Max Verstappen Superstar! Gerne wird der jüngste Pilot der Formel 1 so bezeichnet. Ist der 18-Jährige das bereits? Oder befindet er sich noch auf dem Weg dahin? Attraktion, Berühmtheit, Größe, Hit, Sieger. Diese fünf Begriffe spuckt der Duden aus, sucht man nach einer Definition für den Begriff Superstar. Gemessen daran fehlt Verstappen, trotz einer punktereichen Debütsaison, nur noch eine wirklich messbare Eigenschaft - aber die wohl wichtigste: ein Sieg.
Den Rest hat der junge Niederländer längst erfüllt. Nur hochgejubelt von den Medien? Vielleicht am Anfang, im Herbst 2014, als Toro Rosso den damals noch 16-Jährigen erstmals in ein F1-Cockpit setzt und Verstappen wenig später in Japan - mit Superlizenz, 17 Jahren und drei Tagen - als bis dato jüngster Fahrer an einem Rennwochenende der Formel 1 teilnimmt.
Doch nicht nur Jubel begleitet Verstappen auf seinen ersten Kilometern in der Königsklasse des Motorsports. Sofort nach seiner Verpflichtung kommen kritische Stimmen auf. Sie werden bis zum Saisonende nicht verstummen. "Wir sind es eigentlich gewohnt, dass permanent Kritik kommt", sagt Helmut Marko im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Das absurde ist, dass einige, die am lautesten geschrien haben, jetzt fast unmoralische Angebote an Verstappen machen", ergänzt Red Bulls Motorsportberater. Heißt im Klartext: Abwerbeversuche durch die Konkurrenz. Nicht zuletzt wird Verstappen anhaltend als Nachfolger Kimi Räikkönens bei Ferrari gehandelt.
Max Verstappen polarisiert neben und auf der Strecke
Aber der Reihe nach. Mit dem kontrovers diskutierten Karrierestart des Niederländers schaltet sich plötzlich die FIA ein. Durch eine Änderung im Reglement wird es nie wieder einen so jungen Debütanten wie Verstappen geben. Er selbst darf bleiben. Zum Glück: Jung, wild, frech, mutig und überhollustig mischt Verstappen das Fahrerfeld der Formel 1 auf. Der Rookie zeigt gleich in seiner ersten Saison als Stammfahrer bemerkenswerte Dinge - sowohl im positiven als auch negativen Sinn, sowohl auf der Strecke als auch in Interviews. Max Verstappen polarisiert, wo er auftaucht.
"Es ist unsere Philosophie, dass wir jedem seine eigene Persönlichkeit, sein eigenes Auftreten lassen", sagt Marko zu Motorsport-Magazin.com. "Wenn man alle vier Fahrer zusammennimmt, war es sicher das stärkste Aufgebot. Es haben alle ihre positiven Seiten, die aber unterschiedlich sind. Herausstechend war aber sicherlich, wie schnell sich Max Verstappen zu einem unglaublichen Überholer entwickelt hat", lobt der Österreicher.
Wie Verstappen das so schnell geschafft hat, weiß er selbst kaum. "Ehrlich gesagt ist es einfach das Gefühl. Es ist schwierig zu sagen, wie man es besser oder überhaupt machen kann. Alles dreht sich ums Gefühl und das Erkennen des richtigen Moments. Es ist sehr schwierig zu erklären. Ich glaube es ist Instinkt", sagt er im Interview mit Motorsport-Magazin.com.
Max Verstappen weltbester Überholer des Jahres
Exemplarisch wie kaum ein zweites Rennen steht dafür der Brasilien GP 2015. Nacheinander schnappt sich Verstappen etablierte Piloten wie Romain Grosjean, Sergio Perez und Pastor Maldonado in spektakulären Rad-an-Rad-Überholmanövern. In der Rennanalyse geraten die Experten ins Schwärmen. "Das war absolut fantastisch, bis hin zur Perfektion", jubelt David Coulthard. "Ich vergleiche ihn mit Schumacher und Senna. Ich denke, in dieser Phase der Karriere ist er genauso gut", erklärt Eddie Jordan. "Max ist ein exzellentes Rennen gefahren", lobt Teamchef Franz Tost.
Das beeindruckendste von vielen starken Manövern dieses Jahres zeigt Max Verstappen allerdings in Spa-Francorchamps. Auf der Außenbahn setzt er sich in der ultraschnellen Blanchimont neben Felipe Nasr, zieht voll durch und bremst den Sauber in der Schikane aus. Der Lohn für das riskant-beherzte Manöver: Die FIA zeichnet Verstappen Anfang Dezember mit dem "Action of the Year Award" aus, die Ehrung für die beste Aktion des Jahres in allen Rennserien zusammen. Zusätzlich ehrt die FIA Verstappen als Rookie und Persönlichkeit des Jahres.
Ungestümer Max Verstappen im Hagel der Kritiker
Oft genug erwischte Verstappen solche Aktionen allerdings weniger gut. "Natürlich war das schön anzuschauen, aber nicht ohne Risiko bei 300 km/h. Max sollte nicht denken, dass das immer klappt", warnt schon Papa Jos Verstappen nach Spa. Durch einige ungestüme Aktion gerät sein Junior tatsächlich immer wieder in den Fokus.
Etwa in Barcelona. "Dafür, dass er sich die Gerade herunter geschlängelt hat, hätte ich ihm eine Strafe gegeben. Er macht das, was Perez früher gemacht hat. Bei Perez haben sie bis zum Unfall gewartet, ehe sie ihm eine Strafe gegeben haben. Man muss die Strafen aber vor dem gefährlichen Unfall geben. Wir hatten einfach Glück, dass Maldonado nach Außen gefahren ist, sonst wäre er in die Luft geflogen", kritisierte Jacques Villeneuve im Interview mit Motrosport-Magazin.com.
"Man muss Strafen früh genug in einer Fahrerkarriere geben, damit sie diese dummen Dinge nicht mehr machen. Es ist falsch. Das Problem ist, dass man in der GP3 und GP2 dumme Dinge sieht und die nie bestraft werden. Sie kommen dann in die Formel 1 und denken, dass es ein Videospiel ist. Man muss ihnen auf die Finger klopfen wie in der Schule, früh in der Karriere, damit sie wissen, dass man das nicht macht. Man kämpft anständig", forderte der Kanadier.
Max Verstappen lässt sich nicht verbiegen
Verstappen aber bleibt seinem Stil treu. "Ich werde als Fahrer meine Herangehensweise nicht verändern", sagt er und meint: Volles Risiko, immer am Limit, manchmal darüber. Etwa beim nächsten Rennen in Monaco, wo sich Verstappen nach einer Kollision mit Grosjean seine beiden ersten Strafpunkte einhandelt und später hitzige Diskussionen mit Felipe Massa liefert. "Ich würde alles wieder exakt so machen. Natürlich nicht das Manöver, aber die Reaktionen und Aussagen danach", sagt Verstappen zu Motorsport-Magazin.com.
Noch ein Beispiel ist Österreich, wo sich das nächste Tête-à-Tête abspielt. Diesmal wieder mit Maldonado. Verstappen zuckt bei einem Überholversuch des Venezolaners vor Kurve eins kurzentschlossen noch rechts. Maldonado weicht wild schlingernd und auf den letzten Drücker aus. Strafpunkte gibt es diesmal jedoch nicht.
Entsprechend poltert Villeneuve erneut bei Motorsport-Magazin.com: "So etwas macht man absolut nie. Du bewegst dich an dieser Stelle niemals. Das war brandgefährlich. Pastor hatte eine unglaubliche Reaktion. Aber das hätte eine gehörige Strafe verlangt. So etwas macht man einfach nicht. Wenn du innen bleiben willst, musst du das vorher machen. Nicht so spät. Es gibt nichts Gefährlicheres. Er wird das weiter so machen, bis sich jemand dabei verletzt. Das ist falsch."
Verstappen hält klar dagegen. "Jacques ist immer sehr negativ. Wenn jeder "ja" sagt, sagt er grundsätzlich "nein". Deshalb mache ich mir darüber keine Gedanken. Ich konzentriere mich ausschließlich auf mich selbst. Mir ist egal, was andere Leute über mich denken", sagt er. Verstappens Vorstellung von Rennsport ist eindeutig: "Sobald man ein Manöver macht oder sich leicht berührt, heißt es: Oh, dafür sollte er bestraft werden! Ich sage: Nein, es ist ein Rennzwischenfall. Wir kämpfen hier um Positionen. Manchmal sollte es ruhig etwas aggressiver erlaubt sein."
Max Verstappens Strafen-Hypothek für 2016
Unter dem Strich sammelte Verstappen 2015 dennoch acht Strafpunkte auf seiner Superlizenz - so viele wie kein anderer Fahrer. Kommende Saison droht Verstappen damit sogar ein Rennen Zwangspause, hält er sich im ersten Saisondrittel nicht zurück. Erst beim sechsten Saisonlauf in Monaco werden die ersten beiden Punkte getilgt. Bis dahin muss sich Verstappen zurückhalten: Kommt er vorher auf 12 Strafpunkte, muss er ein Rennen aussetzen.
Ein ziemlich suboptimales System, findet er. "Natürlich kann das gefährlich sein, aber Racing ist letztlich immer gefährlich. Es sollte nicht ständig Strafen geben und voll kontrolliert sein. Wir Fahrer sollten keine Angst haben, ein Überholmanöver zu setzen, weil man vielleicht eine Strafe bekommen könnte. Ich finde das Strafpunktesystem nicht perfekt, aber wir müssen mit den Regeln leben wie sie sind", sagt Verstappen zu Motorsport-Magazin.com.
Fazit
Aber was denn nun: Wird Max Verstappen der nächste Megastar der Formel 1, ein kommender Weltmeister? Ganz klar: ja! Wenn der Definition des Duden etwas fehlt, so ist es die Kontroverse. Ein Superstar ist niemals langweilig. Ein Formel-1-Weltmeister niemals ein unbeschriebenes Blatt, Typ Schwiegersohn, an dem sich niemand reibt. Ein wahrer Champion polarisiert. Ein echter Champ geht über die Grenze, um sie zu finden. Das haben schon ein Schumacher und ein Senna zur Perfektion vorexerziert. Max Verstappen hat damit bereits begonnen. Jetzt wartet er nur noch auf das passende Auto.
diese Formel 1 Hintergrund