Am heutigen Montag hat das BMW WilliamsF1 Team seine Fahrerbesetzung für die Formel-1-Weltmeisterschaft 2005 sowie den neuen Wagen, den Williams BMW FW27, an der Rennstrecke von Valencia in Spanien vorgestellt.

Nach umfangreichen Testfahrten steht nun Nick Heidfeld (DEU) als zweiter Einsatzfahrer neben Mark Webber (AUS) fest. Antonio Pizzonia (BRA) wird das Team und die Weiterentwicklung des FW27 als offizieller Testfahrer unterstützen.

Der FW27 wurde um 12.00 Uhr vor internationalen Berichterstattern enthüllt. Um 15:00 Uhr fuhr er erstmals vor den Augen der Öffentlichkeit auf die Strecke. Die ersten Testfahrten des FW27 werden bis einschließlich Freitag, dem 4. Februar 2005, in Valencia fortgesetzt.

Teamchef Frank Williams sagte: "Dieses Auto und unsere Fahrer repräsentieren die Hoffnungen und Anstrengungen des BMW WilliamsF1 Teams. Vor Saisonbeginn wollen wir unsere Ziele vorsichtig formulieren. Aber wir setzen alles daran, 2005 eine starke Kraft in der Formel 1 zu sein."

Philosophie der Chassis-Entwicklung

Sam Michael, Technischer Direktor von WilliamsF1, erklärte: "In diesem Auto spiegelt sich die Philosophie der Konzentration auf das Wesentliche wider. Während des gesamten Konstruktionszyklus lag das Hauptaugenmerk auf den zentralen Variablen, die die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Beispielsweise die Reduktion von Gewicht und Reibung oder die Erhöhung der Steifigkeit. Als Konsequenz dieser Konzentration auf das Wesentliche sind wir bei der geometrischen Auslegung der vorderen Aufhängung zum Mono-Kiel zurückgekehrt. An der extrem tiefen Motorabdeckung und der Verjüngung der Seitenkästen ist ein aggressiver Zugang bei der Kühlung erkennbar. Standfestigkeit war ein weiteres zentrales Entwicklungsziel. Hier haben wir insbesondere beim Getriebe, das seit November 2004 problemlos im Testeinsatz läuft, deutliche Fortschritte erzielt."

Michael zu den Auswirkungen der neuen Regeln auf die Konstruktion des FW27: "Die Reglementänderungen durch die F1 Technical Working Group haben die Luftausdehnung im Diffusor eingeschränkt und den Ground-Effekt des Frontflügels reduziert. Das Netto-Ergebnis ist ein Abtriebsverlust von rund 30 Prozent bei nicht reduziertem Luftwiderstand. In erster Linie auf theoretische Erkenntnisse gestützt, haben wir intensiv daran gearbeitet, so viel wie möglich von diesen Verlusten wettzumachen. Prognosen anhand von Computational Fluid Dynamics (CFD) waren unser wichtigstes Werkzeug zum Bewerten der Reglementauswirkungen. Wir konnten eine große Bandbreite möglicher Lösungen durchspielen. Gemeinsam mit unserem Partner HP haben wir unsere Rechnerkapazitäten verdreifacht. Wir operieren nun mit einer Anlage, die weltweit zu den Top-500 und in Großbritannien zu den Top-40 gehört. Wir haben unsere hauseigenen Kapazitäten auch durch die Nutzung der HP Bristol Laboratories Computer Farm ergänzt. Dies hat uns in absoluten Hochzeiten der Konstruktionsphase zusätzliche Berechnungen erlaubt", erklärte Michael.

"Als Resultat all dieser zusätzlichen Kapazitäten haben wir die Anzahl der CFD Aerodynamik-Modelle um fast 100 Prozent gesteigert, um die besten Lösungen unter dem neuen Reglement zu finden. Bedenkt man, dass jedes Modell aus rund einer halben Millionen Einzelinformationen besteht, haben wir allein für die Fahrzeug-Aerodynamik 70.000 Mal den Umfang der Encyclopaedia Britannica verarbeitet. Dank besserer Technologie und präziserer Ergebnisse konnten wir die Prozessdauer erheblich verkürzen. Mit Hilfe der CFD-Ergebnisse haben wir Front- und Heckflügel sowie die Luftführungen für Bremsen und Kühler ohne Herstellungsaufwand und Windkanaltest optimiert. Das war im Zusammenhang mit dem neuen Reglement ein entscheidender Vorteil. Die Rechner-Kapazitäten haben auch den Prozess der Struktur-Analyse verbessert. Früher waren wir abhängiger von manuellen Berechnungen und Testergebnissen. Heute können wir diese hoch komplexen Parameter in der Simulation darstellen und dabei die Konstruktion von Crash-Strukturen zusammen mit den aerodynamischen Anforderungen integrieren."

Michael weiter: "Die Anwendung verbesserter Simulationen und rationalisierter Windkanaleinsatz haben dem FW27 zu seinem typischen Profil verholfen. Weil der Frontflügel um 50 Millimeter angehoben werden musste, wurde es umso wichtiger, den konkaven Flügelbereich in der Fahrzeugmitte zu nutzen. Weil der Heckflügel im Verhältnis zum Diffusor nach vorn rückte, mussten außerdem alle Vorrichtungen rings um den Heckflügel optimiert werden, damit sie alle im Einklang funktionieren."

Was die Reifenlimitierung bedeutet

Ein anderer entscheidender Eingriff des Reglements betrifft die Reifen. Für Qualifying und Rennen darf 2005 nur noch ein einziger Satz verwendet werden. Sam Michael beschreibt den Einfluss dieser Regelung auf den FW27: "Das BMW WilliamsF1 Team hat seit der F1-Rückkehr von Michelin mehr Rennen als jedes andere Team mit diesem Reifenhersteller gewonnen. Wir haben bei der Umsetzung der neuen Regeln eng zusammengearbeitet. Im Endeffekt sind Aerodynamik, Gewichtsverteilung, mechanische Balance und Traktionskontrolle Sklaven der Reifen. Wir brauchen Grip, ohne die Reifen zu ruinieren. Diese Aufgabe ist durch die neuen Regeln erheblich schwieriger geworden. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir über den Winter gute Arbeit geleistet haben."

Zwei Rennwochenenden – ein einziger Motor

Reglementänderungen hatten auch einschneidenden Einfluss auf den neuen BMW Motor für die Saison 2005. Der BMW P84/5 Motor muss an zwei Rennwochenenden eine Laufzeit von insgesamt rund 1.500 Kilometer bewältigen und dabei in Training, Qualifying und Rennen unterschiedlichen Belastungen standhalten. BMW Motorsport Direktor Mario Theissen erklärte: "Es gibt nun eine taktische Notwendigkeit, die Motoren zu schonen. Dies lässt sich auf zweierlei Arten erreichen: weniger Runden fahren oder Drehzahl drosseln. Weniger fahren wollen wir nicht, weil dies wertvolle Abstimmungszeit kostet. Im freien Training die maximale Drehzahl zu beschränken, ist die bessere Alternative."

In den Qualifyings dagegen ist maximale Leistung gefordert. Derart vorbelastet gehen die Motoren dann auf die Renndistanz. 2004 bedeutete die Zielflagge das Ende ihrer Pflicht. 2005 ist das nur ein Etappensieg in Sachen Zuverlässigkeit: Ein GP-Wochenende später müssen dieselben Triebwerke noch einmal den gleichen Zyklus durchstehen.

Theissen: "Dabei ist die Bestrafung für einen Motorschaden bedeutend härter als für jeden anderen Defekt." Ein Motortausch vor dem ersten Qualifying kostet bei dem entsprechenden GP zehn Startplätze. Ein Schaden zwischen erstem Qualifying und Rennen versetzt einen Fahrer sogar ganz ans Ende der Startaufstellung. "Allerdings darf der Motor straffrei ersetzt werden, wenn ein Fahrer das Rennen nicht beendet. Da sehe ich eine offene Frage im Reglement", so Theissen weiter, "schließlich könnte ein Fahrer ein Rennen aus der taktischen Überlegung heraus nicht beenden, um sich den Vorteil eines frischen Motors für den nächsten Grand Prix zu sichern."

Angesichts der neuen Regeln hatte Standfestigkeit höchste Priorität bei der BMW Motorenentwicklung. Daneben ging es um die Minimierung der Leistungseinbußen. Diese wiederum sollen im Zuge der Weiterentwicklung während der Saison aufgeholt werden. Theissen: "Vereinfacht ausgedrückt sind die kritischen Komponenten die bewegten Teile und jene, die im Feuer stehen. Also alles, was mechanisch und thermisch hoch belastet wird – vor allem der Kurbeltrieb und der Ventiltrieb. Jedes einzelne Teil muss auf doppelte Lebensdauer ausgelegt werden. Das bedeutet normalerweise: Der Motor wird größer und schwerer, was wiederum Drehzahl und somit Leistung kostet. Um diese Verluste zu minimieren, ist akribische Feinarbeit gefordert."

Zu den Reglementänderungen sagte Theissen: "Grundsätzlich unterstützen wir Maßnahmen, die zur Kostenreduzierung beitragen. Allerdings hat der späte Zeitpunkt dieser einschneidenden Vorgabenänderung großen zusätzlichen Entwicklungsaufwand verursacht."

Erste Fahreindrücke

Nach den ersten Runden mit dem FW27 in Valencia sagte Mark Webber: "Nicht zuletzt wegen der Reglementänderungen bezüglich Aerodynamik und Reifen steckt in diesem Chassis extrem viel Arbeit. Und BMW hatte mit der Entwicklung des P84/5 Motors, der nun zwei Rennwochenenden halten muss, ebenfalls alle Hände voll zu tun. Ich erwarte eine harte Saison. Erstes Ziel muss sein, mit beiden Autos konstant und zuverlässig zu fahren. Insgesamt bin ich optimistisch. Der Februar wird noch ein wichtiger Monat für uns."

Nick Heidfeld sagte: "Der FW27 sah heute Vormittag auf der Bühne großartig aus, und er hat am Nachmittag auch auf der Strecke einen guten Eindruck gemacht. Ich bin bislang zwar nur wenige Runden gefahren, aber das Auto fühlt sich nicht fremd an. Jetzt werden wir uns auf die letzten Saisonvorbereitungen konzentrieren."

Zahlen und Fakten – Williams BMW FW27

1,3 Terabytes Aerodynamikdaten wurden mit CFD verarbeitet (1 Terabyte sind über 1000 Millionen Bytes). Die Summe entspricht dem 69.333fachen der Informationen der Encyclopaedia Britannica.

250.000 Arbeitsstunden verschlang die Konstruktion des FW27.

250.000 weitere Arbeitsstunden dauerten Fertigung und Aufbau.

4.500 Konstruktionszeichnungen wurden für den FW27 angefertigt. Aneinandergelegt würden sie eine Strecke von 5.350 Kilometern bedecken. Etwa 4.000 weitere Zeichnungen werden während der Weiterentwicklung entstehen. Damit würden die ausgelegten Zeichnungen zum Ende der Saison der Distanz von London nach Buenos Aires entsprechen.

Der FW27 wird in rund 5 Sekunden von 0 auf 200 km/h beschleunigen. Die Verzögerungswerte werden 5 g erreichen. (Die Verzögerung von 1 g ist vergleichbar mit dem Aufprall an eine Mauer aus Tempo 30 km/h). Um diese Verzögerung zu realisieren, erreichen die Bremsen binnen einer Sekunde 6000C.

Die Abgastemperaturen erreichen bis zu 9500C, und sogar die Luft im System der pneumatischen Ventilsteuerung erhitzt sich auf bis zu 2500C.

Der BMW P84/5 besteht aus rund 5.000 Einzelteilen. Der Aufbau dauert 100 Arbeitsstunden. Bisher hat BMW rund 200 Formel-1-Motoren pro Saison hergestellt. 2005 wird diese Zahl etwas zurückgehen.

Über 1.000 CAD-Zeichnungen wurden für den BMW P84/5 angefertigt.

Der BMW Formel-1-Motor wiegt weniger als 90 kg.

Bei 19. 000 U/min des BMW F1-Motors ereignen sich binnen einer einzigen Sekunde 316,7 Umdrehungen und 1583,3 Zündungen. Es erfolgen 9. 500 Drehzahlerfassungen, die Kolben legen 25 Meter zurück, und es werden 550 Liter Luft angesaugt.

Beim P84 betrug die maximale Kolbenbeschleunigung 10 000 g.

Die Kolbengeschwindigkeit lag in der Spitze bei 40 Metern pro Sekunde.