62 Tausendstelsekunden. Diese lächerliche Zeitspanne trennte Lewis Hamilton und seinen Teamkollegen Nico Rosberg beim Qualifying zum Kanada Grand Prix. Während der eine für seine 53. Pole Position in der Formel 1 gefeiert wurde, musste der andere eingestehen, schlichtweg langsamer gewesen zu sein. Es war nicht das erste Mal, dass Rosberg offen zugab, dass die andere Seite der Garage ‚dieses kleine Bisschen schneller´ war. Nicht selten wurden Rosberg solche Aussagen als Schwäche ausgelegt.

Besonders pikant: In Montreal plauderte Hamilton ganz offen darüber, dass er mit seiner Performance im Qualifying nicht einmal glücklich war. Eine Breitseite gegen Rosberg, um ihn öffentlich als Verlierer zu brandmarken? "Um ehrlich zu sein ist es egal, wie weit zu vorne bist - solange du vorne bist", begann der amtierende Weltmeister. "Aber natürlich war der Abstand im Training viel größer. Ich hatte heute nicht die die gleiche Pace wie gestern, aber es hat gereicht."

Hamilton spielt Pole herunter

Während sich Rosberg seinerseits Kommentare gegenüber Hamilton sparte, legte der Brite während der offiziellen Pressekonferenz noch einmal nach. Seine Rundenzeiten in Montreal seien nicht einmal gut gewesen. "Das waren keine großartigen Runden", sagte Hamilton nach der fünften Kanada-Pole. "Selbst die Runde zur Pole war definitiv am unteren Ende der guten Runden, mit denen ich auf Pole gefahren bin. Deshalb bin ich happy, noch vorn zu stehen."

Und Rosberg? Der WM-Spitzenreiter war mit seiner ersten fliegenden Runde zufrieden. "Nicht genug, um Lewis zu schlagen, trotzdem eine gute Runde", fand er. Weil er das Gefühl hatte, eine noch bessere Rundenzeit erzielen zu können, riskierte Rosberg auf seinem zweiten Run etwas mehr. Der Plan scheiterte, ein früher Verbremser kostete ihn die Chance auf Startplatz eins. "Ich hatte gehofft, dass ihr das nicht gesehen habt", feixte er während der Pressekonferenz.

Nico Rosberg verlor die mögliche Pole durch einen Fehler, Foto: Sutton
Nico Rosberg verlor die mögliche Pole durch einen Fehler, Foto: Sutton

Trendwende bei den Silberpfeilen?

Doch alle hatten den Fahrfehler gesehen - und wenig später gehört, wie Hamilton mit seiner Rundenzeit haderte, die trotzdem ausreichte, um sich gegen Rosberg durchzusetzen. Die Teamführung um Toto Wolff und Paddy Lowe beschränkte sich größtenteils darauf, die geschlossene Teamleistung in den Vordergrund zu stellen. Kaum ein Wort über Rosbergs Verbremser oder Hamiltons Performance. Stattdessen lieber das gewonnene Teamduell gegen die überraschend starken Ferraris.

Bahnt sich bei Mercedes eine Trendwende an? Rosberg dominierte den Saisonstart mit vier Siegen in Folge, zeigte dabei eine bärenstarke Leistung. Hamilton wurde angedichtet, er habe die nötige Motivation verloren, konzentriere sich lieber auf sein Privatleben. Dann der Barcelona-Crash, gefolgt vom Monaco-Vorfall - und plötzlich scheint Hamilton wieder auf Augenhöhe zu fahren.

Lewis Hamilton: Gute Laune nach der Kanada-Pole, Foto: Sutton
Lewis Hamilton: Gute Laune nach der Kanada-Pole, Foto: Sutton

Hamilton: Nicht ans Limit gehen

Man möchte Hamilton in Kanada nicht vorwerfen, dass er gezielte Spitzen gegen Rosberg setzt. Doch selbst seine Prognose für das Rennen hatte einen gewissen Beigeschmack. "Gestern hatte ich alles im Griff", sagte er. "Heute habe ich durch die Setupänderungen etwas das Gefühl verloren. Ich konnte das Auto nicht immer so fahren, wie ich es wollte."

Und dann: "Das bedeutet, dass ich mich etwas mehr zurückhalten muss und nicht so sehr bis ans Limit gehen darf." Es klingt ein wenig danach, als ob auch das ausreichen würde, um Rosberg in Schach zu halten...