Red Bull triumphierte 2016 über Ferrari und konnte als einziges Team neben Mercedes Siege in der Formel 1 feiern. Für die Österreicher war die Zielsetzung für die Saison 2017 damit klar: Auf Augenhöhe mit den Silberpfeilen sollte erstmals seit drei Jahren wieder nach der Weltmeisterschaft gegriffen werden. Kurz vor Ende der Pre-Season-Test schlägt Daniel Ricciardo nun aber andere Töne an. Statt Mercedes scheint erneut Ferrari der Gegner Nummer eins für die Bullen zu sein. Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda will Red Bull aktuell aber noch nicht im Rückstand sehen.

"Wir haben definitiv noch nicht die Pace von Ferrari gezeigt. Wenn ich es an heute festmachen würde ich sagen, Ferrari ist im Moment der größte Konkurrent", so der Australier, der an diesem Donnerstag seinen letzten Testtag vor dem Saisonauftakt absolvierte. Sebastian Vettel hatte mit 1:19.024 die bisher beste Rundenzeit der Generation 2017 in den Asphalt gebrannt. Doch nicht nur auf einer Runde sieht Ricciardo die italienische Konkurrenz Red Bull zurzeit enteilen.

"Ferrari war bisher beim gesamten Test schnell. Sie haben es auch auf den Longruns gezeigt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir heute schnell waren", zieht er den Vergleich, nachdem er auf der Strecke kurzzeitig auch hinter Vettel unterwegs gewesen war. Trotz des Rückstandes glaubt er jedoch, dass sein Team erneut das Potential hat, die Italiener über den Saisonverlauf hinweg zu bezwingen: "Ich denke, wir haben die Pace schon irgendwo. Wir müssen sie aber erst noch finden."

Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz schaute seiner Mannschaft am Donnerstag in Barcelona über die Schulter, Foto: Sutton
Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz schaute seiner Mannschaft am Donnerstag in Barcelona über die Schulter, Foto: Sutton

Lauda: Mercedes hat Red Bull auf der Rechnung

Trotz der bisher überzeugenden Pace von Ferrari sieht Ricciardo die Weltmeister-Mannschaft von Mercedes nach wie vor in der Favoritenrolle. "Ich denke, Ferrari ist mit der Pace ziemlich nah an Mercedes dran. Das macht es auf jeden Fall interessant", so seine Einschätzung. In den Reihen der Silberpfeile hat man die Österreicher jedoch nach wie vor auf der Rechnung. "Ich war gerade mit Dietrich Mateschitz essen. Ich würde sagen, sie haben die gleichen Probleme wie all die anderen, wenn es um die Entwicklung des neuen Autos geht", so Niki Lauda in einem RTL-Interview.

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Mercedes hat nicht vergessen, welch große Fortschritte Red Bull im vergangenen Jahr während der Saison machte. Die äußerst begrenzte Testzeit sieht der dreimalige Weltmeister nicht als Gradmesser. "Es wurde ein komplett neues Auto gebaut und dann wird es für zwei Mal vier Tage auf eine Rennstrecke gestellt, wo dann alles darüber herausgefunden werden muss. Das ist sehr wenig Zeit, um ein Auto richtig kennenzulernen", so Lauda.

Das wahre Kräfteverhältnis wird sich für ihn, wie in der Vergangenheit, erst während der Saison offenbaren. "Das wird sich aus den kommenden Rennen heraus entwickeln. Mercedes, Ferrari und Red Bull sind hier beim Test Kopf an Kopf. Aber wie es dann in den Rennen aussieht, werden wir erst noch sehen", ist er sich sicher. Ricciardo jedenfalls hofft angesichts der vermeintlichen Performance-Rückstandes auf den letzten Testtag der Saison.

Max muss es richten

Am Freitag wird Max Verstappen die letzte Schicht bei den Testfahrten hinter dem Steuer des RB13 übernehmen. Ricciardo setzt darauf, dass der Teamkollege noch einmal wichtige Erkenntnisse sammeln kann, bevor es nach Australien geht: "Anders als an meinem dritten Tag im Auto haben wir heute nicht den Extra-Schritt nach vorne gemacht. Der Fortschritt war gut, aber wir haben uns beim Setup etwas verrannt. Hoffentlich finden wir darauf noch ein paar Antworten. Max ist ja zum Glück morgen im Auto. Ich denke, wir brauchen diesen einen letzten Tag, um das Auto wirklich besser zu verstehen."

Neben den Balance-Problemen hat Red Bull jedoch noch mit anderen Sorgen zu kämpfen: Ricciardo schaffte am Donnerstag zwar 128 Umläufe, doch die Renault-Aggregate liefen bisher nicht einwandfrei. Zwei Mal war Max Verstappen am Mittwoch mit einer defekten MGU-K stehengeblieben. Renault scheint in Sachen Zuverlässigkeit bisher nicht ganz mit Mercedes und Ferrari schritthalten zu können.

Max Verstappen hatte am Mittwoch mit Motorproblemen zu kämpfen, Foto: Sutton
Max Verstappen hatte am Mittwoch mit Motorproblemen zu kämpfen, Foto: Sutton

Renault-Probleme im Hinterkopf

Ricciardo geben die Unzulänglichkeiten bei der Zuverlässigkeit hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit durchaus zu denken. "Naja, das hast du natürlich immer im Hinterkopf", gibt er zu Protokoll. Da die Lösung des Problems allerdings alleine in Händen des Motorenlieferanten liegt, übt er sich in Zweckoptimismus: "Auf der anderen Seite kann ich daran nichts ändern. Ich denke, es wird schon in Ordnung sein."

Darf man Verstappen Glauben schenken, sollen die bisher bekannten Probleme in Sachen Power Unit für den Saisonauftakt in Melbourne behoben sein. Auch Ricciardo setzt seine Hoffnungen in die kurzfristige Weiterentwicklung des Boliden "In Melbourne werden wir auf beiden Seiten ein paar Updates haben. Sowohl das Auto als auch die Power Unit werden ein paar neue Teile haben. Im Moment ist es zwar noch ein bisschen auf gut Glück, aber am Renntag werden wir in einer besseren Position sein."