Nach Wochen und Monaten der Ungewissheit und des Zitterns & Wartens wurde Nick Heidfeld am Montag als zweiter Stammpilot des BMW-Williams bestätigt. Im Interview mit motorsport-magazin.com-Chefredakteur Stephan Heublein sprach Nicks Bruder Sven Heidfeld, der seinerseits ebenfalls im Motorsportgeschehen aktiv ist und demnächst eine Entscheidung über seine Zukunft in der Saison 2005 erwartet, über die Erleichterung nach dem Williams-Deal, die Chancen seines Bruders in der anstehenden Saison und das neue Kräfteverhältnis in der Formel 1 Welt.

Wie war Deine erste Reaktion als Du heute von Nicks Williams-Verpflichtung gehört hast?

Sven Heidfeld: Ich habe es heute von einem Journalisten erfahren, der es auf einer Internetseite gelesen hatte, aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich persönlich noch nichts davon. Irgendwann Mittags habe ich dann aber auch von Nick Bescheid bekommen, dass es geklappt hat. Ich hatte es zwar schon vorher in den Nachrichten gelesen und gehört, aber da habe ich es noch nicht geglaubt, da man in letzter Zeit ja doch sehr skeptisch geworden war. Aber als es Nick mir gesagt hat, ist mir natürlich ein Riesenstein vom Herzen gefallen. Das hat mich unglaublich für ihn gefreut.

Wie hast Du das ganze Hin und Her der letzten Wochen mit Tests, Shoot-Outs und dem gigantischen Medienrummel empfunden?

Sven Heidfeld: Ich fand es für beide sehr, sehr hart – sowohl für Nick als auch für Pizzonia. Es war sicher eine ziemliche Nervenbelastung, besonders für Pizzonia, der schon dachte, dass er das Cockpit sicher hat. Aber Nick war einfach schneller und besser und hat das Cockpit verdient bekommen. Dennoch musste man zuletzt, wenn man ehrlich ist, doch etwas daran zweifeln.

Was können Nick und Mark Webber in der kommenden Saison erreichen?

Sven Heidfeld: Ich glaube sehr viel. Nick hat natürlich technisch sehr viel Ahnung und kann das Auto sehr schnell nach vorne weiterentwickeln und Webber ist auch ein Spitzenfahrer. Zusammen sind sie also ein Superduo. Sie sind beide noch jung und hungrig und wenn das Aerodynamikpaket stimmt, der Motor dürfte ohnehin wieder sehr schnell sein, dann können sie ganz vorne mitfahren.

Und wie sieht es im Team internen Duell zwischen Nick und Mark aus? Beide haben noch nie einen Grand Prix gewonnen, wobei Nick sogar noch mehr F1-Erfahrung hat als der Australier...

Sven Heidfeld: Das ist schwer zu sagen. Die Presse geht wahrscheinlich davon aus, dass Webber das Duell gewinnen wird oder das es zumindest sehr eng zwischen den beiden werden wird, aber ich glaube natürlich an Nick und sehe ihn mindestens genauso schnell.

Was hältst Du vom neuen FW27? Was kannst Du zu diesem frühen Zeitpunkt schon dazu sagen, so weit dies von den ersten Bildern her überhaupt möglich ist?

Sven Heidfeld: Nur von Bildern ohne Tests ist es immer schwer zu sagen. Er gefällt mir, aber ob er gut ist wird sich erst noch zeigen. Zudem ist es bei den Tests ja meistens so, dass manche mit leeren Tanks, manche mit vollen Tanks und manche mit alten Autos und Motoren fahren, weswegen man eigentlich gar nichts sagen kann. Man kann nur Tendenzen sehen ob ein Auto zuverlässig und scheinbar schnell ist. Mehr kann man aber nicht sagen.

Auch nicht im Vergleich zu den anderen 2005er Boliden, die schon vorgestellt wurden...

Sven Heidfeld: Ich habe das Gefühl, dass der Sauber in diesem Jahr sehr schnell sein wird. Das hat sich bei den Wintertests bereits angekündigt, da sie mit dem Reifenwechsel sehr gut zurechtgekommen sind, und ich glaube, dass die Michelins dem Felipe [Massa, d. Red.] mehr liegen, da er anscheinend jemand ist, der gerne sehr spät bremst und das scheint mit den Michelin-Pneus eher möglich zu sein. Deshalb glaube ich, dass der Sauber sehr schnell sein wird, besonders da hier die ersten Früchte aus dem neuen Windkanal zum Tragen kommen werden. Ich gehe davon aus, dass sie zwar nicht ganz vorne, aber sehr weit vorne mitfahren werden.

Und was erwartet Du von Williams?

Sven Heidfeld: Das ist superschwer einzuschätzen. Ich würde sagen: Ferrari und McLaren, wobei der MP4-20 auch sehr schnell zu sein scheint, und dann kommt Williams.

Wo reihst Du B·A·R ein?

Sven Heidfeld: Ich weiß nicht, ob sie den Speed mitnehmen können. Ich glaube, dass sie etwas zurückstecken werden müssen.

Mark Webber hat schon vor einigen Wochen erklärt, dass Williams von ihm Siege erwartet. Glaubst Du, dass Nick und Mark Sieg- oder gar Titelchancen haben werden?

Sven Heidfeld: Ja, das könnte ich mir vorstellen. Wenn sie direkt gut in die neue Saison starten, schnell sind und es sofort umsetzen können, dann auf jeden Fall.

Vielleicht auch weil Ferrari mit einem so genannten modifizierten Vorjahreswagen beginnen wird?

Sven Heidfeld: Den modifizierten Wagen sehe ich nicht als Nachteil an. Ich glaube Ferrari hatte dennoch schon als erstes Team wieder damit angefangen das Auto weiterzuentwickeln und bei Ferrari ist ein modifiziertes Auto wahrscheinlich genauso neu wie bei den anderen ein komplett neues Auto. Deswegen glaube ich nicht, dass sie dadurch einen Nachteil haben werden. Das neue Auto wird dann bei seinem Debüt ein paar Rennen später schon wieder eine Ecke vor allen anderen sein. Und beim Motor glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass sie Probleme haben [wie zuletzt im Blätterwald berichtet wurde, d. Red.]. Ich denke, dass sie da ein bisschen bluffen.

Besonders da der neue Ferrari-Motor in Form eines Petronas-Aggregats bei Sauber ziemlich rund läuft...

Sven Heidfeld: Ja, ganz genau. Das ist ein bisschen komisch.

Also ist Michael Schumacher wie immer Favorit?

Sven Heidfeld: Ja, ganz klar. [lacht]

Werden wir denn trotzdem dieses Jahr einmal ein paar spannende Rennen oder gar eine spannende Saison sehen?

Sven Heidfeld: Ja, davon bin ich überzeugt. Zumal – wenn man Ferrari wegnimmt – die Teams schon letztes Jahr viel enger zusammengerückt waren. Aber das interessiert den Normalzuschauer natürlich nicht. Denn dieser möchte vorne Spannung sehen und nicht im Kampf um Platz drei oder vier. Aber ich denke, dass wird in diesem Jahr auch mehr der Fall sein.