Egal ob Formel 1, WTCC oder Formel BMW: BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen ist für alles verantwortlich und kümmert sich nicht nur um alle Rennserien, sondern auch um die jungen Nachwuchstalente in der Formel BMW ADAC Meisterschaft, welche er auch beim Saisonauftakt im Rahmen der DTM in Hockenheim von den Trainings über die Party am Samstagabend bis hin in die Startaufstellung begleitete und unterstützte.

Dennoch fand der Motorsportchef des Münchner Autobauers noch Zeit um sich mit den motorsport-magazin.com Redakteuren Mike Wiedel und Stephan Heublein an einen Tisch zu setzen und ausführlich über die ersten Wochen der Motorsportsaison 2005 zu sprechen.

Herr Theissen, das erste Rennwochenende in der neuen Formel BMW Saison haben wir nun hinter uns. Können Sie schon jetzt ein positives Fazit ziehen?

Mario Theissen: Ja, absolut. Es waren zwei schöne Rennen. Der neue Jahrgang ist ein starkes Feld und es sind wieder einige Überraschungen dabei, wo man sieht, dass 15- oder 16-jährige schon jetzt ein enormes Talent erkennen lassen. Im Nassen konnten wir zudem sehen, dass der Nachwuchs schon über eine erstaunliche Fahrzeugbeherrschung verfügt. Schließlich haben sie im Nassen höchstens ein, zwei Mal im Auto gesessen. Entsprechend war dies eine sehr schöne Vorstellung, welche die Vorfreude auf eine spannende Saison weckt. Es werden aus diesem Jahrgang sicherlich einige hervorgehen, die ihren Weg im Motorsport machen werden.

In diesem Jahr haben wir in Bahrain erstmals ein Weltfinale aller Länderserien der Formel BMW. Dies ist ebenfalls ein Anzeichen dafür, wie positiv sich die Serie entwickelt hat.

Mario Theissen: Es war von Anfang an unser Ziel die Formel BMW weltweit als die Nachwuchsformel zu etablieren. Wir haben jetzt vier Serien in Deutschland, Asien, England und Nordamerika laufen und damit ist der Zeitpunkt gekommen, dass Ganze in einem Weltfinale zusammenzufassen, was in diesem Jahr im Dezember zum ersten Mal geschehen wird. Wir haben uns für Bahrain entschieden, da hier sowohl bei der Strecke als auch vom Klima perfekte Bedingungen vorherrschen. Und schon jetzt spüren wir eine riesige Resonanz und Begeisterung von allen vier Serien, die sich darauf freuen sich in Bahrain in einem Riesenfeld von über 60 Autos zu messen.

Bei den Tourenwagen haben wir in diesem Jahr erstmals seit 1987 wieder eine Weltmeisterschaft am Start. Nach dem ersten Rennwochenende in Monza können Sie hier ebenfalls zufrieden sein...

Mario Theissen: Wir hatten einen sehr spannenden Saisonauftakt und konnten feststellen, dass das Prädikat Weltmeisterschaft zurecht vergeben wurde. Immerhin ist es neben der Formel 1 und der WRC die dritte Weltmeisterschaft im vierrädrigen Motorsport und man spürt durchaus, dass dies der Serie einen erneuten Schub gibt. Wir haben sechs Hersteller am Start und es fuhren über 30 Autos in Monza. Es gab extrem packende Zweikämpfe und Tourenwagensport im besten Sinne. Auch die Fernsehübertragungen sind deutlich umfangreicher geworden und ich gehe davon aus, dass die WTCC zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt.

Auch in Deutschland?

Mario Theissen: Auch in Deutschland, ja.

Wechseln wir vom Tourenwagensport zur Formel 1: Nick sagte uns in dieser Woche, dass er mit seinem Saisonauftakt zufrieden sei, obwohl er sich vor der Präsentation natürlich noch ein bisschen mehr erwartet hatte. Nach dem Verlauf der Wintertests wäre der Saisonstart aber besser als erwartet gewesen. Wie sieht Ihre Bilanz der ersten drei Rennen aus?

Mario Theissen: Es ist genau dasselbe. Natürlich haben wir im Winter erwartet, dass wir vom ersten Rennen an vorne dabei sind. Wir haben dann bei den Wintertests erkannt, dass dies nicht der Fall ist. Danach konnten wir jedoch feststellen, dass wir im Renntrimm unter Rennbedingungen doch recht ordentlich unterwegs waren. Wenn man dann von den sechs Starts drei abzieht, die wegen eines Unfalls oder technischen Problemen eine Zielankunft verhinderten, dann sind die Ergebnisse in Ordnung. Nichtsdestotrotz müssen wir nachlegen und zur Spitze aufschließen. Deshalb laufen auch sehr intensive Entwicklungsprojekte - sowohl bei Williams als auch BMW.

Wird es in Imola die von Frank Williams schon vor Saisonbeginn angekündigten Verbesserungen geben?

Mario Theissen: Williams hat eine sehr ordentliche Arbeit geleistet und zu jedem Rennen Aerodynamikverbesserungen mitgebracht, welche sich auch ausgewirkt haben. Es wird natürlich auch für Imola wieder etwas Neues geben, weswegen ich davon ausgehe, dass wir dort konkurrenzfähig sein und gut aussehen werden.

Die Tests in Barcelona und Le Castellet sind also gut verlaufen?

Mario Theissen: Ja, die Tests sind mehr oder weniger normal verlaufen. Nick hat einen Tag aussetzen müssen, was praktisch die einzige Störung war, da von der Technik her alles in Ordnung war. Wie gesagt: Es wurden neue Aero-Teile erprobt, aber die Hauptaufgabe lag eigentlich bei Reifentests.

Nick und Mark sind aber für Imola fit, nachdem beide zuletzt leicht angeschlagen waren?

Mario Theissen: Ja, sie waren leicht angeschlagen, aber was die gezeigten Leistungen angeht, sind sie mehr als in Ordnung. Die Fahrerpaarung ist sicher nicht unser Problem.

Wird es in Imola ähnlich spannend wie bei den ersten Rennen sein? Schließlich ist Imola von der Strecke her nicht ganz so Überholfreundlich wie etwa Bahrain...

Mario Theissen: Für Spannung ist sicher gesorgt. Wir hatten bei den letzten beiden Rennen sechs verschiedene Teams in den Punkterängen und es ist lange her, dass dies der Fall war und zwar bei wenig Ausfällen, wobei bei diesen sechs Teams in Bahrain noch nicht einmal Ferrari dabei war! Ferrari wird aber sicher wieder kommen. Sie haben in Bahrain bereits gezeigt, dass das Auto schnell ist und sie werden die Zuverlässigkeit in den Griff bekommen, weswegen ich schon in Imola wieder mit Ferrari rechne. Von daher wird es mehr als spannend. Ich glaube, dass wir eine Formel 1 Saison mit wechselnden Siegern sowie vielen Teams in den Punkterängen und auf dem Podium vor uns haben. Und das ist sicher eine sehr gute Entwicklung.

Gerade Toyota hat in diesem Zusammenhang bei den letzten Rennen stark überrascht.

Mario Theissen: Toyota hat über den Winter einen großen Sprung nach vorne gemacht und fährt jetzt konstant um Punkte und Podiumsplätze mit.

In diesem Jahr haben wir wieder einmal jede Menge Regeländerungen zu analysieren. Bei den Reifen haben sich hierbei die Befürchtungen allerdings nicht bewahrheitet...

Mario Theissen: Das ist richtig. Ich bin schon etwas überrascht wie gut die Reifen bei den ersten Rennen funktioniert haben. Man sieht zwar Unterschiede bei der Performance, aber die Sicherheit ist offensichtlich gar kein Problem und die Reifen halten durch. Auf der Aerodynamikseite ist zu erkennen, dass die Aerodynamiker schnellere Fortschritte erzielen, als sie das Reglement einbremst. Auf diesem Gebiet hatte man mit stärker ansteigenden Rundenzeiten gerechnet. Beim Motor ist die Verlängerung der Laufzeit aus meiner Sicht grundsätzlich der richtige Weg, weil es Kosten senken wird, aber die Regeländerung kam zu kurzfristig, so dass jeder Motorhersteller noch mitten in der Entwicklung steckt, was die Zuverlässigkeit angeht, und dies haben wir auch bei den ersten Rennen schon gesehen.

Das Ziel der Kostensenkung wird durch die Zwei-Wochend-Motoren durch den nächstjährigen Wechsel zu V8-Triebwerken aber nicht erreicht...

Mario Theissen: Ja, dass ist im Prinzip wieder genau dasselbe: Es ist eine kurzfristige Regelung, weshalb man ein neues Konzept entwickeln muss, was dazu führt, dass der Einspareffekt mehr als kompensiert wird. Somit geben wir de facto mehr Geld aus und das ist sicher nicht so gut.

Dann haben wir natürlich noch das umstrittene Qualifying-Format. Nick gefällt hierbei, dass man am Samstag wieder sieht, wer wirklich der Schnellste ist, andere kritisieren hingegen, dass das Additionsverfahren zu kompliziert sei.

Mario Theissen: Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Addition der Zeiten. Ich empfinde dieses zweigeteilte Qualifying durchaus als attraktiv und könnte es mir sogar vorstellen, dass man ein kombiniertes Qualifying einführt, bei welchem jeder im 1. Qualifying eine halbe Stunde oder eine Stunde auf die Strecke kann und danach das zweite Qualifying als Einzelzeitfahren durchgeführt wird. Ich bin allerdings unbedingt dafür, dass beides am Samstag stattfindet. Der Pole-Mann sollte am Samstagabend feststehen. Dies ist traditionell die Botschaft des Samstags und das hat auch in den vergangenen Jahren den Reiz des Qualifyings ausgemacht.

Vielleicht also ein ähnliches Qualifying wie in der DTM?

Mario Theissen: Mir gefällt das DTM-Qualifying sehr gut.

Sie verfolgen die DTM natürlich auch: Wie sehen Sie hier die Zukunft?

Mario Theissen: Das ist schwer zu sagen, da ich hier kein Insider bin. Die Bühne DTM ist eine sehr gute und wir sind wirklich froh mit unserer Formel BMW ADAC Meisterschaft in diesem Rahmen antreten zu dürfen. Dies ist gerade für die 15-, 16-, 17-jährigen etwas Besonderes. Ich hoffe deshalb, dass dieser Rahmen auch in den nächsten Jahren so bestehen bleibt.