Es ist der Funkspruch des bisherigen Wochenendes in Japan: "Ich habe massives Untersteuern. Es fühlt sich an, als würden wir ohne Frontflügel fahren", keift Kimi Räikkönen, hörbar verunstimmt, im zweiten Training in Suzuka an Ferrari. Dabei war die Zeit, welche der Finne gesetzt hatte, nicht einmal zu verachten. Bis auf drei Zehntel kam Räikkönen heran an die Tagesbestzeit von Mercedes-Pilot Nico Rosberg.

Damit war der Drittplatzierte eine halbe Sekunde schneller als Teamkollege Sebastian Vettel, der sich ganz knapp hinter Red Bulls Max Verstappen auf P5 einreihte. Daniel Ricciardo verpasste mangels vollendeten Quali-Runs die Top-10. Erneut Räikkönen vor Vettel also bei Ferrari, obwohl der Finne sich im FP2 auch noch mit einem kleinen Elektronik-Problem auseinander setzten musste. Langsam wird es zum Standard.

Auch Vettel klagt über Balance-Probleme am Ferrari

"Ja ... ich denke, er hat einfach eine bessere Runde erwischt", kommentiert Vettel. Auch er sei insgesamt schlicht nicht ganz zufrieden gewesen mit der Balance. "Die ist noch nicht da. Aber das ist etwas, das wir verbessern können", meint der Deutsche. Immerhin sei das bereits schon vom ersten zum zweiten Training gelungen und werde sich über Nacht wiederholen.

Doch muss Vettel satte fünf Zehntel finden - nur, um Räikkönens Trainingsleistungs einzuholen, der ja ebenfalls alles andere als rundum zufrieden um den Suzuka International Racing Course geflogen war. Für Vettel offenbar kein Ding der Unmöglichkeit. Wenn er die Balance perfekt treffe, könne das schon eine Menge bringen. "Auf eine Runde muss dann natürlich alles sitzen. Im Qualifying kann das dann schon einige Zehntel ausmachen", sagt Vettel.

Vettel liegt seltsam weit hinter Räikkönen, Foto: Sutton
Vettel liegt seltsam weit hinter Räikkönen, Foto: Sutton

Räikkönen sieht noch "jede Menge" Potential

Das sieht Räikkönen bei sich allerdings genauso. "Wenn wir das Auto genauso zum Arbeiten bekommen, wir wir es wollen, dann können wir noch jede Menge Rundenzeit finden", sagt er Iceman. Dabei geht es ihm vor allem um den ersten Sektor. "Da ist das Gefühl noch weit von dem entfernt, wo wir sein wollen", sagt Räikkönen. Ein Desaster sei es angesichts der Rundezeit jedoch auch nicht gewesen, so der Drittschnellste des Tages.

"Es ist gerade hier wichtig, dass man sich wohlfühlt, um auch alles herausholen zu können. Da können wir uns noch steigern. Was den Speed angeht, können wir also noch ein bisschen was nach oben schrauben, denke ich", ergänzt indessen Vettel. Und wie? "Mehr Grip ans Auto schrauben geht in der Regel nicht", scherzt Vettel. "Da wäre man nicht so clever, wenn man das zurückhalten würde."

Vettel zur Strafe: Gott sei dank nicht in Monaco!

"Aber wenn man die Balance besser trifft und den Grip besser verteilt, sodass man sich als Fahrer wohler fühlt, dann gehts hinterher auch schneller", beschreibt der Deutsche. Während sich Teamkollege Räikkönen jedoch einzig mit diesem Problem herumschlagen muss, plagt Vettel noch ein zweites: Die Strafversetzung um drei Positionen wegen Verursachens der Startkollision in Malaysia.

Eine Schuld gesteht sich Vettel zwar noch immer nicht ein, stattdessen macht er sich Gedanken, wie dieser Nachteil zu kompensieren ist. "Natürlich hilft es nicht, wenn du weiter hinten startest. Überholen ist hier aber nicht unmöglich, auch wenn es nicht leicht ist. Aber Gott sei dank sind wir nicht in Monaco", sagt Vettel.

Auch das Podium - Vettel ist in Suzuka seit 2009 Stammgast bei der Siegerehrung - müsse er noch nicht abschreiben. Allerdings gilt es dazu, erneut auch Red Bull niederringen zu müssen. "Da müssen wir noch in die Daten schauen, wo wir im Vergleich mit den anderen stehen", sagt Vettel. Optimistisch geht er das Duell jedoch an. "Ich denke, wenn wir noch eine etwas bessere Balance finden und den Grip besser verteilen, sind wir morgen in besserer Verfassung."

Red Bull I: Verstappen sieht Schlagdistanz zu Mercedes

Die Konkurrenz jedoch ist nicht minder zuversichtlich gestimmt, vor allem Max Verstappen. Im Longrun sieht er sich erneut sogar in Schlagdistanz zu Mercedes. "Es sieht mit beiden Reifen, sogar dem harten, sehr, sehr gut aus", schwärmt er. Allerdings müsse man noch deren finalen Motormodus abwarten.

Und Ferrari? "Im Shortrun sind sie nicht zu weit weg und im Longrun haben wir sie", sagt Verstappen, generell sehr glücklich mit seinem Training. "Es war einer der besten Freitage überhaupt für uns heute, alles lief gut. Handling und Longrun-Pace!" Einzig das virtuelle Safety Car kam Red Bull in die Quere - gerade als beide Piloten ihren Quali-Run hinlegen wollten.

Nur Verstappen holte diesen noch nach - jedoch mit denselben Reifen. Daher sei der Rückstand auf Räikkönen auch kein Drama. "Wir haben die ganze Runde gepusht, dann kam das VSC. Beim zweiten Versuch musste ich dann auf sehr kalten Reifen rausgehen, die auch noch kalt waren, also sollte das schon passen", sagt Verstappen.

Ricciardo warnt vor seinem schärfsten WM-Verfolger Räikkönen, Foto: Sutton
Ricciardo warnt vor seinem schärfsten WM-Verfolger Räikkönen, Foto: Sutton

Red Bull II: Ricciardo warnt vor Räikkönen

Dass es sogar zum Sieg über den Finnen gereicht hätte, negiert jedoch Teamkollege Daniel Ricciardo. "Die Runde, die ich abbrechen musste, wäre definitiv in den 1:32ern gelandet, sodass ich mich auf jeden Fall hinter Kimis Zeit positioniert hätte. Ich wäre vielleicht nicht schneller als er gewissen, aber ganz ordentlich", sagt der Malaysia-Sieger. "Ferrari sah heute ziemlich stark aus", ergänzt Ricciardo, liege aber zumindest in Reichweite.

Entsprechend erwartet er für das Qualifying einen heißen Tanz. "Ich denke, dass wir im Qualifying stark und nah dran an Mercedes sein können, wenn wir das Auto hier richtig hinbekommen - und hoffentlich auch vor Ferrari. Aber Kimis Zeit heute hat schon was hergemacht", sagt Ricciardo. "Morgen kann ich zwar bestimmt noch etwas mehr herausholen, aber zwischen den Top-3-Teams wird es morgen knallhart." Noch am Donnerstag hatte sich der Australier ganz anders angehört: Ferrari habe man in Suzuka so gut wie in der Tasche, hieß es da noch.

Schon 2014 hielt Red Bull im Japan-Regen gut mit., Foto: Mercedes-Benz
Schon 2014 hielt Red Bull im Japan-Regen gut mit., Foto: Mercedes-Benz

Red Bull III: Regentanz für Reihe eins

Etwas deutlicher - und zwar pro Red Bull - könnte es sich gestalten, sollte der Himmel tatsächlich die Schleusen öffnen. "Wir sind normalerweise gut im Nassen, also könnte uns das in Startreihe eins helfen", hofft Ricciardo. "Im Nassen haben wir etwas mehr Chancen, einen guten Job zu machen. Wenn wir die Balance richtig hinbekommen, sind wir im Regen normalerweise ziemlich stark", bestätigt Verstappen. "Dafür müssen wir bereit sein", weiß auch Sebastian Vettel.