Viel Lärm um letztlich nichts. So lässt sich die Saga um die Renault-Motoren im Red Bull wohl am besten beschreiben. Riesig war zuvor die Kritik an den französischen Power Units und 2016 sollten sie nicht mehr im RB12 aufheulen. Alles beschlossen, alles geklärt - bis auf den neuen Lieferanten. Mercedes lehnte dankend ab, Honda und Honda schoben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu und am Ende blieb nur noch Ferrari. Die Scuderia war allerdings nicht bereit, aktuelle Antriebsstränge zu liefern. Unter der Hand wurde gemunkelt, Ferrari hätte angeboten, die 2015er-Aggregate zu liefern, das schloss Red Bull aber kategorisch aus.

"Zunächst einmal hatten wir nicht die Option, die wurde uns verwehrt", sagte Red Bull- Cheftechniker Adrian Newey nun. "Zweitens Mal wollten wir uns nicht dazu verdammen, immer hinterher zu sein." Schließlich entschied sich das Team Ende Oktober, blieb bei Renault und bezieht seine Power Units weiterhin aus Frankreich - allerdings gebrandet durch TAG Heuer.

Red Bull will 2016 wieder angreifen, Foto: Sutton
Red Bull will 2016 wieder angreifen, Foto: Sutton

Für alle Alternativen gewappnet

Ob Renault, Mercedes, Ferrari oder sogar Honda, Red Bull wäre für alle Optionen bereit gewesen. "Wir haben nach einer anderen Power Unit gesucht, das ist kein Geheimnis. Wir hatten eine gute Vorstellung, was diese für Anforderungen an das Autodesign stellen und wir haben parallel sehr verschiedene Autokonzepte angesehen", verriet Chefingenieur Rob Marshall, der diese Zusatzarbeit nun scherzhaft als gute Übung abtat. "Ich denke, wir haben eine gewisse Idee davon entwickelt, dass wir genauso gut arbeiten wie die anderen rauf und runter im Grid."

Die Entscheidung, in so viele Richtungen gleichzeitig zu arbeiten, war für Red Bull allerdings kein allzu großer Nachteil. Es gab die Möglichkeit, um einzelne - unbekannte - Teile herum zu entwickeln. Zudem hätten selbst Sackgassen neue Perspektiven eröffnet. Letztlich war es laut Rob Marshall entscheidend, alles rundherum einsatzbereit zu haben, um schließlich nur noch auf die Power Unit reagieren zu müssen.

TAG Heuer blitzt nun von den Autos, Foto: Sutton
TAG Heuer blitzt nun von den Autos, Foto: Sutton

Renault Power Unit vereinfacht den Prozess

Marshall machte allerdings kein Geheimnis daraus, dass die Entscheidung zugunsten von Renault bei der knappen Entwicklungszeit hilfreich war. "Hinsichtlich dessen, dass die neue Unit generell wie die Vorgängerin war, wurde die Aufgabe vereinfacht", so der Red Bull-Chefingenieur. "Es war viel einfacher, den Motor einzubauen, der bezüglich Form und Architektur mehr oder weniger war wie der Vorgänger."

Ob der RB12 bei einer früheren Motorentscheidung anders als jetzt ausgesehen hätte, wollte sich der Chefingenieur nicht entlocken lassen. Bei einer anderen Power Unit wäre diese Frage jedoch nicht aufgetaucht, denn der Aufbau des Boliden wäre deutlich anders ausgefallen. "Grundsätzlich, weil die unterschiedlichen Power Units komplett anders installiert werden, was die Platzierung des Kompressors und ihre Größe angeht. Das hätte die gesamte Architektur des Autos wie die Länge des Chassis beeinflusst", erklärte Marshall. Zudem hätten die Kühlungseigenschaften des neuen Antriebsstrangs an den Wagen angepasst werden müssen. Diese Aufgaben fielen weg und so blickt Marshall trotz Zeitverzuges positiv auf die Saison.

Crashtests auf den letzten Drücker

Teamchef Christian Horner lobte seine Mannschaft ungeachtet der etwas vereinfachten Situation durch den Verbleib bei Renault. "Man muss im Hinterkopf behalten, dass wir erst vor einer Woche unseren ersten Crashtest absolviert haben. Das demonstriert wie nah wir es an die Grenzen gepusht haben", verdeutlichte der Brite. "Wir haben alle Crashtests, die heutzutage wirklich rigoros sind, innerhalb von drei Tagen absolviert." Dies sei ein unglaublicher Aufwand gewesen und gleichzeitig ein Zeugnis für die harte Arbeit hinter den Kulissen in der Fabrik.

Sowohl bis zum Saisonstart in Melbourne als auch über die Saison wird der RB12 natürlich noch weiterentwickelt, die Basis stimmt das Team aber positiv - zumal er eine Weiterentwicklung des RB11 ist, dessen Chassis bereits positiv herausstach.

Großes Fragezeichen hinter Renault-Power Unit

Das Chassis war in den vergangenen zwei Jahren allerdings nie das Problem. Auf Strecken, die Aerodynamik über die reine Power stellten, schnitt das Team immer wieder gut ab. Bleibt das Fragezeichen nach der Leistung und Standfestigkeit der Power Unit aus dem Hause Renault. Der Optimismus übertrumpft vor dem Saisonstart allerdings die Sorge. "Renault ist jetzt ein Werksteam und ich denke, sie hatten einen guten Winter - obwohl sie natürlich ein großes Defizit aufzuholen hatten", erklärte Adrian Newey. Für ihn sind die neuen Abläufe, das gesteigerte Budget sowie die neue Arbeitsweise aber der richtige Weg. "Ich habe Vertrauen, dass sie die Lücke etwas schließen werden."

Auch Teamchef Horner glaubt an Fortschritte und ist deutlich zuversichtlicher als noch zwölf Monate zuvor. Seiner Meinung nach wurde der Fokus bei Renault auf die richtigen Bereiche gelegt. Zumal das Team nun als Werksteam noch mehr den Antrieb hat, einen konkurrenzfähigen Motor zu produzieren. Die enge Zusammenarbeit - trotz eigenem Team - blieb aber bestehen. "Renault war immer noch interessiert an unserer Meinung, wie die Power Unit in das Chassis integriert werden sollte", sagte Marshall.

Wird der Renault-Motor wieder die Achillesferse des Red Bulls?, Foto: Sutton
Wird der Renault-Motor wieder die Achillesferse des Red Bulls?, Foto: Sutton

Weiterhin Kritik an Renault?

Versöhnliche Klänge aus dem Hause Red Bull in Richtung des Motorenlieferanten - ganz anders noch als im vergangenen Jahr. Besonders Berater Dr. Helmut Marko hatte selten mit seiner Meinung über die Antriebsstränge hinter dem Berg gehalten. Wie viel besser - oder schlechter - die Power Units von Renault im Vergleich zur Konkurrenz nun wirklich sind, wollte Chefingenieur Marshall auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com aber nicht beantworten.

"Wir haben uns recht viele unterschiedliche Optionen angesehen. Es steht und fällt mit den Anforderungen der Power Unit und wie die Hitzeabfuhr-Anforderungen sind. Ob man den Kompressor nach vorne oder nach hinten packt, beeinflusst das gesamte Paket recht stark, aber es ist nicht die Wunderwaffe für mehr Performance", sagte er. Wie die Leistung der Power Unit ausfällt und ob so vielleicht der RB12 zur Wunderwaffe wird, steht noch in den Sternen.