Es sollte die Renaissance der glorreichen Vergangenheit sein. Ende der 1980er Jahre und zu Beginn des folgenden Jahrzehnts dominierte McLaren in Zusammenarbeit mit Honda die Formel 1 nach Belieben. 2015 sollte an diese Ära angeknüpft werden, dafür verzichtete das Team sogar auf die dominanten Mercedes-Motoren, um den Status als Werksteam zurückzuerlangen. Doch die Saison entwickelte sich zum Desaster. Nur Rang neun in der WM-Wertung, mit 27 Punkten sammelte man so wenig wie zuletzt 1980 - damals kam freilich noch das alte Punktesystem zur Anwendung.

Viel schlimmer als die schwachen Resultate war jedoch: Die Kombo McLaren-Honda stand 2015 nicht für Dominanz, sondern für Slapstick. Ein technisches Problem jagte das nächste, teilweise absurde Bestrafungen mussten Fernando Alonso und Jenson Button, die immerhin drei WM-Titel vereinen, über sich ergehen lassen. In Brasilien sorgten beide mit Galgenhumor für Unterhaltung, ein sich sonnender Alonso hier oder ein Podestbesuch beider Fahrer dort weckten Sympathien. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Schließlich mussten sie mit dem hoffnungslos unterlegenen Paket zurechtkommen. Jacques Villeneuve war ob der Saison Hondas ebenfalls schockiert. "Ich habe zwar erwartet, dass sie Probleme haben würden. Aber so etwas habe ich nicht erwartet", sagte er gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Zwischen Erwartung und Realität

Als im Mai 2013 bekanntgegeben wurde, dass Honda 2015 in die Königsklasse zurückkehren und McLaren mit Motoren ausstatten wird, waren die Erwartungen riesig. "Das ist eine fantastische Neuigkeit für alle, die die Formel 1 lieben. Willkommen zurück, Honda. Gemeinsam wollen wir ein neues und aufregendes Kapitel in der McLaren-Geschichte aufschlagen", frohlockte der damalige McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.

Erste Ernüchterung folgte bei den Post-Season-Testfahrten 2014 in Abu Dhabi. Keine einzige gezeitete Runde konnte man setzen, Probleme unterschiedlichster Art legten die Autos lahm. Ron Dennis zeigte sich damals noch immer optimistisch. "Das Team und Honda wissen über die Herausforderungen einer neuen Power Unit Bescheid, aber ich für meinen Teil kann versichern, dass wir 2015 stark sein werden", kündigte er an. Doch es kam anders.

Bei den Testfahrten in Abu Dhabi 2014 lief es nicht rund, Foto: Sutton
Bei den Testfahrten in Abu Dhabi 2014 lief es nicht rund, Foto: Sutton

Bereits bei den Testfahrten im Februar deutete sich an, welche Probleme auf Honda zukommen werden. In Melbourne ging es erstmals unter Wettkampfbedingungen auf die Strecke, alle Teams legten ihre Karten auf den Tisch - und McLaren-Honda lag vier Sekunden hinter der Spitze. "Uns war klar, dass wir hier nicht konkurrenzfähig sein werden", nahm es Jenson Button nach dem ersten Qualifying der Saison gelassen.

Im Rennen folgte zumindest ein Trostpreis: Button erreichte das Ziel. Kevin Magnussen, der den verletzten Fernando Alonso vertrat, rollte bereits in der Einführungsrunde mit Motorschaden aus. "Vergessen wir die Performance, dafür sind wir nicht hier. Wir haben es bis ans Ende des Rennens geschafft - das ist ein großer Fortschritt für uns. Es klingt nicht nach viel, aber für uns war es eine Überraschung, die Zielflagge zu sehen", zeigte sich der Brite im März zufrieden.

Der Saisonverlauf entwickelte sich in der Folge stets nach demselben Muster. Zwar konnte McLaren-Honda sukzessive den Rückstand verkürzen, doch ein technischer Defekt an den unzuverlässigen Honda-Aggregaten folgte dem nächsten.

Chronologie des Grauens

Ursprünglich standen jedem Hersteller je vier Komponenten der Power Units straffrei für die Saison zur Verfügung. Doch bereits beim siebten Rennen in Kanada musste Jenson Button den fünften Turbolader sowie die fünfte MGU-H einsetzen. Da es zum damaligen Zeitpunkt noch Zusatzbestrafungen gab, sollte man die Sanktion nicht in der Startaufstellung absitzen können, erhielt Button, der nicht am Qualifying teilnehmen konnte, zusätzlich noch eine Durchfahrtsstrafe obendrauf. McLaren und Honda versuchten da bereits gemeinsam, die Technikprobleme in den Griff zu bekommen. "Wir haben schon zusammen Dinge entwickelt. Vor allem auf dem Gebiet der Simulationen machen wir viel gemeinsam. Wann wo welche Energie eingespeist werden soll, um die Rundenzeit zu verbessern", sagte Honda-Motorsportchef Yasuhisa Arai im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Geholfen hatte es allerdings wenig bis nichts. In Österreich folgte der nächste Schwung an Strafen, je 25 Strafplätze waren es für Alonso und Button. Auch in Spielberg gab es weiterhin die Übernahme nicht-abgesessener Strafen ins Rennen. Für Alonso wäre das eine Durchfahrtsstrafe gewesen, die er jedoch aufgrund des frühen Unfalls mit Kimi Räikkönen nicht antrat. Button wurde wegen der schlechteren Startposition gar mit einer Stop-and-Go-Strafe belegt, die er in Runde drei abgesessen hatte.

In Ungarn feierte McLaren-Honda das beste Saisonergebnis, Foto: Sutton
In Ungarn feierte McLaren-Honda das beste Saisonergebnis, Foto: Sutton

In den nächsten beiden Rennen in Silverstone und Budapest blieben Alonso und Button von Strafen verschont. In Ungarn folgte gar der sportliche Höhepunkt des Jahres, nach einem chaotischen Rennen belegte Fernando Alonso Rang fünf, Jenson Button wurde Neunter. "Das ist für alle, die 24 Stunden am Tag in der Fabrik arbeiten, um das Auto weiter zu verbessern, um solche Resultate einfahren zu können", jubelte Fernando Alonso nach dem Rennen. Dabei profitierte man jedoch einerseits von der Streckencharakteristik, die mehr Grip als Motorenleistung verlangt, und zum anderen von einem chaotischen Rennverlauf.

Für die Rennen nach der Sommerpause einigte man sich darauf, dass ab sofort Motoren-Strafen, die über die Rückversetzung in der Startaufstellung hinaus gehen, abgeschafft werden. Das bedeutete, dass egal wie viele PU-Komponenten man an einem Wochenende tauscht, die maximale Bestrafung der Start vom Ende des Feldes sein konnte. In Belgien machte McLaren gleich davon Gebrauch und führte bei beiden Fahrern einen doppelten Motorenwechsel durch. 50 Startplätze hätte es theoretisch für Button nach hinten gehen müssen, 55 gar für Alonso. Doch aufgrund besagter Regeländerung blieb es bei der theoretischen Bestrafung. Für das Wochenende in Spa hatte Honda extra ein Update der Power Unit gebracht, doch schneller wurde nicht. Immerhin, so dachte man bei McLaren, hat man nun eine Power Unit übrig.

Tatsächlich hielten sich in den kommenden drei Rennen die Bestrafungen in Grenzen. Nur in Italien, wo man aufgrund der Highspeed-Strecke Monza ohnehin keine Chance sah, gab es noch ein paar neue Teile. In Singapur und Russland kam man ohne Motorentausch aus, in Russland gab es für Alonso eine komplett neue Power Unit. Jenson Button erhielt dagegen in Mexiko die Rekordstrafe der Saison. Nach Motor- und Getriebewechsel wurde er offiziell um 70 (!) Plätze zurückversetzt. Demgegenüber nahm man Alonso mit seinen nur 15 Plätzen gar nicht mehr wahr. Die letzte Motoren-Strafe der Saison war erneut dem Spanier vorbehalten, in Brasilien wurden noch einmal 25 Plätze notiert.

Wenig zu lachen hatte McLaren-Honda in Mexiko - es hagelte Rekordstrafen, Foto: Sutton
Wenig zu lachen hatte McLaren-Honda in Mexiko - es hagelte Rekordstrafen, Foto: Sutton

Am Saisonende standen für Fernando Alonso insgesamt 165 Plätze Strafe zu Buche, Jenson Button erhielt 150 Strafplätze. Wie bereits geschildert, handelte es sich bei den allermeisten um rein theoretische Sanktionen, die an den Rennwochenenden nicht komplett umgesetzt wurden. Auch bei der Anzahl der verwendeten Power-Unit-Komponenten (siehe Tabelle) befand sich McLaren-Honda in einer eigenen Liga. Kein anderes Team verwendete mehr als acht Einheiten, McLaren-Honda kommt teilweise auf zwölf Komponenten.

Übersicht: Anzahl der verwendeten PU-Komponenten

FahrerICETCMGU-HMGU-KESCE
Fernando Alonso121111857
Jenson Button1112121046

Wo liegt der Stein der Weisen?

Doch wo liegt der Schlüssel für einen Fortschritt 2016? "Einige der Ideen, die wir haben, sind im Paddock sehr einzigartig. Wenn wir sie zum Arbeiten bekommen, werden sie für alle anderen schwierig zu kopieren sein", schwärmte Fernando Alonso Mitte November ob der Möglichkeiten, die Honda anscheinend auf den Tisch gelegt hatte. Für den Spanier ist die Einzigartigkeit der Herangehensweise ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. "Es kann eine Schwäche sein oder es kann das Erfolgsrezept sein. Ich ziehe vor, zu glauben, dass es das Erfolgsrezept ist. Wenn du kopieren willst, was Mercedes tut, dann kannst du nah an Mercedes dran sein, aber du wirst niemals besser als Mercedes sein", stellte er klar.

Und auch Yasuhisa Arai ist optimistisch, dass sich ein ähnliches Debakel 2016 nicht wiederholen wird. "Der neue Motor ist designt und die Tests haben schon begonnen", so der Motorsportchef Hondas, der die Wichtigkeit des Jahres 2015 jedoch hervorhebt. Nur so konnten die Probleme offengelegt werden. "Jetzt kennen wir die Schwächen des Motors und können sie bis Melbourne beheben", so Arai, der ankündigte, dass es wohl keinen Urlaub für die Belegschaft geben wird.

Wichtigste Baustelle für Honda ist dabei die Energierückgewinnung. Die MGU-K arbeitet bei weitem nicht so gut wie jene der Konkurrenz. Bis zu 160 PS soll das Defizit allein in diesem Bereich betragen. Der Verbrennungsmotor sei dagegen kein Problem. "Ich bin ein Ingenieur und daher habe ich Zugang zu den Daten. Was passiert ist, dass wir als Team dann nicht die erwarteten Ergebnisse einfahren. Ich bin ehrlich, was die Daten angeht, die ich anbiete. Ich kann alles belegen, was ich sage. Aber ich verstehe auch, dass die Leute denken, dass ich nicht die Wahrheit sage, wenn die Performance insgesamt nicht passt", so Arai, der sich im Laufe des Jahres zunehmender Kritik erwehren musste.

Honda ließ 2015 sowohl Leistung, als auch Zuverlässigkeit vermissen. Unvergessen ist Fernando Alonsos Ausraster ausgerechnet während des Japan GP, als er seinen Motor als "GP2-Motor" betitelte. Auch Aktionen wie in Brasilien, als sich Alonso im Liegestuhl sonnte, nachdem am zweiten Tag des Wochenendes sein zweiter Motor den Geist aufgab, sind schädlich für den Ruf Hondas. Entsprechend wäre es nicht nur in Arais Interesse, wenn McLaren-Honda 2016 weiter vorne fährt. Wie schwer es werden kann, zeigte Renault, die im Vergleich zur Saison 2014 keine große Verbesserung zustande brachten. Bei Honda sollte es jedoch einen sichtbaren Schub geben. Es müsste nicht gleich auf dem Niveau wie Ende der 80er Jahre sein. Etwas weniger Slapstick wäre zumindest ein Anfang.