Le-Mans-Sieg, F1-Vertragsverlängerung um zwei Jahre und auch noch zum Race of Champions eingeladen - glaubst du, du bist gerade am Höhepunkt deiner Karriere angekommen?
Nico Hülkenberg: Mit Blick auf meine bisherige Karriere hört es sich auf jeden Fall gut an. Dieses Jahr ist mit dem Le-Mans-Sieg sehr, sehr gut - das war der größte Erfolg meiner bisherigen Laufbahn. Die Formel-1-Saison hatte hingegen Ups und Downs. Die erste Saisonhälfte war eher zäh und schwierig, aber dann haben wir Schwung aufgenommen und es sieht viel besser aus. Der Himmel ist für uns ein bisschen klarer geworden. Im Moment befinde ich mich in einer ganz komfortablen, guten Situation in meiner Karriere.
Man könnte sagen: Der Sommer deines Lebens...
Nico Hülkenberg: Ich bin nicht so ein großer Philosoph. [lacht] Ich bin einfach happy und zufrieden mit meiner aktuellen Situation.
Du meintest in Spa, die Entscheidung darüber, ob du weiter bei Force India fahren würdest, läge nicht zu 100% in deinen Händen.
Nico Hülkenberg: Klar, ich brauche ja erst die Zustimmung vom Team. Danach haben Gespräche stattgefunden und wir haben zueinander gefunden.
Hast du den Vertrag mit Vijay Mallya verhandelt?
Nico Hülkenberg: Ich habe mit Vijay gesprochen, aber Otmar [Szafnauer] macht solche Sachen hier im Team.
Zu diesem Zeitpunkt waren noch einige Fragezeichen auf dem Fahrermarkt offen. War Force India die sichere Variante, nach dem Motto: Lieber den Spatz auf der Hand als die Taube auf dem Dach?
Nico Hülkenberg: Nein, das glaube ich nicht. Für mich ist es die beste Option - egal, was sonst in der Formel 1 passiert. Ich denke nicht, dass ich bei einem möglichen Renault Werksteam die Möglichkeit gehabt hätte, reinzukommen. Von daher gab es für mich nicht keinen Grund länger zu warten. Ich habe mich dafür entschieden, meine beste Option zu nehmen. Perspektivisch gesehen gibt es hier noch Potential nach oben. Das Team kann sich noch weiter nach vorne entwickeln. Ich fühle mich wohl hier und die Bedingungen sind gut. Deshalb bleibe ich hier.
Bei Ferrari gab es angeblich auch eine Chance...
Nico Hülkenberg: Das glaube ich nicht, diese Chance wurde eher von den Medien herbeigeschrieben. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass es da in diesem Jahr eine Möglichkeit gegeben hätte.
Dass du gerne in einem Top-Auto sitzen würdest, ist kein Geheimnis.
Nico Hülkenberg: Jeder möchte um Rennsiege kämpfen. Ich will Weltmeister werden. Dafür brauchst du aber das richtige Auto, das ist kein Geheimnis. Es wäre mir liebend gerne, wenn das ein Force India wäre. Dann würde ich mich arg für das Team und mich freuen. Im Moment ist es allerdings noch nicht der Fall. Wie gesagt, wir können uns noch nach vorne entwickeln, damit wir uns aus eigener Kraft in die Top-5 drücken können. Im Moment sind Rennsiege aber nicht realistisch. Da muss man auch sehen, gegen wen wir kämpfen: das Mercedes-Werksteam, Red Bull, Ferrari mit doppeltem oder dreifachem Budget. Da muss man dann auch realistisch sein und eingestehen, dass wir dagegen in der Formel 1 nicht anstinken können. Wir müssen einfach das Beste aus unseren Möglichkeiten machen.
Abgesehen von deiner ersten Formel-1-Saison hast du jedes Jahr deinen Teamkollegen geschlagen. In allen Nachwuchsserien hast du - abgesehen von der F3 - auf Anhieb den Titel geholt. Selbst beim ersten Start in Le Mans hast du gewonnen. Hättest du ein Top-Cockpit verdient?
Nico Hülkenberg: Wenn du so direkt fragst: ja! [lacht] Als Rennfahrer muss man immer von sich selbst überzeugt sein, aber ich glaube, dass ich auch die nötigen Leistungen gezeigt habe. Fakt ist: Es ist aber nicht so - aus welchen Gründen auch immer. Ich arbeite noch daran. Ich bin jetzt 28 und habe noch gute Jahre in mir. Fahrerisch und vom Stand meiner Laufbahn bin ich gerade in der Blüte meiner Karriere. Von daher freue ich mich auf die Zukunft.
Du hast es eben gesagt: Du bist jetzt 28, also in Zeiten des Formel-1-Jugendswahns nicht mehr der Jüngste. Wenn dein Force-India-Vertrag ausläuft bist du 30. Ist das das beste Alter, um in ein Top-Team aufzusteigen oder zu alt?
Nico Hülkenberg: Darüber lasse ich lieber euch debattieren. Warten wir ab, wie sich meine Performance bis dahin entwickelt. Das ist alles Spekulation - es steht in den Sternen. Ich werde garantiert immer noch fit und in der Lage sein, ein Formel-1-Auto zu fahren. Ob es dann mit einen Top-Team klappen wird, kann ich jetzt nicht beantworten. Ich wünsche es mir natürlich, aber ich weiß es nicht. Ich werde allerdings weiterhin daran arbeiten und an meiner Motivation wird es nicht scheitern.
Sitzen denn in der Formel 1 immer die besten Fahrer auch in den besten Autos?
Nico Hülkenberg: Ich glaube schon, dass die Fahrer in den Top-Teams kein Fallobst und keine Nasenbohrer sind. Wenn man allen Fahrern einen Mercedes oder Red Bull gibt, würde das Rennen eng ausgehen. Es sind Nuancen, die den Unterschied ausmachen. Wahrscheinlich geht es um die Konstanz über eine ganze Saison hinweg. Eine Formel-1-Saison ist heutzutage so lang, da wirklich die Konstanz zu haben, an jedem Wochenende die Leistung abzurufen, das ist die Kunst. Hier kann man sich Vorteile verschaffen. Aber ja, es sitzen definitiv mit die besten Fahrer auch in den besten Autos.
Du hast die Vertragsverlängerung mit Force India selbst ausgehandelt. Ist das einfacher oder schwieriger als mit einem Manager?
Nico Hülkenberg: Es geht sowohl mit als auch ohne Manager. Es war nicht der erste Vertrag, den ich selbst ausgehandelt habe. Ich bin generell ein selbständiger Mensch, kenne die Leute hier kennt - es macht mir also nichts aus, es selbst in die Hand zu nehmen. Wenn man sich so lange und so gut kennt, geht es auch ein bisschen einfacher ohne einen Verhandlungsmarathon.
Wie bist du auf die Idee gekommen, keinen Manager mehr zu engagieren? Oder anders betrachtet: Braucht ein Rennfahrer ab einem gewissen Zeitpunkt vielleicht gar keinen Manager mehr, weil er eh die Leute kennt, sich eine gewisse Reputation erarbeitet hat?
Nico Hülkenberg: Gut erklärt.
Das heißt man braucht einen Manager beim Einstieg, um die Kontakte zu knüpfen und dann kann man das irgendwann auch selbst übernehmen...
Nico Hülkenberg: Genau.
Wie unterscheidet sich das Verhandeln in der Formel 1 von dem in der WEC? Ist die F1 hier ein größeres Haifischbecken?
Nico Hülkenberg: Das weiß ich nicht. Ehrlich gesagt, ist es nicht großartig anders. Es geht um etwas anderes, klar. Aber ich habe keine groß andere Herangehensweise.
Kannst du dir vorstellen, dass es als Fahrer schwieriger wäre, auf der ganz hohen Ebene mit zu verhandeln - also etwa mit einem Sergio Marchionne oder anderen Topmanagern der Automobilbranche?
Nico Hülkenberg: Ich bin mir sicher, dass er nicht selbst die Verhandlungen führt. Er wird einen aber kennen lernen und einen Eindruck bekommen wollen. Die Gespräche selbst wird der Teamchef führen. Aber ich glaube, es geht. Schau dir Sebastian an. Klar, vier Weltmeistertitel helfen.
Von deinem ersten Manager Willi Weber sollst du auch den Spitznamen Hulk haben. Der soll nicht nur vom Namen abgeleitet sein, sondern auch von deiner Persönlichkeit. Du sollst im Cockpit eine Verwandlung hinlegen. Stimmt diese Geschichte?
Nico Hülkenberg: Ich bin mir nicht sicher, dass das stimmt. Es ist mir jedenfalls nicht so bewusst, dass das von ihm gekommen sein soll. Man selbst sieht sich immer mit anderen Augen. Ich bin wie ich bin - außerhalb des Autos und darin.
Du meintest letztens, dass du einer Cockpit-Kanzel nicht besonders viel abgewinnen kannst. Als einer der wenigen Fahrer sagst du, das Risiko gehört dazu, macht in gewisser Weise auch den Reiz aus. Kannst du die anderen Fahrer verstehen, die das anders sehen?
Nico Hülkenberg: Natürlich muss die Sicherheit gewährleistet sein. Wir wollen nicht wie früher Tote sehen. Da dürfen wir auf gar keinen Fall wieder hinkommen. Aber da sind wir nicht und da werden wir mit den aktuellen Sicherheitsmaßnahmen auch nicht hinkommen. Wenn ich mit anderen Fahrern rede hab ich nicht den Eindruck, dass sie sich unsicher fühlen oder den Bedarf haben, dass noch viel gemacht werden muss.
Was war dein schlimmster Unfall, den du bisher hattest?
Nico Hülkenberg: Einen richtigen heftigen Unfall hatte ich noch nicht. Es kann schon sein, dass das etwas in dir auslöst und du dann etwas mehr für dieses Thema sensibilisiert bist.
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