Nico Rosberg hat den ersten Härtetest auf dem Weg zu seinem ersten Weltmeistertitel bestanden: Der WM-Führende kam das gesamte Wochenende nicht so recht auf Speed, verlor auf Teamkollege Lewis Hamilton permanent rund eine halbe Sekunde. Selbst in Q3 lag Rosberg noch bis zum letzten Versuch mit mehr als fünf Zehntelsekunden Rückstand nur auf Rang vier - die zwei Red Bull trennten die beiden Titelrivalen.

Doch Rosberg schlug auf seinem letzten Versuch zurück. Während es am Ende von Q3 kaum mehr Verbesserungen gab, schaffte Rosberg in letzter Sekunde den Sprung auf Platz zwei. "Ich wollte Pole, deswegen bin ich nicht zufrieden", sagte er später. Doch insgeheim dürfte Rosberg ein riesiger Stein vom Herzen gefallen sein.

Rosberg muss die letzten drei Rennen eigentlich nur noch versuchen, hinter Hamilton ins Ziel zu kommen. Daran denkt er, wie er gebetsmühlenartig wiederholt, zwar nicht, aber es muss das Ziel sein. Mexiko schien bislang die größte Gefahr für Rosberg zu sein. Am Freitag war Ferrari in Lauerstellung, am Samstag Red Bull. Aber Rosberg hat den ersten richtigen Härtetest bestanden.

Rosberg ist kein Höhenmensch

Trotzdem muss sich der WM-Leader fragen lassen, warum er das gesamte Wochenende hinter Hamilton herhinkt. "Es sind die Reifen, ich bekomme sie einfach nicht auf Temperatur, sie sind immer kalt", erklärte er. Die Rennstrecke in Mexiko Stadt liegt mehr als 2.200 Meter über dem Meeresspiegel. Weil die Dichte der Luft mit jedem Meter abnimmt, generieren die Fahrzeuge deutlich weniger Abtrieb.

Die Höhenlage von Mexiko Stadt hat große Auswirkungen auf die Performance, Foto: Mercedes-Benz
Die Höhenlage von Mexiko Stadt hat große Auswirkungen auf die Performance, Foto: Mercedes-Benz

Dadurch verringern sich zwei Größen: Erstens die vertikale Kraft, das Auto wird nicht mehr so stark auf den Asphalt gedrückt. Das wiederum hat zur Folge, dass die Kurvengeschwindigkeiten niedriger, die lateralen Kräfte also geringer sind. Die Belastung auf die Reifen verringert sich, es wird schwierig, die Pneus strukturell zu erwärmen. Erschwerend kommt der knifflige Asphalt hinzu.

"Das ist eine andere Herausforderung, da hat es länger gedauert, es hinzubekommen. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass ich es hinbekommen werde", so Rosberg. Das Gefühl hatte auch Lewis Hamilton. Der Brite setzte in der Medienrunde nach dem Qualifying einige Nadelstiche in Richtung seines Teamkollegen: "Nico hat das gleiches Setup wie ich, deshalb hatte ich erwartet, dass er es irgendwann hinbekommt. Ich war nicht überrascht, weil ich wusste, was das Auto kann."

Hamilton: War sechs Zehntel schneller als Rosberg

Das Überholen auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez ist fast unmöglich, darin sind sich alle einig. Das Debüt auf der renovierten Strecke im vergangenen Jahr war entsprechend wenig spektakulär. "Um überholen zu können, muss man sechs Zehntelsekunden pro Runde schneller sein", verrät Hamilton. "Und das ist sehr unwahrscheinlich."

Und dann der zweite Nadelstich des Briten: "Bei meinen Longruns hatte ich dieses Delta auf Nico, aber das war bevor er die Änderungen vorgenommen hat. Aber ich plane nicht, Zweiter zu sein." Sechs Zehntelsekunden war Hamilton allerdings ohnehin nicht schneller als sein Teamkollege.

Taktisch erwarten Mercedes viele auf einer Einstopp-Strategie. Sollten sie Red Bull kontern wollen, könnte auch auf zwei Stopps umgestellt werden. Zwischen Hamilton und Rosberg wird Mercedes aber vorsichtig sein, das Team will sich nicht über die Strategie in den WM-Kampf einmischen. Überholen ist schwierig, die Strategie möglicherweise festgefahren. Der Schlüssel zum Sieg ist der Start.

890 Meter dauert der Sprint zur ersten Kurve. Damit ist der Weg bis zum ersten Bremspunkt fast der längste der gesamten Saison. Die Angst vor dem Start hat Hamilton verloren: "Schon seit dem letzten Wochenende fühle ich mich da sicherer, ich wünschte, ich hätte das seit Beginn der Saison gehabt. Es war ein Lernprozess, ich habe daran gearbeitet. Perfekt ist es noch nicht, ich arbeite bis zum Ende des Jahres daran."

Höhenluft eliminiert Windschatten

Durch die lange Beschleunigungsphase ist der Start noch entscheidender. "Allerdings ist der Windschatten hier sehr minimal", schränkt Hamilton ein. "Im letzten Jahr war ich direkt hinter ihm, aber das hat kaum einen Unterschied gemacht. Der Windschatten ist sehr viel schwächer als auf anderen Strecken." Grund dafür ist ebenfalls die Höhenlager. Weil der Luftwiderstand ohnehin geringer ist, bringt der Windschatten nicht mehr so viel. "Aber er ist trotzdem noch da." Und darauf baut Rosberg: "Der lange Weg ist ein Vorteil für den Zweiten, ich versuche mir den ersten Platz vor der ersten Kurve zu holen."

Hamilton kam im Windschatten am Start nicht an Rosberg vorbei, Foto: Sutton
Hamilton kam im Windschatten am Start nicht an Rosberg vorbei, Foto: Sutton

Gefahr könnte für Mercedes einmal mehr von hinten drohen. Beide Red Bulls haben sich im Q2 für die Supersoft-Reifen entschieden. Beide Mercedes-Piloten starten auf Soft. "Das bringt bis Kurve eins einen Vorteil von drei Metern", rechnet Hamilton vor. "Ich hatte in Austin auf Soft aber einen super Start", schränkt Rosberg ein. Allerdings gewann Daniel Ricciardo das Traktionsduell auf Supersoft aus Kurve eins heraus.

Hamiltons Ziel ist klar: Er muss gewinnen. Dann kann er nur auf Red Bull hoffen. "Was hinter mir ist, ist mir egal", sagt der Weltmeister aber selbstbewusst. Doch Rosberg lässt sich im WM-Kampf weiterhin nicht einlullen. Zum Medientermin kreuzte er statt mit Team-Shirt mit dem Polo der Laureus-Stiftung auf, für die Rosberg Botschafter ist. Auf dem Shirt: Eine selbstbewusst große Nummer eins. So selbstbewusst geht der Deutsche auch ins Rennen: "Morgen fahre ich auf Sieg und gehe das Risiko wie immer."