Wie ist Red Bulls aktueller Status für 2016?

Red Bull Racing und Toro Rosso verfügen zum gegenwärtigen Zeitpunkt über keinen Motorenpartner für die Saison 2016. Nachdem die Kooperation mit Renault aufgekündigt wurde und man sowohl bei Mercedes als auch Ferrari abgeblitzt ist, stehen die beiden Rennställe des österreichischen Getränkeherstellers ohne Antriebsstränge da. Red Bulls Standpunkt ist klar: Entweder man bekommt einen konkurrenzfähigen Motor - und damit keine Spezifikation aus dem Vorjahr - oder es erfolgt der Rückzug aus der Formel 1. Konzernchef Dietrich Mateschitz will noch im Oktober eine Entscheidung.

Warum hat sich Red Bull von Renault getrennt?

Obwohl Red Bull im Verbund mit Renault je vier Fahrer- und Konstrukteurs-Weltmeistertitel gewonnen hat, war das Verhältnis zwischen den beiden Parteien stets belastet. Renault fühlte sich für die Erfolge nie in ausreichendem Maße gewürdigt, zudem verschliefen die Franzosen den 2014 im technischen Regelwerk vollzogenen Umbruch hin zur Hybridtechnik, sodass das erfolgsverwöhnte Red Bull plötzlich nur mehr hinterherfuhr.

Die Chemie zwischen Red Bull und Renault war nie die beste, Foto: Sutton
Die Chemie zwischen Red Bull und Renault war nie die beste, Foto: Sutton

Je länger die Erfolge ausblieben, desto ungeduldiger wurde man im Red-Bull-Lager, während gleichzeitig bei Renault der Wunsch nach der Wiederbelebung eines eigenen Werksteams laut wurde. Die Franzosen traten daraufhin in Verhandlungen mit Lotus und unterzeichneten eine Absichtserklärung hinsichtlich der Übernahme des finanziell angeschlagenen Teams.

Mitte September bestätigte Renault-CEO Carlos Ghosn auf der IAA in Frankfurt die Trennung von Red Bull. "Wir haben deutlich gemacht, dass Red Bull nicht mit uns als Motoren-Lieferant rechnen soll", erklärte der Manager damals.

Was sagt Mercedes?

Anfang Juli kam ans Tageslicht, dass Red Bull mit Mercedes über einen Motorenvertrag verhandelt. Allerdings sollte nicht Mercedes, sondern die Sportwagenmarke Aston Martin als Partner auftreten. Die Verhandlungen verliefen jedoch im Sand, wenngleich Red-Bull-Teamchef Christian Horner am vergangenen Montag mit der Aussage aufwartete, man würde weiterhin mit Mercedes sprechen, allerdings nicht mit Motorsportchef Toto Wolff, sondern der Diskurs werde auf höherer Ebene geführt.

Wolff und Niki Lauda zeigten sich daraufhin überrascht und dementierten umgehend. "Wir haben unsere Meinung nicht geändert", stellte Wolff klar. "Wir haben drei Kundenteams und uns, und mit dieser Struktur wollen wir weiterarbeiten." Mercedes rüstete neben dem eigenen Silberpfeil-Werksteam auch Williams und Force India mit Motoren aus, außerdem kommt in der nächsten Saison Manor hinzu, das Lotus ersetzt.

Was sagt Ferrari?

Nachdem die Verhandlungen mit Mercedes ins Stocken geraten waren, wandte sich Red Bull an Ferrari. Sergio Marchionne, der Präsident des italienischen Automobilkonzerns, zeigte sich einem möglichen Motorendeal anfangs aufgeschlossen gegenüber, doch beim Rennstall aus Maranello kamen Bedenken auf, man könnte sich mit Red Bull, das traditionell über ein gutes Chassis verfügt, selbst einen Konkurrenten züchten. Vor allem Technikdirektor James Allison soll diesbezüglich Druck ausgeübt haben.

Ferrari will Red Bull keine Motoren liefern, Foto: Sutton
Ferrari will Red Bull keine Motoren liefern, Foto: Sutton

Daher bot Ferrari an, Red Bull lediglich 2015er-Motoren zu liefern, was man beim britisch-österreichischen Rennstall jedoch strikt ablehnte. Mittlerweile sind die Fronten zwischen Maranello und Milton Keynes so stark verhärtet, dass ein Deal wohl komplett vom Tisch ist.

"Die Überarbeitung des Power-Unit-Programms und der Produktion, um ein weiteres Team zufriedenzustellen, würde erfordern, dass wir alles ändern, was wir bisher geplant haben", argumentierte Teamchef Maurizio Arrivabene, dass sich Red Bull zu spät bei Ferrari gemeldet habe und es nun an der Logistik scheitere.

Ist Honda eine Option?

Theoretisch ja, praktisch nein. Honda hat selbst alle Hände voll zu tun, um endlich für McLaren einen konkurrenzfähigen Motor auf die Beine zu stellen. Die Japaner werden 2016 definitiv kein anderes Team beliefern.

Ist eine Rückkehr zu Renault denkbar?

Das Tischtuch zwischen Red Bull und Renault schien lange Zeit zerschnitten, mittlerweile verdichten sich aber die Anzeichen, dass die langjährigen Partner doch über 2015 hinaus weitermachen könnten. Am Freitag machten in Sochi Gerüchte die Runde, dass dementsprechende Verhandlungen aufgenommen wurden. Red Bull müsste sich dann allerdings vermutlich mit dem Status eines gewöhnlichen Kundenteams zufriedengeben und würde nicht mehr wie bisher Werksstatus genießen, da Renault 2016 ja mit einem eigenen Team antreten wird.

"Alles wurde geregelt, ich würde mir also keine Sorgen darüber machen", ist für Formel-1-Boss Bernie Ecclestone der Deal bereits unter Dach und Fach. "Ich denke, alles hat sich aufgeklärt." Wann mit einer Bekanntgabe seitens Renault und Red Bull zu rechnen sei, konnte der Brite allerdings nicht beantworten. Red-Bull-Teamchef Christian Horner spielt die Aussagen des 85-Jährigen hingegen herunter. "Das tolle an Bernie ist, dass er offenbar viel mehr als der Rest von uns weiß. Wenn er weiß, dass alles geregelt ist, ist das schön."

Die Red-Bull-Piloten könnten sich eine weitere Zusammenarbeit mit Renault - unter gewissen Voraussetzungen - jedenfalls durchaus vorstellen. "Wenn sie etwas Besseres zur Verfügung stellen können, als wir in diesem Jahr haben, und es uns die Möglichkeit gibt, weiter vorne mitzufahren, ist es jetzt eine der besseren Optionen", meinte Daniel Ricciardo. "Wir können nichts ausschließen, aber wir wollen etwas Konkurrenzfähiges."

Ähnliche Töne schlug auch Daniil Kvyat an. "Ich glaube, dass man durch harte Arbeit und Hingabe alles erreichen kann", ist der Russe überzeugt. "Es spielt keine Rolle, welche Probleme es in der Vergangenheit gegeben hat."

Bei Renault hält sich die Euphorie hingegen in Grenzen. "Das Entscheidende ist, dass wir tun werden, was gut für Renault ist", stellte Geschäftsführer Cyril Abiteboul gegenüber Autosport klar. "Es muss für Renault gut sein und dem Zweck von Renault als Player im Sport dienen." Angesichts des Verhaltens, das Red Bull gegenüber Renault an den Tag gelegt hat, wäre es aber schwierig, seinen Vorgesetzten eine Änderung der aktuellen Pläne zu erklären, so der Franzose. "Es kommt auf die Intention von Red Bull und Renault an, und das müssen wir uns ansehen."

Zwar wünscht sich Abiteboul nicht, dass Red Bull die Formel 1 verlässt, die teils überharten Worte der Teamführung in Richtung seines Unternehmens hat er aber nicht vergessen. "Sie haben sehr, sehr deutliche Kommentare bezüglich der Tatsache abgegeben, dass sie mit Renault nicht mehr zusammenarbeiten wollen. Alles andere ist für mich momentan schwer zu beurteilen."

Kehrt Red Bull doch mit Renault in die Erfolgsspur zurück?, Foto: Red Bull
Kehrt Red Bull doch mit Renault in die Erfolgsspur zurück?, Foto: Red Bull

Gibt es weitere Optionen?

Aufgrund der enormen Komplexität der in der Formel 1 eingesetzten Power Units ist es für einen neuen Hersteller unmöglich, binnen weniger Monate einen konkurrenzfähigen Motor zu entwickeln, zumal das Schicksal von Honda als abschreckendes Beispiel dient. Ein selbst entwickelter Motor von Red Bull fällt damit ebenso weg wie ein immer wieder kolportierter Einstieg des Volkswagen-Konzerns. Abgesehen davon, dass man in Wolfsburg derzeit ohnehin ganz andere Probleme hat - Stichwort Abgasskandal. Will Red Bull in der Formel 1 bleiben, muss man sich mit Mercedes, Ferrari, Renault oder Honda einigen.

Was ist Bernie Ecclestones Rolle?

Bernie Ecclestones euphorische Worte bezüglich der Fortsetzung der Ehe mit Renault kommen nicht von ungefähr, ist der Formel-1-Zampano doch daran interessiert, Red Bull und Toro Rosso an Bord zu behalten, da ein Ausstieg der beiden Teams das Produkt Königsklasse beschädigen würde. Gerade in Zeiten, in denen über einen Verkauf der Formel 1 verhandelt wird, kein ideales Szenario.

Ecclestone macht sich für Red Bull stark, Foto: Sutton
Ecclestone macht sich für Red Bull stark, Foto: Sutton

Deshalb tritt Ecclestone schon seit geraumer Zeit als Vermittler hinter den Kulissen auf und versucht, Mercedes beziehungsweise Ferrari zu einem Deal mit Red Bull zu bewegen. Doch auch die Macht des Formel-1-Bosses ist nicht unendlich groß. "Dann kommt ein Kartellamt in der EU und beendet das", ist Ecclestone bewusst, Motorenhersteller nicht zwingen zu können, Teams auszurüsten.

Wie sieht es bei Toro Rosso aus?

Die Situation bei Toro Rosso ist nicht ganz so verfahren wie jene von Red Bull Racing. Sollte Toro Rosso weiterhin Motoren von Renault beziehen, würde sich am gegenwärtigen Status ohnehin nichts ändern. Und im Gegensatz zu Red Bull kann sich das kleine Schwester-Team auch vorstellen, ältere Motoren von Ferrari einzusetzen. "Das ist noch nicht entschieden, das ist noch offen", erklärte Teamchef Franz Tost im Interview mit Motorsport-Magazin.com, der einen Ausstieg als "schlechte Alternative" bezeichnete.

Welche Auswirkungen gibt es auf den Bau der neuen Autos?

Normalerweise arbeiten die Teams zu dieser Jahreszeit schon mit Hochdruck an den Boliden der nächsten Saison. Weil Red Bull und Toro Rosso mit dem Motor allerdings ein ganz entscheidender Baustein fehlt, an dem sich letztlich auch das Design großer Teile des restlichen Wagens orientiert, geraten die beiden Rennställe gegenüber der Konkurrenz zusehends ins Hintertreffen.

"Es wird ein bisschen spät", gab Red-Bull-Chefingenieur Paul Monaghan zu. "Momentan wäre es knapp, aber wir können es schaffen." Ganz und gar nicht entgegen kommt Red Bull der Umstand, dass die Testfahrten vor Saisonbeginn wegen des früheren Australien GP um zwei Wochen vorverlegt wurden. Die Teams gehen am 22. Februar 2016 in Barcelona mit ihren neuen Boliden zum ersten Mal auf die Strecke.

Steigen Red Bull und Toro Rosso aus, bleiben nur mehr neun Teams, Foto: Sutton
Steigen Red Bull und Toro Rosso aus, bleiben nur mehr neun Teams, Foto: Sutton

Was passiert, wenn Red Bull und Toro Rosso aussteigen?

Im Worst Case verliert die Formel 1 vier Autos. Da 2016 das Haas Team neu einsteigt, würde sich das Starterfeld auf nur 18 Boliden belaufen. Dann wären die Spitzenteams per Reglement verpflichtet, ein drittes Auto einzusetzen, um den Grid aufzufüllen. Dieses Szenario stand bereits vor einem Jahr im Raum, als Caterham und Marussia vor der Pleite standen. Weil Marussia als Manor überlebte, wurden die Überlegungen aber wieder verworfen.

"Wir müssen alles versuchen, damit Red Bull und Toro Rosso im Sport bleiben, denn Red Bull ist eine tolle Marke und hat viel für die Formel 1 getan", hofft Toto Wolff, dass es nicht so weit kommen wird. "Geschieht der Ausstieg, wären drei Autos die Lösung. Mir wäre aber lieber, dass die Probleme gelöst werden, Red Bull bleibt und wir zusätzlich drei Autos und damit ein wirklich volles Feld von 24 oder 26 Autos hätten."

Konsequenzen hätte ein Ausstieg naturgemäß auch für die vier Piloten, die beim Red-Bull-Konzern unter Vertrag stehen. Während Daniel Ricciardo und Max Verstappen einen aufrechten Kontrakt für 2016 besitzen, gibt es bei Daniil Kvyat und Carlos Sainz eine Option zur Verlängerung. Trotz der ungewissen Situation ist das Quartett optimistisch gestimmt, dass es mit Red Bull und Toro Rosso in der Formel 1 weitergeht.

"Ich habe über die negativen Folgen noch nicht nachgedacht - ich bin noch immer sehr positiv", ist Ricciardo zuversichtlich, über Jahresfrist hinaus in der Formel 1 seine Runden zu drehen. Ähnliche Töne schlug auch Verstappen an: "Selbst wenn sie sich zurückziehen - und wir müssen abwarten und sehen, was passiert -, habe ich keine Angst, nicht in der Formel 1 zu sein. Wenn sie aussteigen, muss etwas geschehen, aber für mich gibt es keine Anzeichen, dass sie aufhören, daher bin ich sehr glücklich, wo ich bin."

Redaktionskommentar zu Red Bull: Erst denken, dann handeln!

Motorsport-Magazin.com meint: Skandal! Katastrophe! Red Bull kriegt keine Motoren. Die Hersteller sind zu mächtig. Wirklich? Wer sich mit allen Beteiligten zerstreitet, einen bestehenden Vertrag kündigt und gleichzeitig keine Alternative parat hat, trägt auch selbst eine gewisse Schuld. Denn für verantwortungsbewusste Teams sollte Kimis Kultsatz gelten: "Ich weiß, was ich tue!" (Stephan Heublein).