Du wusstest, wie schwer das erste Jahr bei Honda wird. Wie ist die Motivation im zweiten Jahr? Ist der Fortschritt schnell genug?
Jenson Button: Es geht niemals so schnell, wie du es gerne hättest. Das gilt für jeden im Team, und das ist ja auch mit allem im Leben so. Aber wir haben auch erkannt, wie hart der Sport ist. Du wirst nicht mit einem neuen Hersteller von Anfang an Rennen gewinnen, der in der Entwicklung anderthalb Jahre hinten dran ist. Letztes Jahr war hart, dieses Jahr haben wir auch noch nicht unser Bestes gesehen. Es liegt noch ein langer Weg vor uns, was die Pace angeht, aber ich denke, im Moment ist es wichtig, dass wir an jedem Rennwochenende alles herausholen und das war bisher in diesem Jahr der Fall. Monaco wird ein interessantes Rennen für uns und wir werden dieses Jahr mit Sicherheit noch viele Fortschritte machen. Aber wir werden noch keine Rennen gewinnen in diesem Jahr.

Es gab schon in deiner ersten Honda-Ära große Erwartungen, die nicht erfüllt werden konnten. Wie kommst du persönlich damit klar, dass es wieder hohe Erwartungen gab, die wieder nicht erfüllt werden?
Jenson Button: Naja, wir hatten nicht so große Erwartungen. Man liest Dinge, die kompletter Blödsinn sind, und von Leuten kommen, die die Situation nicht verstanden haben. Ich weiß, in welcher Situation wir uns befinden, und ich weiß, was ich erwarten kann, wenn ich zu einem Rennen komme.

Wie sehr genießt du zur Zeit die Formel 1?
Jenson Button: Es wird von Rennen zu Rennen besser, denn wir werden konkurrenzfähiger und wir können wieder kämpfen und etwas erreichen. Ich wäre natürlich lieber viel mehr in den Punkten und hätte immer nur Kämpfe, bei denen es auch um Punkte geht. Aber da sind wir noch nicht, doch das wird kommen. Also Augen geradeaus und darauf hinarbeiten.

Wie sieht deine Rennvorbereitung aus, in einer Situation, in der du weißt, dass du nicht gewinnen kannst?
Jenson Button: Das ist kein Unterschied. Du kommst immer noch zu den Rennen und gibst alles, was du kannst. Es stimmt nicht, dass ein Fahrer ins Auto steigt und nicht alles gibt. Du willst schon für dich selbst das Beste geben, und da ist immer der Wettbewerb, ob es jetzt der Teamkollege ist oder andere Autos auf der Strecke. Es ist absoluter Schwachsinn, dass Fahrer nicht mehr pushen, wenn sie kein konkurrenzfähiges Auto haben. Wieso solltest du nicht pushen? Das ist es, wofür wir leben. Es ist unser Job, unser Hobby, unser Leben. Warum solltest du ins Auto steigen und nur 90 Prozent geben? Jeder gibt alles, denn du willst gegen deinen Teamkollegen gut aussehen.

Gibt es dir noch immer die gleiche Befriedigung, wenn du ins Auto steigst und pushst?
Jenson Button: Wenn das Auto schön zu fahren ist, dann ja. Dann ist es befriedigend. Aber manchmal ist es einfach so frustrierend, und das hängt auch davon ab, wo man im Grid steht. Das gilt für alle Fahrer. Wenn du gewinnst, vergisst du wie sich das Auto anfühlt, weil du gewinnst. Wenn du dort bist, wo wir sind, stört dich jedes kleinste Detail, weil das Auto nicht das tut, was du von ihm verlangst.

Jenson Button im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: McLaren
Jenson Button im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: McLaren

Ist es vielleicht noch ein bisschen schwieriger für dich, weil du an den Erfolg gewöhnst warst aus all den erfolgreichen Jahren, dem WM-Titel mit Brawn und den vielen Siegen mit McLaren?
Jenson Button: Ja, es ist schwer. Aber es ist das gleiche für uns beide. Wenn du einen jungen Fahrer neben dir im Auto hast, ist es nicht so aufregend. Aber Fernando als Teamkollege sorgt dafür, dass es aufregend für dich bleibt. Du freust dich auf jedes Rennen und die Herausforderung, deinen Teamkollegen zu schlagen und auch mit ihm zu arbeiten, und zu sehen wo ihr landet - ob ihr Fortschritt gemacht habt oder nicht, wie nah ihr an Punkte herangekommen seid oder auch Punkte geholt habt. Es gibt über das Jahr immer vieles, worauf man sich freuen kann, auch wenn man hört, dass neue Teile für das Auto kommen. Natürlich würden wir beide lieber Rennen gewinnen, aber das können wir nicht. Es gibt nur einen Fahrer, der dieses Jahr Rennen gewonnen hat, und nur zwei Fahrer, die überhaupt Rennen gewinnen können. Solange wir Fortschritt machen, sind wir glücklich.

Wie können Fernando und du beweisen, dass ihr eine Referenz seid, mit den Ergebnissen die ihr einfahrt?
Jenson Button: Wie können die jungen Fahrer sagen, dass sie gut genug sind? Wer sagt, dass Max [Verstappen] gut ist? Wer sagt, dass Carlos [Sainz] gut ist? Niemand weiß es, sie sind niemals gegen einen erfahrenen Teamkollegen angetreten. Vielleicht ist ihr Auto einfach nur richtig gut. Ich habe das in meinem Leben oft genug bewiesen, ich habe eine Weltmeisterschaft gewonnen und Fernando ebenso. Da ist er Beweis.

Du kamst als einer der jüngsten Fahrer in die Formel 1, und musstest dich damals gegen die Leute beweisen, die sich schon bewiesen hatten. Ist es heute umgekehrt, dass es dich motiviert die jungen Fahrer zu schlagen, von denen gesagt wird, dass sie die nächsten Weltmeister sind?
Jenson Button: Nein, das interessiert mich überhaupt nicht. Das Einzige was mich interessiert, ist das Auto, das in der Garage neben mir steht. Es ist nicht wie ein 100-Meter-Lauf. Du verlierst keine Pace durch 17 Jahre in der Formel 1. Du wirst schneller, weil du an Erfahrung gewinnst. Es ist absoluter Müll, dass ein Fahrer seinen Zenit überschritten hat. Wenn ein Fahrer seinen Zenit überschritten hat, tritt er zurück. Es ist totaler Müll, wenn die Leute sagen, dass ein Fahrer der über 200 Grands Prix gefahren ist seinen Zenit überschritten hat, und die jungen Kids schneller sind. Wer weiß, kann sein. Aber ich habe noch keinen Beweis dafür gesehen.

Ist es dann eine Motivation bei diesem Langzeitprojekt - egal wie lange es dauert -, dass du weißt, dass du auf deinem Zenit sein wirst, wenn das Auto es zulässt?
Jenson Button: Ja, definitiv. Ich gehe nicht raus und denke, ich muss all die jungen Kids schlagen. Ich denke mir, ich muss meinen Teamkollegen schlagen, der einer der besten Fahrer ist, die jemals in der Formel 1 gefahren sind. Er denkt immer noch, er ist der Beste, wie er ja gegenüber den Medien geäußert hat.

Glaubst du, dass du heute ein besserer Fahrer bist als zum Beispiel 2009?
Jenson Button: Ja, das denke ich. Ich habe an Erfahrung gewonnen, ich habe mich in Situationen wiedergefunden, in denen ich mehr unter Druck stand. Die einzige Möglichkeit, es für mich zu beurteilen, ist, dass ich nicht an Reaktionszeit verloren habe und ich an Erfahrung gewonnen habe. Also gibt es keinen Grund zu sagen, dass ich heute kein besserer Fahrer bin. Meine Fitness ist besser als mit 29 Jahren, ich verstehe ein Formel 1 Auto besser als mit 29 Jahren und ich habe mehr Erfahrung. Also ja, ich sollte ein besserer Fahrer sein.

Der Routinier hält sich heute für einen besseren Piloten als in seiner Weltmeister-Saison 2009, Foto: Sutton
Der Routinier hält sich heute für einen besseren Piloten als in seiner Weltmeister-Saison 2009, Foto: Sutton

Du hast gesagt, dass nicht jeder Fahrer die Formel 1 so sehr genießt, wie er sie eigentlich genießen könnte. Wir diskutieren immer viel über die Formel 1 als solche. Die Regeln für 2017 sind jetzt fix, wie glücklich bist du als GPDA-Direktor damit?
Jenson Button: Es ist ein schwieriges Thema, und ich denke es wurde nicht jedem richtig erklärt, wie die Regeln für nächstes Jahr sein werden. Es ist ziemlich spät damit, was wahrscheinlich eine Absicht der FIA war, es so spät wie möglich zu entscheiden, damit die großen Teams keinen Vorteil gegenüber den kleinen Teams haben. Abgesehen davon, kann ich die Regeln nicht wirklich kommentieren.

Du hast aber letztes Jahr gesagt, dass du dir die Regeln für 2017 sehr genau anschauen wirst, weil dein Vertrag mit McLaren am Ende dieser Saison auslaufen wird und du deine Entscheidung möglicherweise davon abhängig machen wirst.
Jenson Button: Ja, ich bin mir nicht sicher, ob wir so einen großen Sprung machen werden, wie wir damals gedacht hatten. Wir hatten von fünf bis sechs Sekunden pro Runde gesprochen, was glaube ich nicht der Fall sein wird. Ich denke, am wichtigsten ist, dass Pirelli deutlich mehr Testzeit hat vor dem nächsten Jahr. Das ist definitiv notwendig für einen neuen Reifentyp, den wir viele Jahre nicht mehr in der Formel 1 gesehen haben. Das ist also sehr wichtig, wir brauchen diesen mechanischen Grip. Die Formel 1 lechzt nach mehr mechanischem Grip, wir brauchen ihn. Das Wichtige ist, dass die Aerodynamik auf die richtige Weise gemacht wird. Dann wird das Racing auch weiterhin gut sein. Das ist alles, worauf wir hoffen können.

Du bist jetzt 16 Jahre in der Formel 1. Was glaubst du, ist dem Sport in dieser Zeit verloren gegangen, das er wiedererlangen könnte?
Jenson Button: Die Autos brauchen mehr mechanischen Grip. Das Problem ist, wir machen es mit breiteren Reifen, die auch schwerer sind. Die Autos wiegen 120 kg mehr als damals, als ich angefangen habe. Du fährst sozusagen schon in der Qualifikation mit einem vollen Tank. Das Auto ist also deutlich träger. Das ist natürlich ein Problem, aber das ist etwas, dass du mit dem Motorenreglement jetzt nicht ändern kannst. Aber das ist natürlich der Grund, weshalb unsere Autos im Rennen so viel langsamer sind, weil das Auto so schwer ist. Prozentual gesehen ist das enorm, wie viel schwerer sie sind.

Button vermisst den Sound der hochdrehenden Saugmotoren, Foto: Sutton
Button vermisst den Sound der hochdrehenden Saugmotoren, Foto: Sutton

Der Sound fehlt, und das ist ein entscheidender Teil des Sports. Jeder Fan mit dem du sprichst, sagt das. Aber das ist ebenfalls etwas, dass du nicht ändern kannst. Wir haben diesen Weg eingeschlagen, und auf dem müssen wir jetzt bleiben. Aber ich vermisse das sehr. Ich habe mich damals so auf die Testtage gefreut, selbst als ich schon neun oder zehn Jahre in der Formel 1 war. Ich war immer so beeindruckt vom Sound der Motoren und konnte mir das Grinsen gar nicht verkneifen. Klar, nach fünf Runden warst du taub und hast dir gewünscht, sie wären nicht so laut. Und ich habe mich immer so darauf gefreut, Freunde mit an die Strecke zu bringen, für die der Sport neu ist. Ich habe mich immer darauf gefreut, sie in die Garage mitzunehmen und an die Boxenmauer und sie den Sound eines Formel 1 Autos hören zu lassen. Das war einzigartig. Und das ist alles weg.

Wenn ich Leute heute zu einem Formel-1-Rennen einlade, finden sie es natürlich super, weil es eine ganz andere Welt ist - aber der Sound ist nicht da und die Begeisterung darüber fehlt. Aber so ist die Welt mit neuen Technologien und das ist die Richtung, in die wir gehen müssen. Es macht keinen Sinn, zurückzuschauen. Aber manchmal schwelgt man in Erinnerungen, doch die neuen Technologien halten die Hersteller im Sport. Honda ist hier wegen der neuen Technologien. Hätten wir V10-Motoren, wären sie wahrscheinlich nicht hier.

Bist du um die mittelfristige Zukunft der Formel 1 besorgt?
Jenson Button: Nein, ich bin unbesorgt. Ich denke, die Formel 1 versteht jetzt, dass Änderungen notwendig sind. Es gibt immer Kritik an jedem Sport, es ist niemals perfekt. Selbst vor zehn Jahren haben wir uns über bestimmte Dinge beklagt. Das gibt es immer, aber heutzutage scheint es mehr zu sein. Das Wichtige ist, dass die Leute verstehen, dass wir Änderungen brauchen und dass sich etwas ändern wird. Das ist gut zu sehen und damit ist es nur eine Frage der Zeit. Hoffentlich verlieren wir nicht unsere Fanbase, denn das wäre ein Problem.

Heutzutage scheint es so, als wären einige der jungen Fahrer nur interessiert an der Formel 1, aber nicht am Racing. Hast du das Gefühl, dass sie sich nicht für den Sport interessieren, sondern nur für den Status?
Jenson Button: Ach, wirklich? Ich würde sagen, einige meiner Freunde lieben Rallycross, sie finden es viel aufregender. Daher sehe ich das nicht so. Ich denke, es ist schwierig, wenn ein Sport die Königsklasse ist. Wenn der Sport, den du betreibst, die Königsklasse ist, wirst du immer mehr Kritik bekommen. Formel 1 und Rallye bekommen im Moment so viel Kritik ab, auf unterschiedliche Weisen. Entweder von den Leuten, die den Sport machen, oder von Außenstehenden. Das Wichtige ist, dass die Leute, die den Unterschied machen können, das bemerken und den Sport ändern können. Und dann sieht es gut aus. Wenn wir es auf die richtige Weise ändern können, ist es fantastisch. Und das können wir. Ich bin mir sicher, dass die Leute, die entscheiden können, letztlich die richtigen Entscheidungen treffen werden.

Um auf deine Situation zurückzukommen. Inwiefern beeinflusst der Weg, den die Formel 1 geht, deine Entscheidung, ob du weitermachen willst oder nicht?
Jenson Button: Ich denke, das was dieses Jahr passiert, beeinflusst mich mehr. Wie ich mich im Auto fühle. Ich habe eine gute Ahnung, wie sich die Autos nächstes Jahr anfühlen werden, aber ich will in einer Position sein, in der ich konkurrenzfähig sein und um gute Resultate kämpfen kann. Das ist es, was mich in der Formel 1 halten wird.

Der Engländer will mit McLaren noch einmal zurück an die Spitze, Foto: Sutton
Der Engländer will mit McLaren noch einmal zurück an die Spitze, Foto: Sutton

Also gibt es nur zwei Optionen für dich: Bei McLaren bleiben oder aufhören? Oder ist kannst du dir auch vorstellen, das Team zu wechseln?
Jenson Button: Ich weiß jetzt noch nicht, was meine Optionen sind. Es ist ja auch noch früh. Ich bin mit den Gedanken dabei, nächstes Jahr konkurrenzfähig zu sein und das Fahren zu genießen, und zumindest die Spitze sehen zu können. Und ich würde das liebend gerne mit McLaren tun. Und ich hoffe, das Team wird in dieser Situation sein.

Und wenn es einen freien Platz bei Mercedes gibt...
Jenson Button: Jeder Mensch der Rennwagen mag, würde 'Ja' sagen, weil das Auto über eine Sekunde schneller ist als alle anderen. Einfach jeder Fahrer, ob er jetzt Ferrari liebt oder auch Mercedes hasst, er wird trotzdem dieses Auto fahren wollen, denn damit hat er die beste Chance, Weltmeister zu werden. Und es kann nur einen Weltmeister geben.