Herr Danner, wie überrascht sind Sie über Nico Rosbergs Rücktritt?
Christian Danner: Damit hat wirklich keiner gerechnet. Wenn man seine Entscheidung hört, denkt man sich zunächst, das kann doch gar nicht sein, das muss doch eine Fehlmeldung sein. Und dann liest man den ausführlichen Kommentar, den Nico auf Facebook veröffentlicht hat, und kann sich ein bisschen in den Menschen hineindenken. Ich habe menschlich allergrößten Respekt, dass jemand eine so tolle Welt, in der er im nächsten Jahr sicher wieder im Erfolg gebadet hätte, einfach stehenlässt. Dazu gehören großer Mut und großer Charakter. Deswegen finde ich seine Entscheidung außerordentlich spannend und bewundernswert.

Welche Gründe sehen Sie für den Rücktritt?
Christian Danner: Womöglich traut sich Nico nicht noch einmal zu, die Energie aufzubringen, die nötig ist, um wieder einem herausragenden Gegner wie Lewis Hamilton entgegenzutreten, und alles vom Anfang bis zum Ende, von der glutenfreien Kartoffel mittags über das Training bis hin zu den Psychospielchen, wieder zu machen. Das kostet Energie, und wenn er für sich selbst analysiert hat, das schaffe ich nicht, ist die Entscheidung nüchtern gesehen nachvollziehbar.

Aber wenn wir zurückblicken, welche Weltmeister und Charaktere es gab und wie diese ihr Leben dem Thema Formel 1 komplett untergeordnet haben, haben wir hier auch ein gewisses Generationsthema zu diskutieren. Ein moderner Formel-1-Fahrer wie Rosberg hat ganz offensichtlich seinen Fahrplan und dann ist es gut. Die wirkliche Liebe zum Motorsport ist nicht stark genug gewesen, um sich zu sagen, jetzt will ich es wirklich wissen.

Verstehen Sie die Kritik an Rosberg, er tritt zurück, weil er ahnt, nächstes Jahr gegen Hamilton wieder den Kürzeren zu ziehen?
Christian Danner: Ich komme aus einer Generation, die ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Wenn ich die Chance gehabt hätte, einen WM-Titel zu verteidigen, hätte ich alles dafür gegeben. Aber die Zeiten sind anders, die Charaktere sind anders, deshalb muss man das dem Menschen Rosberg zugestehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Zweifel hatte, dass er das noch einmal durchsteht. Vielleicht hat er sich auch die Frage gestellt, ob es ihm Spaß macht, das noch einmal durchzuziehen.

Ein Spitzensportler muss sich immer die Frage stellen, macht es noch Sinn, denn Spitzensport ist nicht immer lustig. Es ist oft eine Grenze erreicht, weil man Dinge macht, die so viel Kraft kosten, dass man danach nicht mehr kann. Dann ist es wichtig, die Kraft aufzubringen, noch den nächsten Schritt zu machen. Es ist eine energetische Angelegenheit, und ich glaube, die Chance, die er hat, sein Leben mit weniger Anstrengung zu leben, ist ihm wichtiger als in der Anstrengung noch mehr zu erreichen. Das ist eine klare Entscheidung für den Menschen Nico Rosberg.

Werden wir Nico Rosberg noch einmal in der Formel 1 beziehungsweise einer anderen Rennserie sehen?
Christian Danner: Nein. Wenn er die echte Liebe zum Motorsport hätte, hätte er den Biss, den Titel zu verteidigen, in der Situation, in der er sich befindet. Mit dem besten Auto, in einem super Alter und gesund - nicht wie Niki Lauda mit einem verbrannten Kopf und der zweiten oder dritten Niere. Es ist alles Friede, Freude, Eierkuchen gewesen außer der sportlichen Herausforderung. Der wollte er sich, glaube ich, nicht mehr stellen, weil es ihm zu anstrengend ist.

Rosberg-Nachfolge: Grosjean? Alonso? Wehrlein?

Was bedeutet der Rücktritt für Mercedes? Das Team braucht einen neuen Fahrer.
Christian Danner: Nichts ist unmöglich, alles geht. Ich würde Romain Grosjean anrufen, der ist am leichtesten zu bekommen, das ist meiner Ansicht nach die beste Wahl. Der setzt sich ins Auto und gewinnt sofort. Fernando Alonso ist sicherlich schwieriger aus dem Vertrag zu kriegen und auch teamintern etwas schwerer verdaulich, vor allem, wenn es gegen Lewis Hamilton geht.

Bei den Junioren gibt es Esteban Ocon und Pascal Wehrlein. Ocon kann man jederzeit von Force India abziehen und zu Mercedes holen. Wehrlein wäre die einfachste Wahl, denn er kennt das Team und ist schon tausende Testkilometer gefahren. Die Verhandlungsposition von Mercedes ist ausgesprochen komfortabel. Sie haben das beste Auto, das beste Team, die besten Finanzen und die beste Zukunft vor Augen. Sie können alles haben, was sie wollen.

Wäre Pascal Wehrlein dem Druck bei Mercedes gewachsen?
Christian Danner: Er ist mit dem Team schon so viel gefahren, ich glaube nicht, dass es für ihn so wahnsinnig schwierig wäre. Wenn man als junger Mann zu so einem Team kommt und alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, hat man überhaupt kein Problem. Wenn er aber Hamilton zeigen will, was eine Harke ist, wird es schwieriger. Aber wenn man einen richtig guten Fahrer haben will, muss der so sein - siehe Hamilton gegen Alonso 2007 bei McLaren.

Hamilton hat Alonso als Rookie gezeigt, was eine Harke ist. So einen Fahrer braucht man eigentlich, weil man schon die Generation nach Hamilton vorbereiten muss. Mercedes muss sich entscheiden, ob sie etwas Kurzfristiges wollen wie Alonso oder Grosjean, oder langfristig einen Piloten aufbauen. Ich halte nichts von diesen langfristigen Dingen. Das hat Ferrari immer wieder probiert und hat mit Alonso beziehungsweise Vettel dann doch den schnellsten Piloten engagiert, den sie bekommen konnten.

Was steht 2017 zwischen Hamilton und dem Weltmeistertitel?
Christian Danner: Auf jeden Fall Max Verstappen. Ich bin mir absolut sicher, dass Adrian Newey nächstes Jahr ein Auto bauen wird, das wie die Feuerwehr geht. Ob Verstappen schon die Konstanz und das Auto die Zuverlässigkeit hat, um Hamilton zu schlagen, weiß ich nicht. Vielleicht fahren sie sich auch so oft gegenseitig in die Kiste, dass Ricciardo Weltmeister wird. Aber der Zweikampf zwischen Red Bull und Mercedes ist vorprogrammiert - das wird funken.