Mit der Übernahme der Formel 1 durch Liberty Media steht die Königsklasse vor einem neuen Kapitel ihrer Geschichte. Das amerikanische Unternehmen will die Formel 1 moderner und wieder attraktiver gestalten, vor allem die Nähe zu den Fans soll groß geschrieben werden. Während der ersten Woche der Testfahrten in Barcelona gab es bereits eine erste Neuentwicklung, indem den Teams gestattet wurde, kurze Videos zu drehen und über die sozialen Medien zu verbreiten.

Dies ist jedoch nur ein erster Schritt. Wenngleich noch keine konkreten Maßnahmen beschlossen wurden, so soll die Formel 1 auch sportlich wieder an Attraktivität zulegen. Der neue Sportchef Ross Brawn hat erste Ideen geäußert, die amerikanischen Besitzer träumen von Veranstaltungen im Super-Bowl-Format. Red-Bull-Teamchef Christian Horner möchte vor allem ein Thema schnellstmöglich auf der Agenda sehen, welches gerade seinem Team in den vergangenen Jahren Kopfschmerzen bereitete: die Power Units.

Die Power Units stehen seit jeher in der Kritik, Foto: Renault Sport F1
Die Power Units stehen seit jeher in der Kritik, Foto: Renault Sport F1

Horner: Haben DNA des Sports beschädigt

2014 eingeführt, stehen die auf 1,6 Liter Hubraum beschränkten Sechszylinder-Turbos inklusive Hybridantrieb seit jeher im Salvenfeuer der Kritik. Zu teuer, zu leise, zu öko. Kurzum: für die Formel 1 ungeeignet. Für Horner sind die Motoren ein Grund für die sinkenden Zuschauerzahlen und damit für Liberty Media von Relevanz. "Die Formel 1 hat sich in den letzten Jahren zu sehr in Technologien verrannt, die für den Zuschauer auf der Tribüne null Relevanz haben", stellt er im Interview mit City A.M. klar. Er poltert: "Wir haben die DNA des Sports beschädigt."

Ende 2015 erreichte der Streit um die Power Units seinen vorläufigen Höhepunkt, als offen die Einführung eines Alternativmotors diskutiert wurde. Der Weltverband FIA startete sogar bereits eine Ausschreibung, um den Motor ab 2017 einführen zu können. Treibende Kraft hinter der Initiative war Red Bull, die sich mit Renault überworfen hatten und plötzlich für 2016 ohne Motor waren. Schlussendlich einigte man sich mit Renault wieder, der Alternativmotor wurde gestrichen. An seiner grundsätzlichen Ablehnung hat Horner aber nichts geändert.

"Wir müssen zurückgehen zu einfacheren und billigeren Motoren. Sie müssen lauter sein, die Geräuschkulisse muss zurückkehren", so Horners Plädoyer in Richtung Liberty. Damit spricht er den Fans wohl aus dem Herzen, denn gerade die Lautstärke und die Staubsauger-ähnlichen Geräusche waren für Puristen ein Horror. "Wir brauchen das Kreischen und den Kick wieder zurück, wenn man einen Formel-1-Motor hört. Und wir müssen klarstellen, dass der beste Fahrer gewinnt", sagte der Brite.

Zwischen Red Bull und Renault gab es in den letzten Jahren vermehrt Gesprächsbedarf, Foto: Sutton
Zwischen Red Bull und Renault gab es in den letzten Jahren vermehrt Gesprächsbedarf, Foto: Sutton

Weniger Technik, mehr Können

Einmal im Thema drin, verlängert Horner seine Wunschliste an die neuen Besitzer der Formel 1 gleich noch ein bisschen. "Die Leute wollen nicht, dass jemand verletzt wird, aber sie wollen die seltsamen Unfälle wieder zurück, sie wollen sehen, wenn die Fahrer ans Limit gehen und Fehler machen." Weniger Technologie, mehr fahrerisches Können; Nach Ansicht Horners könnte dies sogar die Kosten senken. "So, wie die Regularien derzeit sind, dass fast 900 Menschen nur an einem Chassis arbeiten - das ist bescheuert. Das ist Quatsch, das ist zu viel", stellt Horner seine Sicht der Dinge klar.

Horner ist sich jedoch bewusst, dass für Liberty möglicherweise erst einmal andere Dinge wichtig sind. "Technologie hat für sie möglicherweise gar keine große Relevanz. Und anders als ein Risikokapital-Anleger fürchten sie sich nicht, den Sport dahingehend zu verändern, wie sie ihn sich wünschen. Ein Anleger will billig kaufen, teuer verkaufen und so wenig wie möglich Kosten verursachen. Bei Liberty dagegen wird es interessant sein, wie ihr Plan für die Zukunft aussehen wird. Was sie bislang geäußert haben, ist sehr interessant", so der Red-Bull-Teamchef.

Neuer sportlicher F1-Chef: Ross Brawn, Foto: Sutton
Neuer sportlicher F1-Chef: Ross Brawn, Foto: Sutton

Für die sportliche Entwicklung der Formel 1 ist Ross Brawn, ehemaliger Ferrari-Technikchef und Mercedes-Teamchef - verantwortlich. Er soll der Formel 1 die Attraktivität auf der Strecke zurückbringen. Erst kürzlich kritisierte er die von den Teams an die neuen Autos gepflanzten Heckflossen und T-Flügel. "Wie immer bei Regeländerungen gibt es auch diesmal einige Problemchen", so Brawn. "Wir haben diese unbeliebte Haifisch-Flosse am hinteren Ende. Beizeiten müssen wir dieses Thema behandeln."

Horner: Brawn die Idealbesetzung

Christian Horner hat großes Vertrauen in Brawn. "Er kennt die Tricks des Geschäfts besser als jeder andere. Er ist die Idealbesetzung, um Liberty zu den Regeln zu raten, die für ihre Gestaltung der Zukunft der Formel 1 richtig sind", streut er Rosen. Horner weiter: "Ross ist ein schlauer Typ, extrem raffiniert und ich denke, er ist genau der richtige für diese Rolle.

Ob Horner bei Brawn aber offene Türen einrennt, um die Power Units aus der Formel 1 zu verbannen, ist fraglich. Kurz nach seiner Inthronisierung erteilte Brawn Schnellschüssen eine Absage. "Die Teams haben sehr hohe Summen in diese Motoren investiert. Man kann sie nicht einfach wegwerfen und sagen: 'Wir ändern jetzt die Motoren'", sagte er. Doch er weiß, welche Frage entscheidend ist. "Wie kommen wir von dem, wo wir heute stehen, hin zu dem, wo wir in zwei oder drei Jahren stehen wollen - und das mit einem tollen Renn-Motor, den jeder mag und genießt?"