."

Gerade zum Rennende hin noch durchgereicht zu werden, war für Alonso offenbar eine besonders bittere Pille. "Wenn wir uns das Gesamtbild anschauen: Wir sind auf einem Straßenkurs und liegen an fünfter Stelle. Wie kann man das noch verlieren, auf einem Straßenkurs? Wir sind im Moment ganz einfach noch zu langsam", ließ er seiner Enttäuschung freien Lauf. McLaren Racing Director Eric Boullier empfand das Resultat ebenfalls nicht als angemessenes Resultat für Alonsos Anstrengungen: "Fernando fuhr ein fantastisches Rennen und hat jede Chance genutzt. Ich habe nicht das Gefühl, dass Platz neun seiner Leistung heute gerecht wird."

Fernando Alonso hegte im Chaos von Baku sogar Siegambitionen, Foto: Sutton
Fernando Alonso hegte im Chaos von Baku sogar Siegambitionen, Foto: Sutton

WM-Punkte auf der denkbar ungünstigsten Rennstrecke

Andererseits hatte Alonso nach dem Qualifying-Debakel vom Vortag auch nicht damit gerechnet, in der Endabrechnung plötzlich in den Punkterängen zu stehen. "Zwei Punkte waren in Baku vorher undenkbar", so der 35-Jährige, dessen Team an diesem Wochenende in Aserbaidschan in Sachen Performance die bisher schwächste Vorstellung in diesem Jahr abgeliefert hatte. "Es ist einer der schlechtesten Kurse für unser Package. Dazu noch die Strafversetzungen und der Startplatz ganz hinten. Wir dachten, dass Punkte hier niemals möglich sein würden.", fügt er an.

Dass es aus eigener Kraft kaum zum schlussendlichen Punkteresultat gereicht hätte, liegt für ihn auf der Hand. "Das Rennen hat uns natürlich in die Hände gespielt. Es gab viele Ausfälle und viel Action", so Alonso, der selbst permanent am Limit unterwegs war: "Ich bin den Mauern ferngeblieben, zumindest meistens. Hier und da gab es aber eine kleine Berührung. Es war ein dramatisches Rennen. Ich denke, den Zuschauern hat es gefallen und uns im Cockpit auch."

Neben dem leichten Frust über eine verpasste Überraschung konnte er sich unter dem Strich damit dennoch über die mühsam erkämpften WM-Punkte freuen: "Es war eine komplette Überraschung, hier Punkte zu holen. Völlig surreal. Das sollten wir mitnehmen, denn es ist etwas sehr Positives." Während Teamkollege Stoffel Vandoorne nicht über Platz zwölf hinauskam, freute ihn das kleine Erfolgserlebnis vor allem hinsichtlich der letzter Zeit arg gebeutelten Moral innerhalb des Teams: "Diese zwei Punkte sind nicht viel, aber es sind die ersten in dieser Saison und hoffentlich die ersten von vielen."

Nachdem McLaren in Monaco, als Alonso bei den Indy 500 ins Lenkrad griff, bereits mit eine Top-10-fähigen Performance auftrat und nun auf einer denkbar ungünstigen Strecke wie Baku punkten konnte, stützt Alonso seine Hoffnungen auf weitere Erfolgserlebnisse auf die üblichen Verdächtigen im Rennkalender. "Es kommen noch bessere Rennstrecken für uns, wie Singapur oder Budapest. Langsame Kurse, auf denen wir das Maximum herausholen müssen", ist er zuversichtlich.