Mercedes hat bislang die Messlatte in der Hybrid-Ära gelegt. Worauf hat sich das Team über den Winter konzentriert, um dieses Performance-Niveau zu halten?
Mercedes-Motorchef Andy Cowell: Es war wie zuvor auch. Um aus dieser neuen Power Unit-Generation mehr Performance herauszuholen, muss man die Effizienz steigern. Das gilt sowohl für die Effizienz bei der Verbrennung als auch jene auf den unterschiedlichen Schritten des Energieweges, z.B. MGU-H, MGU-K, Turbolader, Leistungselektronik und Batterien. Wir arbeiten stetig an jedem einzelnen Teil des Puzzles, um die Performance an der Kurbelwelle zu steigern und gleichzeitig sicherzustellen, dass wir nicht die gleichen Zuverlässigkeit-Probleme wie im vergangenen Jahr erleben. Es geht darum, den Ursachen auf den Grund zu gehen und sicherzustellen, dass der gesamte Prozess solide ist und wir dabei so viel Performance wie möglich herausholen.

Einige Entwicklungen für 2016 wurden an einem Experimentalmotor getestet, der beim Mercedes-Werksteam in Monza eingeführt wurde. Haben dadurch die Kundenteams jetzt einen Vorteil?
Andy Cowell: Das Update, das wir im vergangenen Jahr in Monza eingeführt haben, hat der Fabrik in Brixworth viel abverlangt und wir konnten zu diesem Zeitpunkt nur das Werksteam damit ausstatten. Jetzt zahlt es sich jedoch für jedes Team mit Mercedes-Power aus, da wir während der Entwicklungsarbeiten im Herbst und Winter darauf aufbauen konnten. Nun erhalten alle unsere Kunden ein verbessertes Paket, das exakt dieselbe Spezifikation wie die des Werksteams beinhaltet. In Melbourne werden alle acht Autos mit Mercedes-Power exakt die gleiche Hardware und das exakt gleiche Performance-Potential besitzen. Das ist ein guter Schritt für alle.

Die Technik hinter den Power Units wurde bislang vielleicht noch nicht so gut erklärt, wie es möglich gewesen wäre. Wie beeindruckend ist sie denn wirklich?
Andy Cowell: Diese Power Units sind absolut unglaubliche Ingenieursleistungen. Wir erreichen mittlerweile mehr als 47% thermischer Effizienz und produzieren historische Leistungswerte – und das alles mit einem Verbrennungsmotor (ICE), dessen Benzinverbrauch auf 100 kg/h beschränkt ist. Die altmodischen, konventionellen Saugmotoren erreichten während der V8-Ära 29% thermischer Effizienz. Während dessen haben wir im Jahr 2005 das letzte Mal solche Leistungswerte in der Formel 1 gesehen – mit den V10-Triebwerken, die das Benzin mit kolossalen 194 kg/h gefressen haben. Die gleiche Leistung bei der Hälfte der Benzindurchfluss-Menge zu erzielen, ist eine ziemliche Errungenschaft.

Für den Winter und die Weiterentwicklung während der Saison stehen 32 Tokens zur Verfügung. Auf welche Gebiete haben Sie sich konzentriert?
Andy Cowell: 32 Tokens sind ziemlich viel. Somit mussten wir unsere Entwicklungsaktivitäten nicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränken. Alles, was eine vernünftige Effizienz-Steigerung – und damit eine vernünftige Performance-Steigerung – mit sich bringen könnte, wurde von uns erforscht. Jetzt arbeiten wir daran, sicherzustellen, dass unser Paket in Melbourne ausreichend haltbar ist.

Zwei zusätzliche Rennen im Kalender bedeuten eine erhöhte Anzahl an Power Units für die anstehende Saison. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Herangehensweise?
Andy Cowell: Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass eine höhere Anzahl an Power Units ein Vorteil für die Hersteller ist, da jede Power Unit weniger Rennen absolvieren muss und damit der Lebenszyklus der verschiedenen Komponenten weniger belastet wird. Aber tatsächlich blieben unsere Zuverlässigkeitsziele unverändert. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass jede Power Unit mindestens fünf Rennen hält. Dies bedeutet, dass wir theoretisch nur vier Power Units pro Fahrer im Verlauf der Saison nutzen müssen. Wir glauben, dass uns dies eine gute Gelegenheit gibt, um zu reagieren, sollten wir Zuverlässigkeitsprobleme haben – oder um die möglichen zusätzlichen Power Units bei Schlüsselrennen zur Performance-Verbesserung einzusetzen.

Seit die neue Power Unit-Formel 2014 eingeführt wurde, war der Sound ein heiß diskutiertes Thema. Was ändert sich 2016, um die Lautstärke zu erhöhen und wirkt sich dies auf die Performance aus?
Andy Cowell: Uns war seit dem Beginn der Hybrid-Ära 2014 bewusst, dass die Lautstärke für die Zuschauer auf den Tribünen und zuhause vor dem Fernseher abgenommen hat. Das liegt an der Natur von Turbo-Motoren und dem Recycling von verlorener Energie im Auspuffsystem. Die FIA strengte deswegen eine interessante und gründliche Untersuchung an, um die Lautstärke im Auspuffrohr zu analysieren und Wege zu finden, um diese zu erhöhen, ohne die Performance oder die Effizienz zu beeinflussen. Sie fanden heraus, dass das Waste-Gate im Auspuffendrohr mündete. Damit entstand eine Sackgasse, wenn das Waste-Gate nicht geöffnet war. Dadurch wurde es zu einem verzweigtem Resonator – oder effektiv einem Schalldämpfer – am Auspuff. Dieses Design wurde nun entfernt, sodass wir ein schönes, sauberes Rohr ohne schalldämpfende Punkte erhalten haben. Das sollte die Lautstärke der Power Unit erhöhen.

In der Saison 2016 gibt es ein neues Gesicht unter den Mercedes-Benz Formel 1-Kunden – Manor Racing. Wie hat sich die Beziehung bislang entwickelt?
Andy Cowell: Manor Racing ist ein neues Kundenteam für uns in diesem Jahr. Sie sind ein kleines Team, aber sie sind sehr effizient und besitzen einen pragmatischen Ansatz. Wir haben eine sehr detaillierte Anleitung mit Instruktionen zum Einbau der Power Unit, wie man sie am besten einsetzt und was andererseits nicht empfohlen wird. Wir haben also eng mit dem Team zusammengearbeitet, um eine nahtlose Integration sicherzustellen. Es war großartig, mit ihnen zusammenzuarbeiten und wir freuen uns darauf, ihre Fortschritte während der Wintertests und im Verlauf der Saison zu verfolgen.

Das Benzin und die Schmierstoffe waren ein zentraler Bestandteil bei diesen Entwicklungsschritten. Aber wie entscheidend ist die Rolle von PETRONAS dabei, um noch mehr Performance aus der Power Unit herauszuholen?
Andy Cowell: Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Power Unit war in den vergangenen beiden Jahren sehr beeindruckend. Viele Leute dachten, dass es nicht viele Möglichkeiten geben würde, um die Dinge voranzubringen. Aber dem war nicht so. Es gab deutliche neue Fortschritte und das Benzin sowie die Schmierstoffe waren eines der Gebiete, auf die wir uns am meisten konzentriert haben. Unser Update zur Saisonmitte 2015 beinhaltete einen beträchtlichen Schritt von PETRONAS mit Blick auf die Performance des Benzins. Im Verlauf des Jahres führten wir zudem ein neues Schmiermittel ein. Zudem erzielten wir weitere Fortschritte beim Design des Verbrennungssystems und verbesserten die Eigenschaften der Schmiermittel, um die Reibung im Motor zu verringern. PETRONAS ist ein Schlüsselpartner für uns. Sie haben nicht nur Branding auf dem Auto, es ist eine tiefgreifende Technologie-Partnerschaft. Jeder Motorenhersteller weiß, dass gutes Benzin und gute Schmiermittel der Schlüssel für die Performance sind. Wir können uns sehr glücklich schätzen, eine so enge und produktive Arbeitsbeziehung mit PETRONAS zu haben.